Der Traum von der Weltstadt
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angela kochInternationale Großveranstaltungen wie die Olympischen Spiele 1992 und das Forum 2004 haben das Stadtbild Barcelonas erneuert. Doch ihr provinzielles Image konnte die Stadt dadurch nicht ablegen.
Barcelona ist wie ausgestorben. Der kühle Januartag zeigt die Stadt nicht gerade von seiner schönsten Seite. Dennoch sind ihre Reize und ihre Ausstrahlung nicht zu übersehen. "Ich liebe die Straßen Barcelonas und seine Künstler, die Werke Gaudís, wie den Parc Güell, das arabisch beeinflusste Raval- Viertel und die Fülle der Kulturangebote: Konzerte, Festivals, das Forum“ schwärmt die 23jährige Patricia aus Teneriffa. Forum? Welches Forum? haken wir nach. "Das Forum ist ein Veranstaltungsort für Konzerte und Festivals – allerdings ist es nicht gratis."
Es ist Mittag, als wir auf dem Forum-Gelände ankommen. Die Sonne scheint zwar, aber es bleibt auch heute kühl. Grau und menschenleer ist diese riesige, lang gestreckte Veranstaltungsfläche, die an der Mündung des Flusses Besòs liegt. Alfred findet, dass das Forum nicht wirklich zur Stadt gehört. "Es ist ein großes, grauenhaftes Etwas mitten im Nirgendwo, weit weg vom Stadtzentrum. Genauso wie das Olympia-Gelände auf dem Montjuïc", sagt der 23jährige aus Barcelona. "Der einzige Grund, warum ich immer wieder hierher komme, sind die Konzerte und die Festivals. Aber jedes Mal, wenn ich dort war, schwöre ich mir aufs Neue, nie mehr hinzugehen." Vor zweieinhalb Jahren wurde die Fläche mit dem „Universellen Kulturforum 2004“ eingeweiht. Eine pompöse Veranstaltung, die eine Idee des ehemaligen sozialistischen Bürgermeisters Pasqual Maragall war.
Eine Welt der Nachhaltigkeit
Für das 141 Tage dauernde Ereignis wurde ein neuer Küstenabschnitt aufgeschüttet. 20 Hektar Beton, inklusive einer Abwasserkläranlage, in unmittelbarer Nähe des Meeres. Die Ausstellungen und der „Dialog“ sollten eine Welt der Nachhaltigkeit propagieren. Gorbatschow war da, Clinton nicht. Das Forum bezeichnete sich selbst als den "größten öffentlichen Platz, direkt nach Pekings Tiananmen“. Es wurde ein immenser Platz geschaffen, ohne an geistigen Raum für die Menschen zu denken. Die katalanischen Medien haben die Veranstaltung verrissen.
Das Forum hat nichts revolutioniert, außer vielleicht das früher rauhe Poble Nou-Viertel. Manche kritisieren die Modernisierungen, denn im Anschluss stiegen hier die Wohnpreise drastisch an. Hector aus Castellón hat am 11. September, dem Nationalfeiertag Kataloniens, das Forum besucht. "Wir haben etwas neues erlebt, etwas anderes und originelles", sagt er. Aber der 27jährige räumt ein, dass das Angebot des Forums "nicht ausreicht, um Menschen eine ganze Saison lang zu beschäftigen." Es herrschen schlechte Informationsarbeit und schlechtes Marketing. Die Folgen: statt der erwarteten fünf Millionen Besucher kamen nur drei Millionen.
Eric Hauck, der an der Planung und der Umsetzung des Forums beteiligt war und heute Sprecher der Forum-Stiftung ist, versteckt seine Enttäuschung nicht: "Der 'Marke Barcelona' konnten wir durch das Forum 2004 keine neuen Attribute wie 'Stadt des Friedens, der Toleranz und des Wissens' verleihen. Wir haben viel erreicht, aber als Erfolg können wir das wirklich nicht bezeichnen." Hauck sagt, man hätte von Anfang an wissen müssen, dass das Projekt 'Weltkulturen auf der Bühne Barcelonas' keine großen Erfolgsaussichten hatte. Er räumt auch ein, dass es zu ehrgeizig und zu utopisch war. "Niemand will übermäßige Risiken eingehen. Pionierarbeit kommt auf diesem Gebiet einem betriebwirtschaftlichen Selbstmord gleich."
Einfach Katalanisch - Katalanisch einfach
Die Geschichte der Großveranstaltungen in Barcelona geht zurück bis ins 19. Jahrhundert. Die Gebäude der Weltausstellung von 1888 sind heute Teil der Stadt-Silouhette des Viertels Ciutat Vella, nahe des Meeres. Die architektonischen Reste auf dem Montjuïc-Hügel der Weltausstellung von 1929 beherbergen auch heute noch zahlreiche Kunst-Ausstellungen. Auf dem Montjuïc thront auch das Olympia-Stadion über der Stadt. Lange Zeit lebte Barcelona mit dem Rücken zu seiner Küste. Oft wurde geschrieben, dass Barcelona erst durch die Olympischen Spiele 1992 das Meer entdeckt und in sein Stadtbild integriert hat. Aber die Provinz-Mentalität Kataloniens hat Barcelona daran gehindert, aus dem Forum 2004 das größte Ereignis seit den olympischen Spielen zu machen.
"Die Einwohner Barcelonas erinnern sich an das Forum als etwas verrücktes, und den Bürgermeister Joan Clos als einen Clown mit größenwahnsinnigen Ideen," seufzt Alfred. "Letztlich sind wir sehr einfache Menschen." Und Hauck führt hinzu: "Unsere Generation ist ganz und gar nicht weltoffen. Die ist mit ihrem lokalen Umfeld zufrieden. Die Politiker wissen nicht, welchen Platz sie in der Welt einnehmen sollen. Und die Medien sind sehr, sehr katalanisch, widerwillig. Wir glauben nicht an uns selbst."
Hauck ist Deutscher, fühlt sich aber mehr als Katalane. Er kam in den 70er Jahren als Kind mit seiner Mutter nach Barcelona. Während unseres Gespräches kommt es einige Male vor, dass er sich selbst als zu katalanisch bezeichnet. "So etwas wird hier nie wieder stattfinden. Ganz sicher nicht mehr." Barcelona habe seine Chance verpasst. Vielleicht ist es eine Frage der Zeit. Hauck vergleicht das Forum-Projekt auch gerne mit dem Bau der Sagrada Familia. Ein Kirche, die sich seit über 100 Jahren im Bau befindet und noch immer unvollendet ist.
Barcelona ist, was es ist
Auf dem Markt La Boquería unterhalten sich die Einheimischen über "BREADANDBUTTER" (BB). Die prestigeträchtigen Modemesse fand vom 17. bis zum 19. Januar in Barcelona statt. Eigentlich kommt BB aus Berlin, die Stadt bietet zusammen mit Barcelona eine „Nord-Süd-Achse“ zur Erschließung des europäischen Modemarktes. Doch in Barcelona hat die Messe mehr Erfolg. "Wir waren fasziniert von der pulsierenden Straßenkunst Barcelonas. Die Stadt ist hierfür sicherlich ein Mekka“, erklärt Danielle de Bie, Sprecherin von BB. „Wir sind auf große Unterstützung der Stadtverwaltung gestoßen"
Dies verwundert nicht, wenn man sich die Zahlen der Fira de Barcelona, des Messe-Verbands der Stadt, genau ansieht. BB hat der katalanischen Hauptstadt über 80 Millionen Euro gebracht. Es kamen 84 000 Besucher, 50 000 aus dem Ausland.
Heute gehören zur "Marke Barcelona" der FC Barça, der Große Preis der Formel 1 von Spanien, die Festes de la Mercè und das jährlich stattfindende Musikfestival Sonar, das letztes Jahr bei seinem Abschlusskonzert über 300 000 Besucher empfing.
Der 23jährige Paco aus Tarragona glaubt nicht, dass man Geld brauche, um aus Barcelona mehr als nur eine Marke zu machen: "Barcelona versucht einfach das zu sein, was es ist – die zweitgrößte Stadt eines Landes mit 40 Millionen Einwohnern.
Translated from Olympic city - dizzy Catalonian heights