Auf nach Re-Branding Rumänien: Wie Bukarest sein Image aufpoliert
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Katha KlossOb eine neue Skate-Kultur, ein innovatives Design für rumänische Banknoten oder eine persönliche Anekdote für Touristen: Die rumänische Hauptstadt, die zu einem Drittel von Ceaucescu zerstört wurde, tut sich noch schwer mit den festgefahrenen Bildern von gestern. Hier einige Ideen, um das Image von Bukarest aufzupolieren und gleichzeitig das BIP eines krisengeschüttelten Landes anzukurbeln.
Am 6. Juli hatte sich Rumäniens Tourismusministerin Elena Udrea im nordwestlichen Städtchen Satu Mare in rumänische Trachtenmode geworfen. Die „ein Land - viele Möglichkeiten“ Video-Werbekampagne der 36-Jährigen wurde 2009 mit Millionen Euro von privaten Geldgebern finanziert (BRD Société Générale, die zweitgrößte Bank Rumäniens). Das Video zeigt abwechselnd Szenen in Nachtclubs und beim Beachvolleyball. Mittendrin galoppiert dann plötzlich ein Zebra vor dem Bukarester Parlamentspalast entlang, welcher vorher den Namen „Haus des Volkes“ (Casa Poporului) trug. Und auch die leichtbekleideten Rumäninnen dürfen im Promo-Video natürlich nicht fehlen… wirklich einladend - auf nach Rumänien, möchte man meinen.
Nun ist es bereits Ende Juli, ein Datum, das den offiziellen Start des so genannten „Nation Re-Branding“ Projekts von Rumänien einleitet, mit dessen Hilfe dem Land ein aufpoliertes Image, eine neue Marke beschert werden soll. Dafür sollen zumindest eine 895.000 Euro hohe Finanzspritze der EU und die kreativen Köpfe der in Barcelona ansässigen Firma THR (Asesores en Turismo, Hoteleria y Recreacion, die kürzlich auch Spaniens globales Image aufgefrischt hatte) sowie das britische Marktforschungsinstitut TNS sorgen. In einer Umfrage hatten Letztere festgestellt, dass nur 35% der insgesamt 10.800 befragten Rumänientouristen die Stadt Bukarest „sehr attraktiv oder attraktiv“ finden. Zu Krisenzeiten sollte man seine guten Seiten herauskehren - doch die fehlende städtische Infrastruktur Bukarests macht ein neues Image für die rumänische Hauptstadt zu einer wahrhaftigen Herausforderung.
Ein Niemandsland mit Namen Zentrum
Bukarester akzeptieren den Status Quo. Viele können sich prima mit dem 'Paris des Ostens' Stempel anfreunden, welcher der Stadt in den Nachkriegsjahren aufgedrückt wurde. Die Identität Bukarests ist in ihrem sozialistischen Erbe gefangen - in ihren schlechten Straßen oder dem heruntergekommenen Stadtzentrum. Im Trendviertel Lipscani nippen junge Leute auf komplett aufgerissenen, unbefahrbaren Straßen an ihren Drinks. „Eine Stadt ohne Zentrum ist keine Stadt“, sagt Sorin Tranca, Mitbegründer der rumänischen Werbeagentur Friends Advertising.
Der 36-jährige Architekt Justin Baroncea meint seinerseits, dass die Leblosigkeit des Bukarester Stadtzentrums auf die wenigen öffentlichen Plätze darin zurückzuführen sei. Zwar würden einige Parks und Stadtgärten im europäischen Sinne als Plätze „existieren“. „Aber unser Plätze hier sind bessere Straßenkreuzungen, auf denen Autos fahren; oder allenfalls Grünstreifen, die im Verkehr untergehen“, scherzt der ansonsten eher zaghafte Justin.
Durch ihre karge, städtebauliche Infrastruktur distanziert sich die Stadt Bukarest in gewisser Weise vom europäischen Konzept des ‚Treffpunkts‘; in Barcelona zum Beispiel treffen sich die Menschen am Café Zurich am Placa Catalunya. Hier in Bukarest würden sich identitätsstiftende Merkmale eher aus der Kompensierung der kaum existierenden Serviceleistungen ergeben, so Sorin Tranca. „Um Leuten einen gewissen Gemeinschaftssinn beizubringen, braucht man ein Stadtzentrum“, sagt der 35-Jährige. „Der Wille der Leute, unbedingt ins Stadtzentrum pilgern zu wollen, überrascht mich. Selbst an Dienstagen ist die Stadt voll. Das ist eigentlich komplett verkehrte Welt, denn normalerweise sind die Menschen hier ziemlich fußlahm, sie fahren nicht gern Fahrrad, sie wollen einfach nur ihre Autos parken können - wir kaufen eine Menge Autos hier in Bukarest, da wir keine andere Art haben zu zeigen, wer wir sind. Die Möglichkeit, in ein hippes Café gehen zu können, ist schon der halbe Weg, dem Auto den Kampf anzusagen. Sich zugehörig zu fühlen könnte auch bedeuten, in der Nachbarschaft mal wieder eine Runde auf dem Rad zu drehen.“
Per Ryanair zu Kusturica
Doch wie das Auto aus der Stadt verbannen, wenn nach Mitternacht keine einzige Metro in Bukarest mehr fährt? Justin Baroncea macht die Leute selbst dafür verantwortlich, die zu wenig “danach fragen“ würden. Er würde Skatern helfen, die City für sich und ihre Kunst einzunehmen und spricht davon, dass Besucher aus dem Ausland, die er kennt, Bukarest mit dem Gefühl verlassen hätten, als seien sie geradewegs „einem Kusturica-Film“ entsprungen.
Baroncea lobt Barcelona, das er vor 10 Jahren verlassen hat, in den höchsten Tönen. Für ihn sei die katalonische Stadt „DAS Modell eines öffentlichen Raums in Europa. Wir hier in Bukarest haben eine Handvoll schöne Bauwerke und fragmentarischen Städtebau, aber keine Stadt“, erklärt er weiter. Dabei zieht er auf einer unsichtbaren Karte auf dem Tisch eine Achse mitten durch die Stadt: „Flughafen - Norden! Ein grüner Korridor, der vielleicht ein paar Parks vernetzt. Mikroskopisches, historisches Stadtzentrum. Eine Reihe Plattenbauten, die das Tor zu zwei Haussmannschen Achsen darstellen, die Calea Victorei aus dem 19. Jahrhundert und der Boulevard Magheru. Rund um das Zentrum - eine Art historisches Gespann, wie eine Gartenstadt. Ein südlich gelegener Blockbau in Form eines Hufeisens ist zur Schlafstadt verkommen.“ Dort leben 70% der Stadtbevölkerung, abgeschnitten vom Rest der Stadt. Das heißt, sie müssen ins Zentrum fahren, um Zugang zu alltäglichen Dingen zu haben.
Bukarest würde eigentlich eine städtebauliche Generalüberholung benötigen, damit die Leute tatsächlich in ihrer Stadt ‚leben‘ können. Doch die öffentliche Hand liegt komplett daneben und verliert sich in unwichtigen Details. Justin behauptet zwar, die Beziehungen seines Büros zu den lokalen Obrigkeiten seien „normal“. Allerdings kommt von offizieller Seite ein Dämpfer nach dem anderen. Beispielsweise konnte laut Architekturprofessor Augustin Ioan keiner der letzten vier Design- und Internationalen Kreativ-Wettbewerbe (1991-2002) zum Erfolg geführt werden. „Wir benötigen einen kleinen Kreis an Privatinvestoren, die ein bisschen Schwung in die Sache bringen, um alternative Touristenprogramme lancieren zu können“, rät Jörn Gieschen, Strategie- und Marketingdirektor bei der Firma THR, die kürzlich die sechsmonatige Recherchearbeit zur Imagekampagne 'Branding Romania' abgeschlossen und eingereicht hat.
“Kleine Gruppen könne kreative Dinge vollbringen”, bestätigt auch Sandra Ecobescu. Sie ist Präsidentin der Calea Victoriei Stiftung, die kulturelle “verborgene Architektur’ Führungen für junge Leute, Touristen und Expats in Bukarest organisiert. Um dem sintflutartigen Regen zu entkommen, retten wir uns in das Universitätsgebäude aus dem 19. Jahrhundert. Die Prinzipien der Stiftung basieren auf den berühmt-berüchtigten TED (Technology, Entertainment, Design) Konferenzen, nur dass die Inspiration und Leidenschaft hier die Stadt Bukarest ist. Sandra hatte das Projekt 2007 ohne jegliche finanzielle Mittel zusammen mit ihrer Schwester Irene mitten auf der Calea Victoriei - dem Boulevard, auf dem sich die Regierungsgebäude befinden - gestartet. Heute sind die dreimal täglich stattfindenden Touren für bis zu 25 Besucher vor allem auch für ihre gepfefferten Preise bekannt. Mit einer Datenbank von über 3000 Teilnehmern und vergünstigten Studenten-Eintrittspässen für lokale Events ist das Stiftungsprojekt jedoch zum Touristenrenner geworden.
Ein bisschen Kitsch muss sein
Sorin Tranca hat seinerseits 2009 versucht im Rahmen eines Projekts der Werbefirma Patres den täglichen Dingen der Rumänen - ihren Banknoten - ein brandneues Image zu verpassen. „Wir wollten dem Alltäglichen ein neues Image verleihen, den Dingen, die jeder in der Tasche hat. Leute, die hässliches Geld ausgeben, machen nur unglücklich“, bemerkt er nebenbei. Dabei zählt er alte 1999er Lei-Banknoten neben einem riesigen Aschenbecher ab. Die rumänische Währung ist die einzige in Europa, die bis heute aus Polymer besteht. Die Patres-Webseite nannte ihr leider erfolglos gebliebenes Konzept ‚Branding mit sozialen Auswirkungen‘, eine der seltenen rumänischen Initiativen aus dem Privatsektor, um eine öffentliche Diskussion zu einem Thema zu entfachen, welches traditionell den lokalen Behörden vorbehalten ist. Doch Sorin blickt auch ehrlich auf die Resultate des Projekts. „Der springende Punkt ist, dass niemand das Produkt tatsächlich ändern wollte.“
Auch Sandra verweist auf ein festgefahrenes Problem. „Die heutige Macht in Rumänien ist ganz einfach eine Verlängerung der Macht von gestern, die sind alle Neffen oder Nichten von Freunden und Freundesfreunden früherer Führungspersönlichkeiten. Man wird der Geschichte der Stadt in keinem Fall gerecht, wenn das Tourismusministerium bis heute noch den Palast der Republik promotet.“ Das von Diktator Nicolae Ceauşescu geschaffene Gebäude, welches heute das rumänische Nationalmuseum beherbergt, steht aktuell halb leer. Für die passionierte Sandra ist der Bau die rumänische Version der Pyramiden. „Es ist fast kitschig, ein wirklich trauriger Platz. Das Gebäude ist interessant für die Geschichte des Kommunismus, doch dort sind Leute gestorben - jeden Tag! Nirgendwo gibt es Schilder, die an ihren Tod erinnern würden. Das sind Dinge, die nur ein Verrückter zustande bringt.“
Vielleicht könnte ein neues Touristikbüro in Bukarest Abhilfe schaffen? Scheinbar gibt es so etwas in der Art bereits an der Universität der Stadt, doch welcher Tourist verirrt sich schon in dieses Viertel? Jörn Gieschen meint, dass es wegen der wenigen Touristenattraktionen hier weniger „kommerzielle Zahnpastalächeln“ und „Kitscherfahrungen“ gebe, so wie man sie beispielsweise aus Paris oder Barcelona kennt, mit deren Prachtbauten und unendlich vielen Events. Damit könne Bukarest nicht konkurrieren. „Bukarest ist eine europäische Metropole, wo Besucher noch einzigartige Erlebnisse mit den neugierigen Menschen vor Ort haben können. Die Bukarester haben die ständigen Touristenströme noch nicht so satt wie anderswo.“ Gesagt, getan: In einem Tabakgeschäft in der pariserisch anmutenden Villacrosse Passage, einem Überbleibsel der französischen Einflüsse in der Stadt aus dem 19. Jahrhundert, erhält der Kunde zu einem Päckchen American Kents prompt auch eine Geschichte: Die Zigarettenmarke wurde in ihrer long version in Bukarest während des Krieges als Bestechungsmittel verwendet…
Fotos: Skater ©Prepelita Alexandru/flickr; Lipscani Viertel ©dororai/flickr; Bukarest in Lomo ©HILLS GO 400/flickr/ jupitterg400.be/index2.htm; Sorin Tranca und Sandra Ecobescu ©patres.eu and facebook.com
Translated from 'Come to Romania': quest to brand Bucharest