Zapatero geht mit Würde: 'Bambi' scheitert an Wirtschaftskrise
Published on
Der spanische Premier José Luis Rodríguez Zapatero tritt zur Parlamentswahl im kommenden Jahr nicht mehr an. Das gab der Parteichef der Sozialisten am Samstag bekannt. Er geht mit Würde, meint die Presse, doch seine Politik ist an der Wirtschaftskrise gescheitert.
Público: Zapatero hat erkannt, dass man nicht immer der beste Stürmer sein kann; Portugal
Trotz aller Kritik an der Politik des spanischen Premiers José Luis Rodríguez Zapatero, ist sein Abgang doch würdevoll, meint die Tageszeitung Público: "Man wirft ihm vor, zu spät und nicht immer richtig auf die Finanzkrise reagiert zu haben. Auch, dass er es mit den progressiven linken Werten zu weit getrieben habe - in einem Land, das immer noch sehr einem katholischen Archaismus verhaftet ist. Aber er geht auch mit einem unschätzbaren Vorteil: Er hat erkannt, dass 'man nicht immer der beste Stürmer sein kann'. Und dass es eine Stunde gibt, in welcher der Machtverzicht der beste Weg für seine Partei und sein Land ist. […] Auch wenn ihm die Rechte niemals seine soziale Agenda verzeihen wird, hängt seine zukünftige Beurteilung davon ab, wie die Finanzkrise verläuft. Doch was auch geschehen mag: Die würdige, ehrliche und altruistische Art, in der er beschlossen hat, die Macht aufzugeben, wird ihm helfen, sein Prestige bei den Spaniern zurückzugewinnen." (Artikel vom 03.04.2011)
Corriere della Sera: Sein Rehaugen-Gesicht hinterlässt deutliche Spur in der spanischen Geschichte; Italien
Der angekündigte Rückzug des spanischen Premiers Zapatero ist die Konsequenz aus der wirtschaftlichen Entwicklung und seiner stark gesunkenen Popularität, meint die liberal-konservative Tageszeitung Corriere della Sera: "Bambi - den Spitznamen der gegnerischen Seite trug ihm sein Rehaugen-Gesicht ein, das zum Markenzeichen des Erfolgs wurde - hinterlässt eine deutliche, jedoch nicht unauslöschliche Spur in der spanischen Geschichte. [...] Die Spanier schätzten Zapateros kostenlosen Sozialismus der Bürgerrechte, denn nach der langen Nacht des Franco-Regimes vermittelten ein bisschen Freiheit und kulturelle Entwicklung ihnen das Gefühl, endlich in die Epoche der Modernität eingetreten zu sein. Doch das weise und pragmatische Volk, das sich Bambi leistete solange die Wirtschaft blühte, ist jetzt bereit ihn abzuservieren, da die Wirtschaft nach dem Einbruch des Immobilienmarkts und der Banken kollabiert, den wahren Motoren des Zapatero-Wunders." (Artikel vom 03.04.2011)
Frankfurter Allgemeine Zeitung: Zapatero hat die Krise, die er erst verkannte und dann lange leugnete, mit verursacht; Deutschland
Spaniens Premier Zapatero bleibt jetzt noch ein Jahr bis zu seinem Rückzug. Bis dahin ist er zwar eine "lahme Ente", meint die konservative Frankfurter Allgemeine Zeitung, kann aber sehr wohl Wichtiges für Europa tun: "In dieser Zeit könnten [...] noch dramatische Entscheidungen fallen. Sollte Portugal bald unter den EU-Rettungsschirm schlüpfen müssen, bliebe Spanien mit seinem hohen finanziellen Engagement im Nachbarland davon nicht unberührt. Und das in ohnehin prekären Zeiten mit mehr als zwanzig Prozent Arbeitslosen. [...] Die konservative Opposition, die vergeblich vorgezogene Wahlen verlangt, kann indes froh sein, wenn der Ministerpräsident wirklich 'bis zum letzten Tag' im Amt bleibt, um die undankbaren, aber unausweichlichen Reform- und Sparmaßnahmen abzuwickeln. Zapatero hat die Krise, die er erst verkannte und dann lange leugnete, mit verursacht. Dass er jetzt das Richtige tut, um Spanien aus dem Morast zu ziehen, nutzt auch den europäischen Partnern."
(Artikel vom 04.04.2011)
El País: Ungeschriebene Regel, dass zwei Legislaturperioden die maximale Zeit an der Macht ist; Spanien
Wie sein konservativer Vorgänger José María Aznar bleibt der sozialistische Premier Luis Rodríguez Zapatero ebenfalls nur zwei Legislaturperioden im Amt. Zapatero schafft damit ein ungeschriebenes Gesetz, meint die linksliberale Tageszeitung El País: "Nach Zapateros Ankündigung und jener, die José María Aznar seinerzeit getroffen hat, werden es künftige Bewohner des Regierungssitzes Moncloa wohl schwer haben, mit dieser ungeschriebenen Regel zu brechen, dass zwei Legislaturperioden die maximale Zeit an der Macht ist. Wenn sich dieser Brauch in der Praxis einbürgert, ist es so besser- aus demokratischer Tradition heraus -, als wenn der Kongress es per Gesetz bestimmen würde."
(Artikel vom 03.04.2011)
28 Länder - 300 Medien - 1 Presseschau. Die euro|topics-Presseschau zeigt, welche Themen Europa bewegen und spiegelt die Vielfalt an Meinungen, Ideen und Stimmungen wider.
Foto: (cc)Socialistes Valencians/ globolandia_doc/ flickr