Der europäische (Nicht)Raucher-Reiseführer
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Barbara CantonBeim sorgfältigen Planen des Sommerurlaubs lohnt es sich zu überlegen, welches Reiseziel sich für bekennende Raucher bzw. für Gegner des Glimmstängels am besten eignet.
Kürzlich haben einige europäische Regierungen Gesetze zum Rauchverbot an öffentlichen Orten wieder rückgängig gemacht oder haben sie aufgeschoben. Bulgarien bekennt sich dabei selbst zum führenden Überläufer in der EU: Sein Parlament stimmte am 28. April 2010 gegen ein vollständiges Rauchverbot in Cafés, Bars und Restaurants mit der Begründung, dass ein solches Verbot den krisengebeutelten Gastronomiesektor in Gefahr bringen würde. Dabei war das Rauchen in Bulgarien bereits seit 2005 verboten.
Ungarn hat das vollständige Rauchverbot erst einmal auf Eis gelegt und Kroatien und Mazedonien haben Bars und Cafés eine sechsmonatige Gnadenfrist gewährt, die nun vor kurzem abgelaufen ist. In Serbien soll(te) ein Gesetz zum Rauchverbot an öffentlichen Plätzen in den kommenden Monaten in Kraft treten, während der Antrag auf ein Rauchverbot in Spanien auf das Jahr 2011 verschoben worden ist. Das wirft die Frage auf, ob dieser Antrag überhaupt jemals umgesetzt werden wird. Einem Gutachten zufolge befürworten aber dennoch sieben von zehn Spaniern das Verbot.
Irland und Italien drückten die Zigaretten als erste aus
Die Länder, in denen das Rauchen am frühesten verboten wurde, sind nicht unbedingt diejenigen Kandidaten, die das Gesetz am strengsten umsetzen. Irland und Italien sind (nach Island und Kanada) weltweit die Länder Nummer drei und vier, die dem genüsslichen (oder suchtbedingten) Zug an der Zigarette an öffentlichen Orten ein Ende setzten. Sie gehen bereits seit Mitte der 1990er Jahre mit gutem Beispiel voran. In Irland wurde 2002 gar eine Behörde für Tabakaufsicht eingerichtet, bei der überzeugte Nichtraucher Gesetzesbrecher anschwärzen können - da sollte man als Raucher vielleicht lieber nach Italien reisen, wo das warme Klima es ermöglicht, in Bars und Restaurants auf der Terrasse zu rauchen.
Nichtraucher-Kampagnen, die Europa schockierten
Es verwundert nicht, dass Frankreich sich mit seinem 1991 verhängten Evin-Gesetz gerne als Pionier des Rauchverbots in Europa sieht. Doch das Loi Evin untersagte zwar das Qualmen an öffentlichen Plätzen, nicht aber in Kneipen und an anderen Vergnügungsorten. Erst 2008 schlossen sich Frankreich, Italien und Irland an. Seitdem haben die Franzosen ein neues Thema, über das sich endlos philosophieren lässt. Auch neue Flirttaktiken - wie das so genannte smirting, bei dem man sich auf eine Zigarette vor der Bar trifft - sind daraus entstanden. Alles in allem sind die Gauloises-paffenden Franzosen nicht allzu betrübt über die Nichtraucher-Bestimmungen, da man auf den vielen Terrassen von Paris immer noch leicht ins Gespräch kommt.
Rauchen "ein bisschen" verboten
Zu den Ländern, in denen das Verbot wenig Aufsehen erregt hat, gehören Zypern (2010), Österreich und Griechenland (2009, wobei einem WHO-Bericht zufolge in Griechenland die Hälfte aller Erwachsenen raucht), Estland, Großbritannien und Slowenien (2007), Malta (2004) und Schweden (2005, wo das Verbot die größte Zustimmung erhalten hat und sogar in Gefängnissen gilt). In Finnland und Litauen darf man noch immer in separierten Zugabteilen rauchen, sofern dort nicht gegessen wird. In den meisten Ländern ist das Rauchen in Kneipen, Klubs und Restaurants in sogenannten "Fumoirs" erlaubt - ein zumeist maßlos überfüllter Ort, an dem man so schnell wie nirgendwo sonst zahllose Raucher-Bekanntschaften macht und - auch wenn man nur eine einzige Zigarette raucht - gleich den Nikotingehalt von mindestens drei Glimmstängeln intus hat, dermaßen qualmig ist das kleine Raucherressort.
In einigen Ländern sind abgemilderte Varianten des Verbots umgesetzt worden, die sich auf Orte beschränken, an denen Essen serviert wird. In Luxemburg beispielsweise ist das Gesetz an Essenszeiten gebunden - d.h. das Verbot tritt jeweils nur zwischen 12 und 14 Uhr und 19 und 21 Uhr in Kraft. In Belgien verhält es sich ähnlich, jedoch ohne den komplizierten Zeitplan. Andere Länder haben Rauch(verbot)-Gesetze verhängt, die Raum für subjektive Interpretation lassen; so schreibt in Portugal das Gesetz „angemessene Belüftungssysteme“ vor. Sind die „angemessenen Belüftungssysteme“ vorhanden, ist das Rauchen erlaubt; fehlen sie, führt das zu hohen Bußgeldern. In Tschechien müssen Bars und Restaurants ihre Gäste mit einem höflichen Schild darauf hinweisen, wenn es keinen Raum für Nichtraucher gibt.
Schlaue Kneipenbesitzer
Manchmal spiegelt die Komplexität des Gesetzes die Komplexität der politischen Struktur wider. Als Bundesstaat hat Deutschland so viele Rauchverbotsgesetze wie es Bundesländer hat. So wird der Gesetzesantrag in Hamburg noch immer verhandelt, während das Verbot in Berlin eingeführt und teilweise schon wieder rückgängig gemacht wurde. In Bayern, wo das Gesetz am strengsten ist, haben schlaue Kneipenbesitzer ein Schlupfloch gefunden und ihre öffentlichen Lokale in „Privatklubs“ umgemünzt, die nicht unter das verabschiedete Gesetz fallen. Auch in der Schweiz - wäre sie nicht so schon klein genug - wird in jedem der 26 Kantone eigens über ein Rauchverbot abgestimmt.
Die Länder, die als sehr liberal gelten, kommen dem am nächsten, was man als Raucherparadies bezeichnen könnte. In Dänemark wurde das Rauchverbot 2007 eingeführt, aber wie so viele andere Regulierungen gilt es im Freistaat Christiania nicht. Und auch wenn die Niederlande als erste Nation das Rauchen an ihrem Haupt-Flughafen Schiphol untersagte, gibt es in den berühmt berüchtigten Coffeeshops noch immer eine Alternative zur Zigarette. Damit sie das Gesetz nicht brechen, dürfen die Joints aber nicht mit Tabak gedreht sein - vielleicht nicht unbedingt die gesündeste, aber doch die erfolgversprechendste Variante, das Rauchverbot gelassen zu sehen.
Alles in allem wird die europäische Gastronomie zunehmend ungemütlich für Raucher. Die Bußgelder sind Abschreckung genug, um sich an die Gesetze zu halten. Auch wenn Kneipen- und Klubbesitzer wissen, dass eine strikte Einhaltung ihrem Geschäft schaden kann, können sie es sich nicht leisten, ihren Gästen gegenüber Milde walten zu lassen. Fazit: Als Raucher sollte man sich - zumal man nicht unbedingt in die südlichen Hemissphären von Europa reist - mit einer Allwetterausrüstung wappnen, um bei Wind und Wetter seinem Laster nachgehen zu können. Als Nichtraucher hingegen kann man sich auf einen (größtenteils) rauchfreien Sommer freuen.
Foto: ©Bukutgirl/flickr
Translated from (Non-)smoker's summer guide to Europe's bans