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Wohnungskrieg in Barcelona

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KulturPolitik

In Barcelona gibt es über 300 besetzte Häuser. Kurz vor den Kommunalwahlen im Mai 2007 interessieren sich auch Lokalpolitiker und Immobilienfirmen für die illegalen Wohngemeinschaften.

Vallcarca im Bezirk Gràcia, im Norden Barcelonas. Die Häuser dieses Viertels sind fast ausnahmslos im Besitz der Immobiliengesellschaft Nunes y Navarro. Der städtische Bebau­ungs­plan sieht vor, die alten Stadthäuser abzureißen und hier Bürogebäude zu errichten. Allerdings ist in Vallcarca die Zahl der leer stehenden Gebäude besonders hoch. Und so liegen hier viele der insgesamt 300 besetz­ten Wohnungen der katalanischen Hauptstadt.

Leben als okupa

Auch Kira lebt in Vallcarca. Sie ist eine der okupas. Die Bewegung der okupas besteht aus Einzelpersonen, häufig Einwanderer, die ei­ne Wohnung besetzen, um darin alleine oder mit der Familie zu leben. Aber auch Gruppen gehören dazu: Sie besetzen ganze Gebäude, um diese für „kulturel­le Aktivitäten“ zu nutzen.

Kira ist erst 24, doch sie hat schon Hausbesetzer­zeiten in Berlin hinter sich und hat eine Weile in einer Landkommune in den Bergen unweit von Ma­drid gelebt. Sie lädt uns zum Kaffee ein. Um uns durch den fin­steren Hausein­gang einen Weg zu bahnen, benutzen wir das Handydisplay. Über eine Art Hühnerleiter gelangt man in den zwei­ten Stock. Das Haus ist klein und spärlich möbliert, als Heizung dient ein Elektro-Ofen. Das alles mietfrei und ohne Nebenkosten.

„Ich lebe von einem Halbtagsjob, mit dem ich 400 Euro ver­diene“, berichtet Kira. „Da habe ich keine Lust, 80 Prozent davon für Miete auszugeben. Leerstehende Ge­bäude zu besetzen, ist in Barcelona die einzige Möglichkeit, ein Dach über dem Kopf zu haben. Und als ob das nicht schon schwierig genug wäre“, beklagt sie sich, „sind wir in letzter Zeit auch noch ins Blick­feld der Öffentlichkeit gera­ten, weil manche meinen, dass wir die öffentliche Sicherheit bedrohen.“

Am 27. Mai sind Kommunalwahlen in Barcelona und die regierende Linkskoalition ist nicht bereit, in dieser heiklen Frage ein Auge zuzudrücken. So hat die örtliche Verwaltung im Januar ein „Handbuch gegen Hausbesetzer“ vorgelegt: Eine Art Anleitung, die Hauseigentümern helfen soll, die un­gebetenen Gäste loszuwerden. Allerdings verhelfen sich diese allzu häufig selbst zu ihrem Recht: „Wenn die Immobiliengesellschaften feststellen, dass eine ihrer Wohnungen besetzt wird“, er­zählt Kira, „schicken sie oft die so genannten matones, Schlägertypen, die jeden, den sie im Haus finden, hinausprügeln sollen. Bei mir haben sie auch schon geklopft, aber ich habe so ge­tan, als sei ich nicht zuhause.“

Ein Recht auf Wohnung

Warum fällt es jungen Leuten so schwer, in Barcelona eine Wohnung zu finden? Das Phänomen hat viele Ursachen, wie Juli Esteban (Foto) erklärt. Er ist bei der katalanischen Regionalregierung für Stadtplanung zuständig. „Schuld ist der Baby-Boom, den Spanien in den Siebziger Jahren erlebte. Die Jugendlichen, die in dieser Zeit geboren wur­den, haben sich alle zur gleichen Zeit in den Im­mobilienmarkt gedrängt. Das hat die Preise in die Höhe getrieben. In Barcelona gibt es praktisch kein Bauland mehr!“

Die okupas sehen sich als Opfer dieser Entwicklung. „Indem wir die Häuser be­setzen, fordern wir ein Recht auf Wohnung“, erklärt Albert Mar­tinez vom Movimiento de okupación de Barcelona. „Aus diesem Grund besetzen wir vor allem die Wohnungen der Immobiliengesellschaften, die mit ihren Grundstücken spekulieren, wäh­rend der größte Teil der Bevölkerung es sich nicht leisten kann, Miete zu zahlen.“

14 Prozent aller spanischen Wohnungen stehen leer

Juli Esteban dagegen bestreitet einen direkten Zusammenhang zwischen dem Wohnungsnot­stand und der okupa-Bewegung: „Es gibt in Katalonien ein Gesetz zur Stadt­planung, dass die Gemeinden verpflichtet, ab einer gewissen Einwohnerzahl in ihrem Bebauungsplan 30 Prozent Sozialwoh­nungen vorzusehen. Es sind also durchaus geeignete Maßnahmen getroffen wor­den. Wer die hohen Mieten in Barcelona nicht zahlen kann, hat genug Wohnmöglichkeiten, ohne dass er ein Haus besetzen muss.“

Doch offensichtlich reicht das nicht aus. Auch deshalb nicht, weil der Kommunalverwal­tung zufolge in Barcelona etwa 20 000 Häuser leer stehen, in der gesamten Provinz sogar 300 000. Das Problem gibt es auch auf nationaler Ebene. Nach Angaben des Instituto Nacional de Estatistica, dem spanischen Äquivalent zum statistischen Bundes­amt, weist Spanien im europäischen Vergleich die meisten Leerstände auf: Über drei Millionen Wohnungen stehen leer – 14 Prozent des gesamten Woh­nungsbestandes.

„Diese Zahl umfasst aber auch die Ferienhäuser am Meer oder in den Bergen, die natürlich eine bestimmte Zeit im Jahr unbewohnt sind“, präzisiert Esteban. Das Problem ist den­noch unbestritten. Mittlerweile versucht der Staat, die leer stehenden Wohnungen zurück­zukaufen. In der Zwischenzeit geht der Wohnungskrieg zwischen okupas und Eigentümern wei­ter.

Translated from Okupas contro matones. La guerra immobiliare di Barcellona