Das ABC der EU-Friedenssicherung
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Julia-Carolin BrachemEuropa stellt die meisten Soldaten für UN-Friedensmissionen. Bedroht nun der Ausbau der EU-internen Ressourcen den Einsatz in der internationalen Friedenssicherung?
Dem Datenmaterial des Stockholmer Friedensinstituts SIPRI (Stockholm International Peace Research Institute) zufolge, erreichten die Gesamtkosten aller Friedensoperationen der Vereinten Nationen (UN), der Europäischen Union (EU) und der North Atlantic Treaty Organisation (NATO) 2006 einen Rekordstand von 5,5 Milliarden Dollar. Das für 2007 genehmigte Budget prognostiziert Ausgaben in Höhe von 5,29 Milliarden Dollar. Diese Zahlen mögen hoch erscheinen. Wirft man jedoch einen Blick in das SIPRI Jahrbuch 2007, belaufen sich allein die Kosten für die Erhaltung der internationalen Streitmacht im Irak auf 5,3 Milliarden Euro… pro Monat!
Die Europäer beteiligen sich über Organisationen wie die UN, die NATO und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) an der internationalen Friedenssicherung. Die einzelnen europäischen Nationen bilden Armeen und treten als Streitmacht zusammen, die die Union der europäischen Länder verkörpert. Die Struktur europäischer Friedenssicherung spiegelt die Spannungen auf dem alten Kontinent wider: das Beibehalten nationaler Souveränität auf der einen Seite, weitere Integrationsschritte auf der anderen Seite. Darüber hinaus tragen die vielen Behörden, die die Truppenentsendung und die finanziellen Mittel weltweit koordinieren, zu den Spannungen bei.
Drei EU-Friedenstruppen
Die EU ist gewöhnlich der größte Förderer von Wiederaufbau-Aktivitäten und humanitären Aktionen. Diese Werte bilden das moralische Rückgrat der Union. Mit der wachsenden Bedeutung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP), hat die EU begonnen, die Truppen ihrer Mitgliedstaaten als Teil einer Struktur zu organisieren, die unter europäischer Führung für Friedensoperationen genutzt werden könnte. Die Streitmächte der EU bestehen derzeit aus drei verschiedenen Strukturen.
Die Schnelle Eingreiftruppe der EU (ERRF), 60.000 Mann stark, stellt für die EU-Länder eine Möglichkeit dar, schnell auf internationale Krisen zu reagieren. Aufgrund komplizierter bürokratischer Verfahren wäre dies für die UN undenkbar. Die nationalen Regierungen kontrollieren ihre Truppen.
Die EU-Battlegroups sind Streitmächte in der Größe von Bataillonen, die eine sofortige Reaktion ermöglichen sollen. Ihre 1.500 Soldaten können noch schneller als die ERRF durch dringende Anforderung der UN mobilisiert werden. Fünfzehn EU-Mitglieder rotieren und gewährleisten, dass zu jeder Zeit zwei von ihnen auf Abruf bereit stehen. Dies war beispielsweise im März 2006 im Rahmen der EU-Operation "Artemis" in der Demokratischen Republik Kongo der Fall.
Die Europäische Grenzpolizei, die sich aus Polizeitruppen fünf europäischer Länder zusammensetzt, wird oft bei Friedensmissionen eingesetzt. Die nächste Truppe bricht am 1. Januar 2008 in den Tschad auf.
Hilfestellungen und Belastungen
Die EU sorgt mit zwei bemerkenswerten Vorreitern auch für eine Ausbildung in den Entwicklungsländern. Großbritannien bildete 2005 17.000 Nigerianer zu Friedenshelfern aus. Unterdessen baute Deutschland am 28.1.2004 die Beziehungen zu Westafrika mit einer Spende von 3,1 Millionen Euro aus, um das "Kofi Annan International Peacekeeping Training Centre" (KAIPTC) am Stadtrand von Ghanas Hauptstadt Accra zu bauen.
Europa unterstützt die Friedensmissionen zwar finanziell, entzieht sich aber zunehmend der direkten Truppenentsendung. Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien haben viele Soldaten in Afghanistan stationiert, halten sie jedoch aus dem Gefecht heraus, wie der kanadische Verteidigungsminister John McKay am 20. September in Washington feststellte. Entwicklungsländer wie Bangladesh, Indien, Nigeria, Ghana, Kenia und Pakistan helfen ihrerseits mit Truppen aus, um die Bürde mitzutragen. Pakistan steuert derzeit eine Truppe von 10.000 Mann zu elf Friedensmissionen bei.
Überlappende Friedenssicherung
Die EU-Streitmächte machen in den Friedensoperationen nur einen Bruchteil der Einsätze europäischer Nationen aus. Derzeit sind 1.500 EU- und 15.000 NATO-Truppen (davon viele europäische) im Kosovo stationiert. Überschneidungen von Mitgliedschaften in Strukturen wie der UN, EU, NATO und der OSZE sind offensichtlich. All diese Strukturen besitzen eigene Waffen und ein eigenes Budget.
Europa hat noch einen langen Weg vor sich. Die erste EU-Mission begann vor gerade mal vier Jahren, am 1. Januar 2003, als die EU-Polizeitruppen die UN-Mission in Bosnien und Herzegowina (UNMIBH) übernahmen. Es ist wichtig, dass Europa eigene Strukturen der Friedenssicherung entwickelt. Gleichzeitig muss Europa aber mit internationalen Beteiligungen präsent bleiben. Im Fall von sensiblen Konflikten wie im Kosovo könnten EU-Operationen im Alleingang als "parteiisch" betrachtet werden. Die Finnen werden dort im Sommer 2008 im Rahmen einer NATO-Operation die Leitung einer regionalen Battlegroup übernehmen.
Intext-Foto: EUFOR in Bosnien (Foto: David Anderson/flickr); Französischer Soldat der EU-Schutztruppe auf muslimischem Friedhof, Bosnien (Foto: richmeakin/flickr)
Friedensmissionen europäischer Truppen 2006, (SIPRI) Jahrbuch 2007. Über die komplette Liste von EU-Einsätzen können Sie sich bei Consilium Europa informieren.
Translated from The ABC of EU peacekeeping abroad