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Wirbelsturm-Sexismus: Wer Wind sät, wird Sturm ernten

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Kultur

Meteorologen sagen das Wetter voraus, analysieren Satellitenaufnahmen und müssen sich mit der Namensgebung von Tief- und Hochdruckgebieten, Hurrikanes und Taifunen herumschlagen. Werdende Eltern kennen das Dilemma. Eine Studie hat jetzt gezeigt, dass das Ausmaß von Wirbelstürmen mit weiblichen Vornamen häufig unterschätzt wird. Die Folgen sind verheerend.

 „Katrina“, „Audrey“, „Joaquin“ – So heißen die Gewalten aus der Luft. Sie verwüsten ganze Küstenstreifen, reißen Häuser nieder und lassen Flüsse übertreten. Umso befremdlicher also, dass diese zerstörerischen Riesen-Staubsauger menschliche, wohlklingende Vornamen tragen.

Eine Forschergruppe der US-amerikanischen Nationalen Akademie der Wissenschaften hat in einer Studie herausgefunden, dass Stürme mit weiblichen Vornamen deutlich mehr Todesopfer als Stürme mit maskulinen Vornamen einfordern. Dazu werteten sie 92 atlantische Hurrikane aus, die von 1952 und 2012 über das Land hinwegfegten. In einem weiteren Experiment befragten sie Personen nach Intensität und Gefährlichkeit von fünf weiblichen und fünf männlichen Hurrikanen. Das Ergebnis ist erstaunlich: Wirbelstürme mit weiblichen Vornamen wurden weniger gefährlich eingestuft. Konkret bedeutet das, dass Menschen Vorsichtsmaßnahmen ergriffen haben, als es schon zu spät war. Schuld an dieser Fehleinschätzung seien die sogenannten Geschlechterstereotypen. Männlich gleich stark. Weiblich gleich schwach oder zumindest schwächer. Diese Stereotypen seien tief verankert in uns Menschen, ganz egal ob wir die Stereotypen ablehnen oder teilen.

“A blow job you’ll never forget!“

Wenn also der Wirbelsturm „Alexandra“ weniger bedrohlich als der Wirbelsturm „Alexander“ wahrgenommen wird, dann sollte die Namensgebung schleunigst überdacht werden. Das finden auch die Forscher und stehen mit ihrer Forderung nicht alleine da. Seit Ende der 80er Jahre kämpfen viele Feministinnen für ein neues Namenssystem. Schlagzeilen wie  „Katrina zerstört New Orleans“, „Katrina" fällte 320 Millionen Bäume“, „Sandy" wütet in Nordamerika: Mindestens 29 Tote“, „21 Menschen sterben wegen Hanna“ suggerieren, dass das personifizierte Übel einen weiblichen Namen trägt. Und es geht noch weiter: In New Orleans wurde „Katrina“ 2005 als „bitch“ bezeichnet. T-Shirts mit der Aufschrift „A blow job you’ll never forget!“ wurden kommerzialisiert. 

„Was haben Frauen und Wirbelstürme gemeinsam? Wenn sie gehen, nehmen sie Autos und Häuser mit!“ Schenkelklopfer, wie diese, die in Männer dominierten Stammtisch-Runden immer für einen Lacher sorgen, gehören definitiv nicht ins 21. Jahrhundert.

In vielen Ländern wechseln sich weibliche und männliche Wirbelsturm-Namen jedes Jahr artig ab. Wikipedia führt minutiös Tagebuch darüber.

In Deutschland kann man zum Preis von 300 Euro einen verrosteten Gebrauchtwagen bekommen, oder ein Hochdruckgebiet benennen.  Tiefdruckgebiete sind mit 200 Euro etwas günstiger. Das Geld kommt den Meteorologiestudenten der FU Berlin zugute. Doch eine Lösung für die Namensproblematik kann diese Initiative nicht sein.

Schlager, die den eigenen Vornamen tragen und deren Liedgut sich von Generation zu Generation auf unerklärliche Weise weitervererbt, sind schon Bestrafung genug. Naturkatastrophen mit einem menschlichen Vornamen, ob männlich oder weiblich, zu versehen, sollte eindeutig auf mehr Gegenwind stoßen.