Zurück nach Niemandsland: Băsescu übersteht Referendum
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In Rumänien ist das Referendum der Regierung zur Amtsenthebung von Präsident Traian Băsescu an einer zu geringen Wahlbeteiligung gescheitert. Der Wahlleitung zufolge nahmen am Sonntag nur knapp 46 Prozent der rund 18 Millionen Wahlberechtigten an der Abstimmung teil.
Trotzdem kann Băsescu das Ergebnis kaum als Sieg verbuchen, meinen Kommentatoren und fordern eine Chance für neue und glaubwürdigere Politiker.
Dilema Veche: Entscheidung für oder gegen ein Leben nach demokratischen Regeln; Rumänien
Nach Angaben der Wahlleitung haben sich rund 46 Prozent der Rumänen an der Volksabstimmung beteiligt. Damit wäre das nötige Quorum nicht erreicht und Băsescu könnte im Amt bleiben. Doch eigentlich geht es in diesen Wochen in Rumänien nicht um Băsescu, sondern um die politische Kultur des Landes, meint die Wochenzeitung Dilema Veche: "Traian Băsescu wusste nicht, wie er sich als Präsident in seinem hohen Amt benehmen sollte. Und dennoch: Es gab keinen Beweis, dass er die Verfassung schwerwiegend verletzt hatte. Im Gegenzug aber haben Regierung und die Mehrheit der Parlamentarier die Prinzipien des Rechtsstaats sehr wohl verletzt. [...] Beim Referendum ging es nicht um eine Wahl für oder gegen Băsescu, sondern um die Entscheidung für oder gegen ein Leben nach demokratischen Regeln. Ganz gleich, wie das Schlussergebnis genau aussieht, fest steht, dass wir neue Politiker bräuchten, die die Institutionen respektieren. Doch die haben wir bislang nicht. Bis dahin wird die Krise weitergehen, und wir werden uns in ausgeklügelten Meinungen verlieren, statt die Fakten zu sehen: Dass wir ein Problem mit der politischen Kultur haben." (30.07.2012)
Deutsche Welle: Es ist höchste Zeit, dass sich alte Cliquen in Rumänien verabschieden; Deutschland
Rumäniens Staatschef Traian Băsescu bleibt wohl im Amt, weil sich zu wenig Rumänen am Referendum zu seiner Amtsenthebung beteiligten. Von den Teilnehmern stimmten rund 80 Prozent gegen Băsescu. Das Staatsoberhaupt sollte den Weg für vorgezogene Präsidentschaftswahlen frei machen, meint Robert Schwartz auf dem Internetportal der Deutschen Welle: "Der alte Staatschef kehrt zwar in seinen Palast zurück, doch anders als beim Referendum 2007 ist seine Macht geschwächt. Eine Zusammenarbeit mit der sozial-liberalen Regierung [...] ist quasi unmöglich. Eine Fortsetzung der politischen Krise aber würde Rumänien in einen gefährlichen Strudel hineinziehen, aus dem auch der alte Seefahrer Basescu [...] keinen Ausweg finden würde. Damit das Land wieder in ruhigeres Fahrwasser gerät, gibt es für Basescu praktisch nur noch eine Möglichkeit: siegestrunken abtreten und Platz machen für vorgezogene Präsidentschaftswahlen im Herbst 2012, zeitgleich mit den vorgesehenen Parlamentswahlen. Es ist höchste Zeit, dass sich in Rumänien [...] die alten politischen Cliquen verabschieden. Junge und glaubwürdige Politiker müssen eine reale Chance bekommen, damit in Rumänien Demokratie und europäische Werte auch nach diesem absurden Sommertheater weiterhin Bestand haben." (30.07.2012)
Neue Zürcher Zeitung: Das weniger große Übel; Schweiz
Vor dem Referendum hatte Präsident Traian Băsescu die Rumänen zu dessen Boykott aufgerufen. Dass diese Rechnung aufging und die Wahlbeteiligung unter den erforderlichen 50 Prozent blieb, ist aber nicht wirklich als Votum für den noch amtierenden Staatschef zu werten, meint die liberal-konservative Neue Zürcher Zeitung: "Sollte Basescu dank einem gescheiterten Referendum im Amt bleiben, kann er dies allerdings kaum als eigenen Sieg verbuchen. Ein großer Teil der Bevölkerung sah sich vor das Dilemma gestellt, sich entweder auf die Seite des Staatschefs zu stellen, obwohl dieser fast all seinen Kredit verloren hat, oder dem Antrag einer Regierung zu folgen, die das Ansehen Bukarests im Ausland in nur wenigen Wochen nachhaltig geschädigt hat. Vielen blieb nur die Entscheidung für das, was sie als das weniger große Übel einschätzten." (30.07.2012)
Corriere della Sera: EU-Osterweiterung hat viele Probleme ungelöst gelassen; Italien
Der Machtkampf zwischen Regierung und Präsident fügt Rumänien großen Schaden zu, meint die liberal-konservative Tageszeitung Corriere della Sera: "Die demokratische Glaubwürdigkeit Rumäniens hat gelitten. [...] Bukarest durchlebt eine der schwersten institutionellen Krisen seit dem Sturz der Diktatur von Ceauşescu im Jahr 1989. Sie wird langfristige Folgen für die politische und wirtschaftliche Stabilität Rumäniens haben. Diese Krise kommt zu einem Zeitpunkt, in dem das Land sich um weitere Notkredite des Internationalen Währungsfonds bemüht. Doch eine Nation, die die demokratischen Spielregeln missachtet, kann sich leicht im Niemandsland wiederfinden - von der EU ausgegrenzt und von internationalen Investoren gemieden. Blickt man dann aufs Nachbarland Ungarn, wo Viktor Orbán sich den demokratischen Institutionen gegenüber immer unduldsamer gebärdet, so wird klar, dass die EU-Osterweiterung viele Probleme ungelöst gelassen hat." (30.07.2012)
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