Cameron, Brown, Clegg: Junge Briten haben die Qual der Wahl
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Ulrike LelickensBei den britischen Parlamentswahlen am 6. Mai könnte es tatsächlich seit Jahrzehnten zum ersten Mal zu unklaren Mehrheitsverhältnissen kommen, was die politische Landschaft kräftig durcheinanderwirbeln würde. Doch Oppositionsführer David Cameron, der seine Kampagne am 13.
April lancieren wird, zeigt sich gern zerzaust, Premierminister Gordon Brown träumt von der Rolle des allmächtigen Herrschers und Nick Clegg möchte einfach nur, dass man von ihm Notiz nimmt.
Als der Führer der Konservativen David Cameron von einem seifenkistenartigen Podest aus auf die anwesenden Zuhörer und Journalisten routiniert herunter kläffte, war es dann irgendwann so weit: Lieber Gott, bitte lass ihn die Wahl am 6.Mai nicht gewinnen, dachte ich bei mir. Obama, McCain, Palin oder Berlusconi, Sarkozy und Merkel, die kannten wir und ihre Überzeugungen kannten wir ebenfalls. Doch bei Cameron ist es nur allzu offensichtlich, dass er nichts von dem, was er von sich gibt, auch wirklich so meint - sei es bei den Themen Wirtschaft (Einsparungen bei den öffentlichen Ausgaben in Höhe von 6 Milliarden Pfund mit dem Ziel, das Defizit im Staatshaushalt zu reduzieren), Einwanderung (Beschränkung der jährlichen Anzahl an legalen Migranten aus Nicht-EU-Ländern), Steuern (Erhöhungen?) oder den Homosexuellen (“Gleichberechtigung” - trotz der Tory-Abgeordneten im Europaparlament, die sich bei einer Abstimmung über ein Homophobiegesetz in Litauen ihrer Stimme enthielten). All dies sind Aussagen, zu denen ihm irgendjemand geraten hat. Alles Unsinn, denn wie ich denke, nimmt ihm niemand auch nur irgendetwas von dem, was er sagt, ab.
Auf der anderen Seite des großen Teiches musste der ehemalige US-Präsident George W. Bush, was seine berüchtigt schlechten Präsentationskünste anging, einiges an Kritik einstecken. Doch war er schlau genug zu wissen, dass es Leute gab, die man auf die richtigen Positionen gesetzt hatte und die auf ihrem jeweiligen Fachgebiet hervorragende Arbeit leisten konnten. Im Gegensatz dazu hat der derzeitige Premierminister Gordon Brown nur lauter hoffnungslose Fälle in seinem Kabinett, so dass es wohl jedem schwerfallen würde, auch nur drei von ihnen zu benennen. Auf einem kürzlich entstandenen Pressefoto sieht man ihn, wie er sein Revier wie ein Alphamännchen vom Bordstein der Downing Street aus überblickt. Schatzkanzler Alistair Darling und Wirtschaftsminister Lord Peter Mandelson starren von hinten in die Kamera und sehen aus wie stolze Eltern oder so, als ob sie sich für ein Oberstufenfoto fotografieren ließen - sie sind zwar da, wissen aber nicht so recht wieso.
Was Europa angeht, so hat Cameron die konservativen Parlamentsmitgliedern aus der EPP (der Gruppe der Konservativen des Europäischen Parlaments) genommen. William Hague, Minister in Camerons Schattenkabinett, erledigt für ihn seine Auslandsreisen. Derweil sprach Brown beim letzten europäischen Gipfeltreffen Ende März von einem zukünftigen europäischen “Friedenskorps”. Wenn man von diesen Bemühungen in Brüssel einmal absieht, ist Brown ein totalitärer Führer, der glaubt, er könne gleichzeitig die Staatsangelegenheiten leiten, die Wirtschaft wieder in Schuss bringen und dann auch noch rechtzeitig zum Nachmittagstee zu Hause sein. Im Gesundheits- und Bildungsbereich gibt es sehr ernst zu nehmende Probleme. So offenbarte ein kürzlich erschienener Krebsdiagnosenbericht, dass Großbritannien im europäischen Vergleich, was die Überlebensraten von Krebspatienten angeht, mit Polen gleichauf liegt. Die Menschen werden sich aufgrund der Fehler und Fehldiagnosen im staatlichen Gesundheitssystem (NHS) einfach irgendwo anders in der EU behandeln lassen. An Universitäten werden Fachbereiche geschlossen, Absolventen gelingt es nicht, mit ihrem Abschluss etwas anzufangen und die Bestürzung wächst angesichts der Ergebnisse bei den mittleren Schulabschlüssen (GCSE) und dem britischen Abitur (A-Levels). Großbritannien hat die höchste Rate an schwangeren Teenagern und Fettleibigen in Westeuropa. Und die höchsten Benzinpreise. Und so weiter und so fort ...
Egal wer gewinnt, derjenige hat dann sowieso keinerlei Gestaltungsspielraum. Als alleroberste Priorität gilt es, das Staatsdefizit zu verringern und Großbritannien aus seiner bisher schlimmsten Wirtschaftskrise herauszuholen. Da bleibt kein Raum mehr, großartige Forderungen zu stellen - Umweltthemen spricht man gar nicht erst an. Die beiden illegalen Kriege, die dem Land enorme Ressourcen entziehen, werden nicht einmal erwähnt - Irak oder Afghanistan interessieren niemanden. Man hofft bloß, dass beide Kriege doch zu Ende gehen mögen und ist es leid, wieder etwas über den tragischen Verlust von Menschenleben auf beiden Seiten zu lesen. Das am 5. April 2010 veröffentlichte Wikileaks-Video des US-amerikanischen Apache-Hubschraubers, der im Juli 2007 irakische Zivilisten tötete und das Blutbad gleichzeitig filmte, hat gezeigt, dass man nur in äußerst geringem Maße gewillt ist, einen Kampf fortzuführen, bei dem überhaupt keine Aussicht auf ein glückliches Ende besteht.
Aber von keinem der Parteiführer wird dies auch nur angesprochen. Alles in allem lässt sich das Programm der drei Parteien wie folgt zusammenfassen: Es besteht aus einem großen Nichts. Und dies ist das Deprimierendste an der britischen Politik. Es geht nur darum, auf billige Weise gegen den anderen politisch zu punkten. Brown bezeichnet Cameron als feinen Pinkel, Cameron erzählt allen, Brown schubse die Leute herum, Clegg ist wie ich - einfach nur irgendsoein Mann wie jeder andere - während der Rest des Parlaments so vor sich hindümpelt und nichts geregelt bekommt. Spannende Aussichten!
Fotos: ©feyip/flickr; Videos: Wikileaks Apache Video ©sunshinepress/ Youtube
Translated from Truth? There's no-one to vote for in 6 May UK elections