Ausgewandert: Von London nach Srebrenica
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Annika SchlüterDer Unterschied zwischen einem Sommer in Großbritannien und einem Sommer in Bosnien & Herzegowina wird einem erst so richtig im Juli klar. Dann nämlich jährt sich das Massaker von Srebrenica, 1995 kamen hier 8000 Bosnier ums Leben. Ein Expat berichtet auf dem cafebabel.com Sarajevo-Blog.
Im Vereinigten Königreich ist die Zeit gekommen, in der sich zahlreiche Küstenstädte von erholsamen Einöden in brummende Basare verwandeln. Der saisonale Lichtschalter wurde eingeschaltet, Neonlichter entstaubt und in Szene gesetzt, sodass sie den Weg in Richtung Entertainment erleuchten. In diesen Wochen werden die sonst so gemütlichen Gemüter der Einwohner mit einer riesigen Ladung Touristen überschüttet. Was für die einen ein rentabler Wirtschaftsfaktor ist, kommt für die anderen der ersehnten Abwechslung der Tag für Tag gleichen Gesichter gleich. Für die meisten ist der Ansturm jedoch ein Grund sich ins Persönliche zurückzuziehen oder sicherere Orte aufzusuchen.
Ursprünglich aus Großbritannien, lebe ich nun in Srebrenica, wo ich zusammen mit jungen Leuten kulturelle Veranstaltungen organisiere. 2009 kam ich zum ersten Mal in die westlich gelegene Stadt Bosniens. Ich hatte mich zwar über die Landesgeschichte informiert, benötigte aber gebräuchlichere internationale Infos, um die Debatte rund um die Vergangenheitsbewältigung in dieser Region begreifen zu können. In Srebrenica fand ich eine Gemeinschaft, die mich zu einem kontrastreicheren und wünschenswerteren Leben inspiriert, als mein vorheriges in London. Hier in Srebrenica vollzieht die Stadt jährlich für eine kurze Periode eine ähnliche Wandlung, in der Massen von Menschen das kleine Städtchen bevölkern.
Doch hier hören die Ähnlichkeiten auch schon auf. Es ist eine Zeit, die für beide Seiten, sowohl die des Besuchers als auch die des Anwohners, eine Zeit der Erinnerung und des Gedenkens ist. Menschen aus der ganzen Balkan-Region und aus weiter Ferne kommen hier zusammen, um den Opfern des Massakers der Armee der Republik Srpska (VRS) von 1995, bei dem bosnische Zivilisten und Mitglieder der Armee der Republik Bosnien und Herzegowina (ARBiH) ihr Leben ließen, am 11. Juli mit Feierlichkeiten zu gedenken. Doch auch die Gedenkstätten, die nicht allzu weit entfernt liegen und der gefallenen Serben von 1992 gedenken, geraten nicht in Vergessenheit.
Es ist genau dieser Gefühlskonflikt, mit dem ich nur schwer klarkomme. Als Einwohner von Srebrenica gehe ich jeden Abend mit den gleichen Leuten in die gleiche Bar. So sehr ich dieses Leben in dieser ruhigen kleinen Stadt auch mag, kann ich die positive Aufregung, die zahlreiche Studenten und Besucher mitbringen, nicht leugnen: neue Gesichter, neue Meinungen … neue Leben erkunden. Es verhält sich ähnlich wie bei einem Laden- oder Barbesitzer, der den Wirtschaftsboom für das Jahreseinkommen benötigt, obwohl er verlorenen Familien und Freunden die letzte Ehre erweisen will. Die Menschen aus Srebrenica leben das ganze Jahr über mit ihrer Geschichte, die dem Ort anhaftet. Aber auch sie müssen ihr Leben weiterführen.
Lest mehr auf unserem offiziellen cafebabel.com Sarajevo Blog.
Fotos: (cc) Patrick Rasenberg/flickr
Translated from Expats: from London to Srebrenica this July