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Burka-Verbot: Was Europa vom Ganzkörperschleier hält

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KulturGesellschaft

Wer hat Angst vor der schwarzen Frau? Am 22. April 2010 sollte das belgische Parlament eigentlich über das kürzlich angekündigte Burka-Verbot abstimmen und somit eine Vorreiterrolle in Europa einnehmen: In Belgien soll die Burka komplett aus dem öffentlichen Raum verbannt werden, sonst kann es in Zukunft zu Geld- oder sogar Gefängnisstrafen kommen. Aber just an diesem Tag kündigte Regierungschef Yves Leterme nach nur 5 Monaten seinen Rücktritt und das erneute Scheitern der belgischen Regierung aufgrund des Sprachenstreits zwischen Wallonen und Flamen an. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Auch Frankreich will der Burka an den Kragen: Am 21. April kündigte Präsident Sarkozy an, dass auch im Hexagon ein entsprechender Gesetzesentwurf unterwegs sei, und das trotz der Bedenken des Verfassungsrats. Wie sieht die Gesetzeslage im Rest von Europa aus? Panorama in Bildern.

Vorreiter Belgien

Der belgische Gesetzentwurf zum Burka-Verbot im öffentlichen Raum wurde bereits Ende März vom Innenausschuss der Abgeordnetenkammer in Brüssel gebilligt und soll am 22. April 2010 nun endgültig vom Parlament bestätigt werden. Das belgische Gesetz sieht Geldstrafen in Höhe von 25 Euro und Freiheitsstrafen von bis zu 7 Tagen vor. Angesichts der breiten Unterstützung des Burka-Verbots sowohl linker als auch konservativer Parteien des Landes, ist es relativ wahrscheinlich, dass Belgien das erste Land Europas sein wird, in dem das Tragen des Ganzkörperschleiers nicht mehr erlaubt ist. Laut Isabelle Praile, Vize-Vorsitzende des Dachverbands „Exekutive der Muslime“, handle es sich dabei um „freiheitseinschränkende Bestimmungen“, während Fouad Lahssaini von den belgischen Grünen den Abgeordneten riet, Schnelligkeit nicht mit Überstürzung zu verwechseln.

Foto: ©Jean-Fabien/flickr

Frankreich zieht nach

Nach dem Vorschlag von Jean-Francois Copé, Präsident der UMP-Fraktion in der französischen Nationalversammlung, die Burka im öffentlichen Raum zu verbieten, hatte der Conseil d’Etat (höchstes Verfassungsgericht in Frankreich) vor den Risiken eines Verbots in Bezug auf die republikanische Verfassung und die Europäische Menschenrechtskonvention gewarnt. Doch aller Bedenken zum Trotz kündigte Staatspräsident Nicolas Sarkozy am 21. April 2010 an, dass auch Frankreich bald ein gesetzliches Burka-Verbot auf den Weg bringen wird. Polizeistudien in Frankreich zufolge tragen 2500 Frauen im Hexagon einen Ganzkörperschleier.

Foto: ©Rétrofuturs (Hulk4598) / Stéphane Massa-Bidal/flickr

Schweiz: Vom Minarett zur Burka

Mit der Annahme der Minarett-Initiative wittert der Chef der Schweizer Christdemokraten (CVP) Christophe Darbellay auch eine neue Chance für ein allgemeines Burka-Verbot in der Schweiz - der Bundesrat lehnt das Verbot jedoch mit dem Verweis auf Religionsfreiheit in der Schweiz ab, während in den Schweizer Parteien von links bis rechts ein Burka-Verbot nicht mehr undenkbar ist. Die Sozialdemokraten (SP) plädieren auf das Recht der Frauen und die rechte Schweizerische Volkspartei (SVP) argumentiert wie immer mit einfacher Angstpropaganda: Eine vermummte Muslimin sollte ja bereits auf dem Minarett-Initiative-Plakat Furcht einflößen - damals hat's bereits geklappt.

Foto: ©rytc/flickr

Deutschland hält sich bedeckt

Deutschland hält es bisher mit konkreten Aussagen zum Burka-Verbot sehr vorsichtig. Das Tragen des Ganzkörperschleiers sei in Deutschland „kein Massenphänomen“, sagte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) in einem Interview mit der konservativen Tageszeitung FAZ. Außerdem bestehen Zweifel unter den Christdemokraten, dass mit einem Burka-Verbot auch die christliche Symbolik im öffentlichen Raum wackeln könnte. In Deutschland gibt es nachwievor eine Kirchensteuer und Religionsunterricht an Schulen, obwohl die Bestimmungen zum „Kreuz im Klassenzimmer“ im Rahmen des so genannten Kruzifix-Urteils (1995) für Bayern gelockert wurden. Nicht verwunderlich also, dass in ebendiesem Bundesland einige Lokalpolitiker (CSU) auch die Burka verbannen wollen. Im Alleingang hatte auch Lale Akgün (SPD) gegen das "Ganzkörpergefängnis" plädiert, worauf es heftige Kritik aus ihrer Partei hagelte.

Foto: Kampagne der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte IGFM)

Italien: Krieg der Worte

Die Italiener debattieren nicht über das Verbot des Ganzkörperschleiers, sie liefern sich einen regelrechten Krieg der Worte. Die Lega Nord, eine für ihre Fremdenfeindlichkeit bekannte Partei in Norditalien, hat wiederholt versucht, die Burka aus Italien zu verbannen. Angefangen hatte die Debatte mit Enzo Bortoluzzi, Bürgermeister von Azzano Decimo (ein Dorf in Friaul im Nordosten des Landes), der 2004 muslimischen Frauen seiner Gemeinde untersagte eine Burka zu tragen. Im Jahr 2009 wollte daraufhin ein weiterer Bürgermeister der Lega Nord, Giorgio Cancellieri, den Ganzkörperschleier in seinem Dorf Fermignano (Marken, Mittelitalien) verbieten. Doch da hatte er nicht mit der Reaktion des Innenministers Roberto Maroni gerechnet, der das Verbot kurzum wieder aufhob. Heute ist es Paolo Grimoldi (Lega Nord), der die Debatte neu entfacht und offen für das Burka-Verbot in Italien plädiert. Außenminister Franco Frattini betonte jedoch kürzlich in einem Interview mit dem französischen Fernsehsender France 24, dass es sich dabei um eine Forderung der Lega und nicht um eine offizielle Position der italienischen Regierung handle. Frauen wegen eines Schleiers ins Gefängnis zu schicken, wie es Grimoldi fordert, sei undenkbar, so Frattini. Der Krieg der Worte hat in Italien gerade erst begonnen.

Foto: ©Flavio Lucchini/flickr

Spanien für gesamteuropäische Lösung

In Spanien (wo die Burka praktisch nicht existiert) ist das Tragen eines Ganzkörperschleiers nicht gesetzlich geregelt und wird es auch anlässlich der aktuellen Debatte über den Gesetzesentwurf zur Religionsfreiheit (Ley de Libertad Religiosa) nicht sein. Momentan geben die Kruzifixe in spanischen Schulen mehr Anlass zur Diskussion als die Burka. In den Schulen jedoch wurden mehrere Mädchen wegen des Tragens eines Schleiers vom Unterricht ausgeschlossen. Die spanische Regierung ruft die EU-Mitgliedstaaten dazu auf, eine gemeinsame Regelung für das Tragen der Burka zu finden

Foto: ©annrkrizst/flickr

Griechenland versteckt seine Schulden unter dem Schleier

Nachdem Griechenland versucht hat, die Dimensionen seiner finanziellen Krise zu verschleiern, bevorzugen es die Hellenen aktuell, sich voll und ganz auf die wirtschaftlichen Probleme im Land zu konzentrieren. Die Burka löst demnach momentan keine heftigen Debatten in den Straßen Athens aus. Grund zur Diskussion gäbe es aber allemal: Denn in der Vergangenheit hatte besonders der Bau der ersten Moschee in Athen immer wieder zu heftigen Debatten geführt.

Foto: Burkini - die Bademode für Musliminnen ©Ahiida

Portugal: Kommentiert lieber die anderen Länder

Portugal hält sich in der europäischen Debatte um den Ganzkörperschleier zurück. Die Presse beschränkt sich auf das Kommentieren der Entscheidungen, die diesbzüglich in Belgien und Frankreich gefällt werden.

Foto: ©jfgornet/flickr

Großbritannien: Burka-Verbot sei

In Großbritanien gibt es keine wirkliche Debatte über die Burka. Es gab eine kleine Kontroverse 2006, als Jack Straw, der damalige Fraktionsvorsitzende des Unterhauses, sich aufgrund der Anwesenheit einer verschleierten Frau in seinem Wahlbezirk Blackburn (Lancashire, im Norden Englands) peinlich berührt fühlte. Der Rat der Britischen Muslime (MCB), der mehr als 500 islamische Vereine zählt, verteidigt das Tragen der Burka in der Öffentlichkeit, während andere muslimische Verbände die Initiative von Nicolas Sarkozy unterstützen. Die Gegner des Schleiers kamen noch gestern aus der rechtskonservativen British National Party (BNP); heute findet man sie in der EU-kritischen United Kingdom Independence Party (UKIP), deren Vorsitzender bis September 2009 Nigel Farage war und die in Brüssel 13 Sitze hat. Aber laut Erziehungsminister Ed Balls sei es nicht „britisch“, den Leuten vorzuschreiben, wie sie sich anzuziehen haben.

Fotos: ©JasonBlait/flickr

Farce in Dänemark?

Am 27. Januar 2010 sprach sich der dänische Mitterechts-Premier Lars Løkke Rasmussen (Konservative Volkspartei), nicht zuletzt durch die Veröffentlichung eines brisanten „Burka-Rapports“, für ein limitiertes Verbot der Burka und des Nikab im öffentlichen Raum aus. Die Liberalen (Venstre), die mit den Konservativen eine Minderheitskoalition bilden und nur durch die rechtsextreme Dänische Volkspartei (DF) eine Mehrheit im Parlament erreichen, wollen der Kopfbedeckung in Schulen und Behörden an den Kragen. Auch sollen Männer, die ihre Frauen zum Tragen der Burka zwingen, zukünftig zur Verantwortung gezogen werden. In Dänemark tragen nur 150 bis 200 Frauen eine Burka, was die sozialdemokratische Opposition dazu veranlasste, die Burka-Debatte als regelrechte 'Farce' zu bezeichnen.

  Foto: ©associated press via sweetness&light

Finnland, Schweden, Norwegen: Ja zur Burka, sogar in der Mode

Im Februar 2010 sagte Zuwanderungsministerin Astrid Thors, dass ein Burka-Verbot in Finnland unnötig sei. Der schwedische liberal-konservative Minister John Fredrik Reinfeldt schließt sich dieser Aussage an. Was Norwegen angeht, haben Modedesigner der Marke Marked Moskva die Burka im März 2008 auf den Laufsteg gebracht. Sie erklärten: „Eine Burka bietet Freiheit und ist ein nicht zu vernachlässigendes Accessoire der weiblichen Garderobe. Beispielsweise dann, wenn man sich verstecken möchte oder gerade einen „bad-hair-day“ hat.“ Endlich mal Sinn für Humor!

Foto: ©svennevenn/flickr)

Polen: Die unischtbare Burka

In einem Land, in dem selbst der Bau einer Moschee eine Debatte auslöst, begegnet man paradoxerweise so gut wie nie einer Frau, die eine Burka trägt. Die Muslime kamen mit den Tataren vor rund 600 Jahren nach Polen und gelten heutzutage als völlig integriert. Die Muslime, die im 20. Jahrhundert nach Polen kamen, sind hauptsächlich Studenten. Einige von ihnen, die nun mit einem Polen bzw. einer Polin verheiratet sind, sind geblieben. Man schätzt die muslimische Gemeinde auf ungefähr 0.05 % der Gesamtbevölkerung, aber keine offizielle Statistik bestätigt diese Zahl.

Foto: ©Neuro74/flickr

Österreich: Rein prophylaktischer Konsens

In Österreich, wo komplett verschleierte Frauen eher die Ausnahme darstellen, existiert trotz alledem ein relativer Konsens zur Ablehnung der Burka. Nicht nur die Frauenministerin der Sozialdemokraten (SPÖ), Gabriele Heinisch-Hosek, sondern auch die FPÖ und selbst die Initiative liberaler Muslime (ILMÖ) wollen der Burka an den Kragen, sollte die Anzahl ganzkörperverschleierter Frauen zunehmen oder die Rechte der Frauen damit verletzt werden. Ein Gesetz steht aber bisher in den Sternen.

Foto: ©Dude Crush/flickr

Niederlande: Bei Burka Kürzung der Sozialhilfe

Ähnlich wie die belgischen Nachbarn, haben die Niederlande bereits Gesetzesentwürfe für ein Burka-Verbot auf den Weg gebracht. Dass der islamfeindliche Rechtspopulist Geert Wilders gegen den Ganzkörperschleier wettert, ist logisch. Aber auch die rechtsliberale Einwanderungsministerin Rita Verdonk (VVD) will das Tragen der Burka der Sicherheit halber in öffentlichen Institutionen verbieten. Die Verschleierung kann niederländische Musliminnen in Zukunft auch teuer zu stehen kommen: In Utrecht wird Trägerinnen der Burka bereits die Sozialhilfe gekürzt. Auch der Amsterdamer Bürgermeister, Job Cohen, stimmte 2009 in diesen Reigen ein, schließlich sei die Burka ja ein Hindernis bei der Jobsuche...

Translated from Burqa: les lois européennes face au voile intégral