„Wenn die USA an Kaufkraft verlieren, gewinnt Europa dadurch nichts”
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bianca köndgenVor fünf Jahren wurde der Euro eingeführt. Inzwischen macht er dem Dollar Konkurrenz. Doch ein zu starker Euro könnte Europa schaden, meint der Ökonom Jordi Bacaría.
Der Euro notiert an der Börse 30 Prozent über dem US-Dollar. Länder außerhalb der Eurozone wechseln ihre Geldreserven von Dollar in Euro. Es wäre nicht verwunderlich, wenn sogar bald Erdöl an der Börse in Euro notierte.
Jordi Bacaría, Professor für Angewandte Wirtschaftswissenschaften an der Universitat de Barcelona und stellvertretender Direktor des dortigen Instituts für Europäische Studien. Ein Gespräch über die Vorteile und Gefahren einer Stärkung des Euro gegenüber der allmächtigen Währung der USA.
Herr Bacaria, Iran, Venezuela und Indonesien haben sich entschieden, einen Teil ihrer Geldreserven von US-Dollar in Euro umzuwandeln. Sie geben wirtschaftliche und politische Gründe dafür an. Wie wird diese Entscheidung den Kurs des Euro gegenüber dem US-Dollar beeinflussen?
Sie benachteiligt den Dollar. Auch einige asiatische Länder wie zum Beispiel China haben bereits einen Teil ihrer Geldreserven aus wirtschaftlichen Gründen in Euro getauscht. Da ihr wichtigster Handelspartner die Europäische Union ist, wäre es unlogisch, nur Geldreserven in US-Dollar anzulegen.
Trotzdem ist es für diese Länder nicht ratsam, dem Dollar zu schaden und seinen Fall zu fördern. Zwar können diese Länder so auf politischer Ebene ein Warnsignal geben. So weisen sie darauf hin, dass auch sie den USA schaden können. Trotzdem: Der Dollar bleibt die übliche Tauschwährung, und aus wirtschaftlicher Sicht gibt es keinen Grund, warum sich dies mittelfristig ändern sollte.
Glauben Sie, dass sich diese Tendenz in den nächsten Jahren noch zuspitzen könnte?
Es könnte passieren, dass der Ölpreis in Euro notiert wird. Derzeit verliert der Dollarkurs gegenüber dem Euro weiter an Boden und die Einnahmen der OPEC [Organisation der Erdöl fördernden Länder] steigen nicht, so sehr sie auch den Preis für den Barrel Rohöl erhöht.
In diesem Fall würden sich die Dinge grundlegend ändern. Die USA wären benachteiligt, wenn sie ihr Öl in Euro zahlen müssten, also in einer viel teureren Währung. Doch bis zu welchem Grad ist dies für die EU von Vorteil? Schließlich sind die USA ihr wichtigster Handelspartner. Wenn der Hauptkunde an Kaufkraft verliert, gewinnt man dadurch nichts.
Macht die Verteuerung des Euro gegenüber dem US-Dollar die Europäer weniger wettbewerbsfähig?
Sicher. Ein starker Euro schwächt die Wettbewerbsfähigkeit. Dies führt sogar innerhalb der EU zu politischen Spannungen. Die Länder, die am meisten exportieren, sind die größten Gegner einer Aufwertung der gemeinsamen Währung.
Es besteht die Gefahr, dass unsere Kunden Ersatz auf anderen Märkten finden könnten. Und selbst, wenn wir danach die Preise senken würden, hätten sie schon einen stabilen Markt gefunden und werden sich nicht umentscheiden. Deshalb könnten Märkte verloren gehen. Eine mittelfristige Lösung wäre eine Senkung der Produktionskosten.
Welche politischen Folgen könnte eine Aufwertung des Euro für die Beziehungen zwischen Europa und den USA haben?
Gar keine. Der Euro wird so bewertet, weil der US-Dollar schlecht da steht und nicht, weil es der europäischen Wirtschaft so viel besser gehen würde. Die USA haben ein gigantisches Handels- und Staatsdefizit. In Zeiten schwerer Krisen, wie etwa nach dem 11. September, haben die Europäische Zentralbank und die amerikanische Bundesbank besser zusammengearbeitet.
Im Grunde wäre es ideal, eine eins-zu-eins-Parität zwischen dem Dollar und dem Euro festzulegen. Dies wurde schon mehrfach vorgeschlagen, aber beide Seiten haben es abgelehnt.
Inwiefern beeinflusst seine „Staatenlosigkeit” den Euro?
Es hindert ihn daran, einen großen Sprung zu machen. Er ist eine Währung mit einer geringeren Stabilitätsgarantie. Wäre wenigstens die Europäische Verfassung ratifiziert, so stünden uns mehr Instrumente zur Verfügung. Aber bis dies geschieht, bietet der US-Dollar Sicherheiten, die der Euro nicht bieten kann.
Und wenn wichtige Länder wie Großbritannien, Schweden oder Dänemark der Eurozone beitreten?
Wenn die Verfassung ratifiziert und ihre Ziele erfüllt wären, würde dies unsere Währung ungemein stärken. Ich denke da zum Beispiel an die Einführung des Euro in allen 27 Mitgliedsländern. Nicht nur sein internationaler Börsenkurs, sondern auch sein ökonomisches und politisches Gewicht würden profitieren.
Es bliebe abzuwarten, wie die nordamerikanische Politik und Wirtschaft darauf reagiert. Die Tatsache, dass der Euro gut steht, muss nicht zwangsweise bedeuten, dass es dem US-Dollar schlecht geht. Nur wenn die USA ruiniert sind, wird der Rest der Welt auf den Euro setzen.
Mit dem Euro auf Weltreise
Algerien: Euro gegen Orangen
„Sabah al-kheir, Hamid. Könnten Sie 200 Euro wechseln? Ja? Dann geben mir noch vier Saftorangen dazu, s’il vous plaît.“ Hamid, der Obstverkäufer aus El Biar, einem Viertel im Zentrum Algiers, ist einer der zahlreichen Euro-Wechsler der Stadt. Nach dem ersten Besuch seiner auffälligen épicerie, einem kleinen Lebensmittelladen, reicht er uns diskret eine Visitenkarte. Er bietet an, ihn anzurufen, wenn man algerische Dinare zu einem guten Wechselkurs braucht.
In Algerien gibt es kaum Geldautomaten, jeder Besuch bei der Bank ist eine kleine Reise. Der wohl beste Ort, um Geld zu wechseln, ist der Schwarzmarkt. Obwohl politisch unkorrekt, wird dies den Touristen von Hotels und Handelskammern empfohlen: Es sei die schnellste und rentabelste Methode. Wechselt man an offizieller Stelle, erhält man für 90 Dinar einen Euro. Das sind verglichen mit dem Schwarzmarktpreis fünf Dinare weniger.
Für viele Algerier eröffnet dies ein Parallel-Geschäft, das sehr viel lohnender als ihre alltägliche Arbeit ist. Die Euros wieder abzusetzen wird für sie immer einfacher. Grund dafür sind die fortschreitende Öffnung des Landes und die immer häufigeren Besuche von Europäern. So ist es normal, heimliche Wechsler an den Ecken der Plätze und Marktplätze und in Hinterzimmern von Geschäften zu treffen. Es gibt sogar einige illegale Wechselstuben, die weniger diskret sind: Sie präsentieren sich selbstbewusst unter diesem Namen, wie zum Beispiel das Wechselbüro im Einkaufszentrum RIAD El-Fert in Algier.
Laura Feal, Algier
Kuba: Touristenpreise für Studenten
2002 entschied sich die Stadt Varadero, eines der beliebtesten Reiseziele Kubas, den Euro zu akzeptieren. Zwei Jahre später wurde in Kuba der Dollar verboten, seither kann man die europäische Währung in mehreren Touristenorten benutzen, um Unterkunft, Transport und Unterhalt zu bezahlen. Doch auch Akademiker werden wie Touristen behandelt: Studenten, die sich an der angesehenen Filmhochschule einschreiben, müssen mit Euro zahlen.
César Jiménez (Santiago de Chile)
Polen: Europäische Alltagswährung
In den polnischen Gemeinden, die an Deutschland grenzen, wird der Euro oft genutzt. „Das ist unser Alltag“, meint ein deutscher Student der Europa-Universität Viadrina, der in der polnischen Stadt Subice wohnt. Selbst der polnische Wirtschaftsminister bestätigt, dass diese Praxis an Orten sehr häufig sei, wo es keine Geldautomaten gebe. So zum Beispiel auf Märkten und bei Transaktionen zwischen Privatpersonen.
Magda Laskowska (Subice)
Übersetzung: Judith C. Kroll
Translated from Jordi Bacaria: “si los EE UU pierden poder adquisitivo, Europa no gana nada”