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Breivik-Prozess in Oslo: Wenn Massenmörder auf ihr Recht pochen

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Gesellschaft

Der wegen Massenmords angeklagte Anders Behring Breivik hat beim Prozessauftakt am Montag in Oslo auf "nicht schuldig" plädiert und sich auf Notwehr berufen. Er hatte im Juli vergangenen Jahres bei einem Massaker insgesamt 77 Menschen getötet.

Kommentatoren zufolge muss der norwegische Rechtsstaat den Angeklagten dennoch fair behandeln und zugleich verhindern, dass Breivik das Gericht als politische Bühne missbraucht.

Tages-Anzeiger: Auch einem unappetitlichen Irren müssen Rechte gewährt werden; Schweiz

Norwegen muss Anders Breivik trotz der begangenen Taten seine Rechte gewähren und darf ihm das Wort nicht verweigern, meint der liberale Tages-Anzeiger: "Muss man Breivik diese Bühne geben, auf der er seine Ungeheuerlichkeiten ausbreiten kann - vor einem globalen Publikum? Und mit der Wirkung, dass den Angehörigen der Opfer neuer Schmerz zugefügt wird? Ja, man muss. Das ist höchst unangenehm und unappetitlich. Doch der Grundsatz, dass sich Stärke und Reife eines Staats darin äußern, wie dieser Staat mit den Schwächsten umgeht, gilt auch hier - hier ganz besonders. Gewiss, Breivik hat sich als Vordenker, Richter, Rächer und Vollstrecker im Namen einer irren Ideologie in Szene gesetzt - er selbst versteht sich als Monument aus Kraft und Wucht. Doch in Tat und Wahrheit ist er schwach, nämlich krankhaft verblendet, von jeder Menschlichkeit verlassen. [...] Umso peinlicher muss ein rechtsstaatlich sensibler Staat darauf achten, dass er einen solchen Angeklagten korrekt behandelt und ihm alle ihm zustehenden Rechte gewährt." (17.04.2012

Pražský deník: Korrekter Umgang mit einem Schlächter; Tschechien

Dänischer Dramatiker inszeniert Breiviks 'Manifest 2083'

Der demokratische Rechtsstaat zeigt keine Schwäche, wenn er sich eine Verhandlung gegen einen offensichtlichen Massenmörder leistet, meint die liberale Tageszeitung Pražský deník nach dem Auftakt des Prozesses gegen Anders Behring Breivik: "Eigentlich ist es völlig absurd, dass das Gericht jemandem die Schuld nachweisen muss, der 77 Menschen umgebracht hat, sich obendrein selbst dazu bekennt und kein Bedauern zeigt. Die Norweger haben sich über dieses menschliche Monster längst ihre Meinung gebildet. Das einzige, was für sie zählt, ist, dass Breivik hinter Schloss und Riegel bleibt. Zu einem ordentlichen Prozess in der zivilisierten Welt gehört aber auch, dass der Angeklagte das Recht auf Verteidigung bekommt. Der korrekte Umgang mit einem Schlächter mag dabei die Schwäche des Systems aufzeigen, das von Leuten wie Breivik attackiert wurde. Aber in Wahrheit muss die Demokratie stark genug sein, um auch solch ein Grauen routiniert und unvoreingenommen aufzuarbeiten." (17.04.2012)

NRC Handelsblad: Auf seinem Kreuzzug Anhänger werben; Niederlande

Der Prozess gegen den mutmaßlichen Massenmörder Anders Breivik darf nicht zu einer Bühne für seine Ideen werden, warnt die liberale Tageszeitung NRC Handelsblad: "Es wird vor allem um die Frage gehen, ob Breivik das Gericht als politische und mediale Bühne nutzen kann. Schuldbewusstsein oder Empathie mit seinen Opfern kennt er nicht. Er sieht sich als Frontsoldat, der aus 'Notwehr' Dutzende sozialdemokratische Jugendliche tötete, weil sie mit dem Islam gemeinsame Sache gemacht haben sollen. [...] Der Täter wird den Prozess nutzen, um die Rechtsordnung weiter auszuhöhlen, jetzt nicht mehr mit Waffen, sondern mit Worten. Breivik kann seine Botschaft über seinen Krieg gegen den Islam und den Multikulturalismus ausweiten, in der Hoffnung, dass er kein 'einsamer Wolf' bleiben wird, sondern auf seinem Kreuzzug Anhänger werben kann. Dies wird das Äußerste von den Richtern, seinen Anwälten, den Hinterbliebenen, den Politikern und den Massenmedien abverlangen. In Norwegen und außerhalb." (16.04.2012)

The Times: Keine Tribüne für einen Massenmörder; Großbritannien

Überlebende des Norwegen-Attentats bloggt ‘schlimmsten Tag ihres Lebens’

Breivik hat im Gerichtssaal mit kämpferischen Gesten provoziert und keine Reue gezeigt. Seiner Selbstdarstellung darf nicht noch mehr Raum gegeben werden, mahnt die konservative Tageszeitung The Times: "Mit normalen politischen Mitteln würde Breivik niemals solch eine öffentliche Aufmerksamkeit für seine bösartige Gesinnung erreichen. Und er darf sie auch nicht mit Hilfe von Massenmord bekommen. Das wäre ein Affront gegenüber den Opfern und eine öffentliche Gefahr, wenn sich andere verärgerte Extremisten dadurch ermutigt fühlten, ihre Ziele mit ähnlichen Mitteln durchzusetzen. In Norwegen wird es während dieses Prozesses eine intensive Selbstbefragung geben. Die Werte einer äußerst toleranten Gesellschaft werden verteidigt, indem man sie auch auf Breivik anwendet. Doch an diesem Punkt enden die Verpflichtungen ihm gegenüber." (16.04.2012)

Illustrationen: Teaserbild (cc)EFFERLECEBE/flickr

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Translated from British, Dutch, Czech and Swiss press on Breivik Norway trial