Wie ich Cafébabels neue Redaktionslinie mitgestaltet habe
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Katha KlossUnser Online-Magazin hat seine redaktionelle Linie in den vergangenen anderthalb Jahren stark verändert. Aber wie hat unsere englische Redakteurin den Prozess begleitet?
Die redaktionelle Linie einer Zeitschrift ist lebendig.
Wie ein Samen wird die ursprüngliche Struktur in die Erde gepflanzt. Das ergibt zunächst einmal das Rückgrat dessen, was später zu einer schönen Pflanze gedeihen wird. Aber dieser Prozess des Aufblühens ist etwas durchaus Zerbrechliches. Der Samen keimt nicht ohne fruchtbare Erde, geeignete Temperaturen, genug Wasser und Sonnenlicht. Ihr fragt euch jetzt wahrscheinlich, warum ihr in einem Artikel über Cafébabels Blattlinie in die Botanik eintauchen müsst. Aber hört mich bis zum Ende an.
Wenn die redaktionelle Linie der Samen ist, dann ist das Magazin, in das sie hineinwächst, die Pflanze. Nach dieser Logik sehe ich den Boden als ambitionierte Redaktion. Ich sehe die Temperaturen, die die Pflanze warm halten, als Leserschaft des Magazins. Das Wasser und das Sonnenlicht sind die Journalisten und ihre Artikelvorschläge.
Cafébabel hat all diese Bedingungen - Boden, Temperaturen, Wasser und Sonnenlicht - im letzten Jahr drastisch verändert. Nachdem ich Cafébabel durch die Linse der Ehrenamtlichkeit, als freie Redakteurin und jetzt als englischsprachiger Editor erlebt habe, kann ich mit großer Sicherheit sagen, dass ich diesen Wandel aus erster Hand erlebt und mitgestaltet habe. Es war unglaublich, fast wie in diesen enormen Zeitraffervideos bei BBC Planet Earth, wo sich ein kleiner Baum innerhalb von Sekunden in einen epischen Dschungelbaum verwandelt. Einer der Hauptgründe, warum ich mich für den Job als englische Redakteurin bei Cafébabel entschieden habe, war, weil ich wusste, dass ein redaktioneller Wandel in Arbeit war.
Von früheren Diskussionen in Redaktionssitzungen, als ich noch Praktikantin war, hatte ich besonders Matthieu in Erinnerung, der immer wieder sagte: „Wir müssen den perfekten Ausgleich zwischen kurzen und langen Artikeln finden; zwischen heißen und kalten Themen.“ Ich war damals zu schüchtern, um es in aller Öffentlichkeit zu sagen: Aber ich stimmte ihm 100% zu. Ich habe grundsätzlich schon immer an den Wert des Slow Journalism geglaubt. Jede Woche sabbere ich nahezu über The Guardians langen Stücken; und ich bekam fast einen Herzinfarkt, als die Huffington Post ihren interaktiven Artikel zur Generation der Millennials veröffentlichte. Ich bin zudem begeisterte Sammlerin von unabhängigen Printmagazinen wie Delayed Gratification oder Intern. Vielleicht lese ich auch deshalb gern Bücher von Autoren wie Rebecca Solnit.
Als ich im März 2017 mein großes Comeback bei Cafébabel machte, als wir begannen, die Partizipation an unserem Magazin zu überdenken, als wir uns von institutioneller Politik und Meinungsartikeln verabschiedeten, als wir beschlossen, keine Millionen Artikel über die Wahlen in Großbritannien im Jahr 2017 mehr zu schreiben, war ich begeistert. Nach und nach fielen die alten Blätter der Zeitschrift, die ich einmal kannte, ab und wurden durch frische ersetzt. Es war ein gesunder Prozess mit neuen Keimen aus alten Wurzeln.
Cafébabel erreicht in seiner neuen, überarbeiteten Form für mich endlich das Potenzial als europäisches, partizipatives und journalistisch-qualitatives Online-Magazin, von dem ich geträumt habe. All dieses Wachstum, das Gedeihen neuer Ideen, geschah in den letzten Monaten. Wir haben einen langen Weg zurückgelegt, von Blog-artigen Artikeln hin zu mehr Quailtät. Das heißt aber nicht, dass nun Schluss ist mit Veränderung.
Denn wir wissen spätestens jetzt: Blattlinien sind lebendig und entwickeln sich ständig weiter.
Translated from My experience with Cafébabel's arboreal editorial line