Das Europa der Finanz-Piraten
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juliane rohloffBankgeheimnisse, Steuerbefreiungen, lasche Gesetzgebung und ein undurchsichtiges System für Geldwäsche: In Europa bereiten zahlreiche Steuerparadiese den Behörden Kopfzerbrechen.
In den 1970er Jahren gab es in Europa nur wenige Steuerparadiese. Doch dann wurden die Kontrollen der internationalen Kapitalströme abgebaut und Steuerparadiese erlebten einen Boom auf dem Kontinent. Bei fast allen handelt es sich um ehemalige Kolonien, deren Abhängigkeit vom ehemaligen Mutterland noch besteht, die Hälfte segelt unter britischer Flagge. Inzwischen hat sich Europa in den weltweit größten Ballungsraum für Steueroasen verwandelt. Diese Entwicklung bewog mehr als zweitausend europäische Richter, 1996 die so genannte „Genfer Erklärung“ zu unterzeichnen. Darin stand: „Hinter dem sichtbaren, offiziellen und respektierten Europa in der Entstehung gibt es ein anderes diskreteres, weniger vertrauenswürdiges.“ Es ist das Europa der Steuerparadiese, das sich von den anglo-normannischen Inseln, über Lichtenstein bis hin zu den Affenfelsen von Gibraltar ausstreckt. Dank des Kapitals, das es gefällig schützt, trägt es weitere Blüten...
Gibraltar: im Vorhof Europas
Seit Juni 2000 steht Gibraltar auf der von der OSZE erstellten schwarzen Liste von 35 Steuerparadiesen. Es erfüllt nicht die EU-Normen für den freien Wettbewerb und erhält von der britischen Regierung eine ungesetzliche und unverhältnismäßige Unterstützung für die staatseigenen Firmen. Viele Firmen müssen keine Mehrwertssteuer zahlen, was die EU-Kommission in Brüssel im März 2004 verurteilte. Die Tageszeitung The Guardian berichtete in ihrer Ausgabe vom 3. Juni 2000, dass Gibraltar bei einer Einwohnerzahl von 28.000 den steuerlichen Wohnsitz von 200 Multimillionären und fast 60.000 Firmen beherbergt, von denen fast ein Drittel vollständig von der Körperschaftssteuer befreit ist.
Monaco: Der Glamour spielt mit
In Monaco liegt viel Geld, das von berühmten Multimillionären aus Mode, Sport, Film oder Musik stammt. Das Jet Set versucht ebenfalls den großen Vorteil dieses Steuerparadieses für sich zu nutzen: Die extrem niedrigen oder gar nicht erst vorhandenen Steuersätze. Ein Fakt: In Monaco gibt es 32.000 Einwohner und 350.000 Konten. Die Herkunft des immensen Reichtums ist unbekannt. Monaco bietet im internationalen Steuerwettbewerb den Reichen bessere Steuerschlupflöcher, damit die großen transnationalen Konsortien ihren Beitragsverpflichtungen entgehen können.
Die Inseln Jersey und Man
Die organisierte Kriminalität passt sich sehr gut an die Globalisierung der Finanzen an. Dank der Steueroasen können sie ihre illegalen Aktivitäten ohne Schwierigkeiten in andere, legale Netzwerke verlagern und in die Finanzmärkte investieren. Dafür verfügen sie über erhebliche Kapitalsummen. Das Netz, das die Inseln Jersey und Man, San Marino und Liechtenstein bilden, zeigt ganz deutlich, welche Rolle diese kleinen europäischen Enklaven spielen. Mit Hilfe dieses Gefüges unterstützen sich die moderne Finanzwelt und das organisierte Verbrechen gegenseitig und beide sind auf den Abbau von Regeln und staatlichen Kontrollen angewiesen.
Dies ist das andere Europa: Konten, über die das Geld von Drogenhandel, Terrorismus, Sekten, Korruption und Mafia gewaschen wird. Diese Möglichkeiten innerhalb eines der größten gemeinsamen Märkte der Welt schaffen dem organisierten Verbrechen Vorschub. Der „Atlas der Finanzkriminalität“, der 2002 von dem spanischen Verlag Akal veröffentlicht wurde, besagt, dass das Bruttokriminalprodukt (BKP) der EU bei nicht weniger als 800 Milliarden Dollar liegt. Und von diesem Kuchen bekommen auch Terrororganisationen wie Al-Kaida oder ETA ihr Stück ab.
Luxemburg: Unlauterer Wettbewerb im Herzen Europas
Die gesamte Offshore-Industrie trägt die Hälfte der weltweiten Finanztransaktionen. 30 der 50 bedeutensten Banken der Welt und 90% ihrer Kunden sind Ausländer. Ein Beispiel hierfür ist Luxemburg. Im Jahre 1999 erklärte der damalige französische Wirtschaftsminister Dominique Strauss-Kahn, dass die Hälfte des Welthandels über die Steuerparadiese stattfindet. Der Wert des Vermögens, das auf Konten in Steueroasen lagert, liegt bei knapp 11 Billionen Dollar, mehr als ein Drittel des Bruttoinlandsproduktes, dass in der Welt jedes Jahr erwirtschaftet wird. Dies schreibt J. Christensen in der Ausgabe der Tageszeitung The Observer vom 17. November.
Mit dem jährlichen Wachstumsrate der auf Konten in Steueroasen (Liechtenstein und San Marino eingeschlossen) angelegten Geldmenge von 0,5 % könnten die Millenniumsziele der UNO für das Jahr 2015 finanziert werden, ganz zu schweigen von der Bedeutung für den EU-Haushalt und das leidige Thema EU-Erweiterung.
Translated from Paraísos fiscales: la Europa de los piratas