Wo bleibt die Politik?
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diana böhmeWelchen Sinn hat der Barcelona-Prozess? Welche wirtschaftliche Dimension besitzt er? Und warum vergisst die EU die Demokratie?
CIRKEWWA- Die Bedeutung des „Barcelona-Prozess“ kann man in den Augen von Leila und Daniel lesen. Wenn sie, die Jugendlichen aus Palästina und Israel, von Krieg und Frieden reden. Während sie im Mondschein mit kleinen Schlücken ihr Bier trinken, zusammen mit Claudia, einer in Rotterdam wohnenden Berlinerin und Francesco, einem Sizilianer aus Paris. Es ist drei Uhr morgens in einem kleinen Fischerdorf auf Malta. Und der Schlaf will gerade in dieser Nacht nicht kommen, die die letzte eines unvergesslichen Treffens Jugendlicher ist, die aus dem gesamten Mittelmeergebiet gekommen sind. Café Babel hat es für euch verfolgt. Vier begeisternde Tage mit Debatten und Workshops, die nur ein Ziel hatten: Die EuroMed Youth Platform zu gründen.
Eine Institution für die Zukunft
Leila und Daniel sind Kinder des „Barcelona-Prozesses“, einer Initiative die 1995 von der Europäischen Union gegründet wurde, um zu versuchen, den wiederholten Krisenherd Mittelmeer im Zusammenhang mit dem damals viel versprechenden Friedensprozess in Nahost zu stabilisieren. Seitdem hat sich wenig geändert: Bevölkerungsexplosion und Armut, Unterentwicklung und Arbeitslosigkeit, Immigration und unerlaubter Handel. Dann kamen die Ereignisse des 11. September und die Ängste, die in den Theorien Samuel Huntingtons zu Beginn der 90er Jahre geschürt wurden, entpuppten sich am Ende als realistisch.
Die Intuition der EU war also richtig.
Zehn Jahre später orientiert sich die Europäische Union mit der für die Mai nächsten Jahres vorgesehenen Erweiterung weiter nach Osten. Aber selbst wenn es wahr ist, dass die zehn Beitrittsländer, sobald sie einmal aufgenommen wurden, einen guten Teil der EU-Mittel auf sich ziehen werden, dürfen wir auch nicht vergessen, dass das Mittelmeer automatisch an die Spitze derjenigen Regionen steigen wird, die für die Außenpolitik der EU entscheidend sein werden.
Eine Außenpolitik, die sich nicht nur auf den Barcelona-Prozess reduziert, sondern auch die europäischen Bemühungen im Friedensprozess in Nahost mit einbezieht. Um aber nicht gegen die Sensibilität Washingtons zu verstoßen kehrt sich das Ganze nun um, beide Initiativen werden getrennt. Denn tatsächlich ist der Barcelona-Prozess der einzige multilaterale Verbund in der Region, an dem die Vereinigten Staaten nicht teilnehmen und, eine nicht unerhebliche Tatsache, der einzige in dem sich Palästinenser und Israelis außerhalb der UNO noch treffen können.
...und eine fehlende Gelegenheit
Bis zum heutigen Tag aber hat die Europäische Union eine ausgezeichnete Gelegenheit verpasst. Der Mittelmeerraum und der nahe Osten bleiben zwei noch zu unterschiedliche Regionen für die Europäer. Und leider nicht nur auf der Karte. Der Barcelona-Prozess, der die Gründung einer Freihandelszone zwischen der Union und den an das Mittelmeer grenzenden Ländern für 2010 vorsieht, steht zu oft zu den politischen Wünschen der EU in keinerlei Zusammenhang. Und das ist schlecht, weil die Wünsche der EU politisch sind.
Unser Ziel muss sein, die Einhaltung der Menschenrechte in diesen Ländern zu verbessern, denn wenn die menschliche Würde verletzt wird, werden die obskuren Lehren, die von den Fundamentalisten verbreitet werden, als Befreiung gesehen werden. Unser Ziel muss es sein, nach und nach die rückständigen Diktaturen, die den Vorhof unseres Hauses unsicher machen, zu stürzen, weil wir Werte haben, die wir für universell halten. Unser Ziel muss sein, diese Länder in die Globalisierung einzugliedern, weil Armut heimliche Immigration bedeutet. Und deshalb gegen unsere Interessen geht.
Was sollen wir tun?
Das alles nennt sich Politik. Und die „Partnerschaft Europa-Mittelmeer“ lässt sie allzu oft außer Acht. Wir müssen, wenn wir sanktionieren und belohnen wollen und diese Sanktionen und Hilfe auch nutzen wollen, respektloser sein. Respektloser, indem wir drohen, die Kooperationsabkommen mit Israel einzufrieren, wenn Sharon, wie in diesen Tagen, Gaza in vier hermetische Sektoren teilt. So könnte man die Unterstützung aus Tel Aviv zur Schaffung eines sicheren und lebenswerten palästinensischen Staates beeinflussen. Respektloser, indem man die Hilfsmittel für die HAMAS einfriert, wenn die Attentate weitergehen um so der Autorität Palästinas mehr Boden zu versprechen, wenn die Sicherheitsverwaltung sich verbessert. Aber derzeit bleibt EuroMed nur eine Reihe (sehr interessanter) Maßnahmen, die ins Leere gehen.
Die EU muss anfangen, Politik zu machen. Um Leila und Daniel zu erreichen. Zusammen mit Claudia und Francesco.
Translated from E la politica?