Ausstellung in Turin: Bobos Himmel über Berlin
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Daniel SchwahnZeichnungen von vor 34 Jahren: Eine Stadt, die trotz einer unüberwindbaren Trennlinie in die Zukunft blickt. Der Wille vieler junger Menschen nach Veränderung. Und ein Tourist der besonderen Art, Bobo, aus der Feder von Sergio Staino, der das Berlin von 1981 erlebt und erzählt.
Reisetagebücher gibt es in allen Formen. Sergio Staino, ein bekannter italienischer Zeichner, hat ein Reisetagebuch in Comic-Form verfasst. Der Protagonist ist seine Lieblingsfigur, besser bekannt unter dem Namen: Bobo. Bedenkt man dabei dann noch, dass Stainos Bilder alle in Berlin im Jahr 1981 angesiedelt sind, als die Mauer die deutsche Hauptstadt – und mit ihr die ganze Welt – noch in zwei sich anschweigende Blöcke teilte, bekommt dieses Reisetagebuch in Gestalt mehrerer Karikaturen noch einmal einen ganz besonderen Wert.
BERLIN CALLING Staino kommt vor mehr als drei Jahrzehnten mitsamt seines Zeichenwerkzeugs ins Herzen Deutschlands, dank einer Einladung des Berliner Kulturhistorikers Detlef Heikamp, der – wie sollte es anders sein – wegen einer seiner Karikaturen auf den italienischen Autor aufmerksam geworden war. Diese waren dann auch der Grund für den Aufruf Heikamps, ihn in der deutschen Hauptstadt aufzusuchen, um den Geist dieses Ortes, der sich bereits damals in einer unaufhaltsamen und anhaltenden Entwicklung befand, durch Erzählungen und Karikaturen einzufangen. Bobos Geschichten Ausgestellt sind nahezu 120 Werke, von einzelnen Karikaturen bis hin zu einigen längeren Geschichten. Es ist unmöglich, und eigentlich auch unnötig, zu versuchen, dem roten Faden dieses Weges zu folgen, der an das Umherziehen Bobos erinnern soll, das durchdrungen und beeinflusst von Gegensätzen, Begegnungen und ganz verschiedenen, unvereinbaren Anreizen war. Der Blick der Figur ändert sich je nach Perspektive. Oft ist er voller Neugierde, wie angesichts der jungen Widersacher, den Hausbesetzern, die eines der immer wieder auftauchenden Themen darstellen, oder der Frauen, deren ganzes Haupt von einem Schleier bedeckt ist. Bisweilen ist er vergnügt, beispielsweise bei der Betrachtung einer älteren Dame, die sich die Augen in Gegenwart einer in provokanter Pose auf dem Balkon thronenden Frau zuhält. Oder, umgekehrt, ganz durcheinander, als er sich verloren zwischen den anonymen, grauen Blocks der Vorstädte wiederfindet. Dabei fehlt auch kein Vorurteil über den typischen, italienischen Berlin Touristen (von Bier über Wurst bin hin zu kläglichen Flirtversuchen mit einer Blondine in der Disko), oder die Suche nach Christiane F. aus dem Roman Wir Kinder vom Bahnhof Zoo (der 1981 unter der Regie von Ulrich Edel verfilmt wurde).
Was denselben Touristen Bobo, wie auch die Besucher, aber sprachlos lässt, sind die Szenen mit Blick auf die Mauer. Die Versuche, über diesen Wall aus Backsteinen – zumindest mit dem eigenen Blick - irgendwie hinwegzukommen, möglicherweise sogar mit Hilfe einer Leiter, werden jedes Mal jäh von einem herannahenden Polizisten beendet.
Blick in die Zukunft Das junge Berlin, das aus diesen Erzählungen erwächst, wirkt rebellisch. Durchdrungen von einem Strom aus Neuigkeiten, erschüttert von Protesten und belebt von nonkonformistischen Jugendlichen. Bei genauerer Betrachtung dieser Reise von 1981 lassen sich in den Karikaturen Bobos von vor 34 Jahren (dies sollte man stets im Kopf behalten!) bereits all die ‚Zutaten’ wiederfinden, die die nötige Mischung dafür waren, das Gewissen der Leute wachzurütteln und die Macht der Geopolitik zu brechen, um dann zum Fall der Mauer zu führen. Im ganz normalen Alltag der Menschen findet man, verewigt durch den Stift dieses ganz besonderen Touristen Staino/Bobo, die Gründe, die aus dem heutigen Berlin nicht nur eine deutsche, sondern auch eine europäische Hauptstadt gemacht haben.
Translated from Il cielo di Berlino sopra Bobo. Le vignette di Staino in mostra alla GAM di Torino