Weltmächte in Syrien: Im Westen nichts Neues
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Nach dem Abbruch der Syrien-Gespräche durch die USA und der Blockade einer UN-Resolution durch das Veto Russlands sind die Beziehungen zwischen den beiden Mächten auf dem tiefsten Punkt seit dem Ende des Kalten Krieges. Kommentatoren sind besorgt und fragen sich, wie es zu dieser massiven Verschlechterung des Verhältnisses kam.
Handelsblatt: Westen ist im Nahen Osten nicht ohne Schuld; Deutschland
In Syrien rächt sich heute, dass es der Westen vor drei Jahren versäumt hat, eine Flugverbotszone über Syrien zu verhängen, kritisiert das Handelsblatt: „Jetzt ist solch ein Schritt nicht mehr möglich, da Russland die Lufthoheit über Syrien hat und erbittert verteidigen würde. Putin hat sich auf Augenhöhe auf der Weltbühne zurückgekämpft, er profitiert innenpolitisch von seinem Machtkampf mit den USA auf Kosten anderer, und Assad bleibt sein Garant für die einzigen russischen Militärbasen im Mittelmeer und im Mittleren Osten. Auch der Westen ist nicht ohne Schuld: Der verheerende und völkerrechtswidrige Einmarsch der USA unter George W. Bush in den Irak - von der damaligen Oppositionsführerin Angela Merkel unterstützt - legte letztlich den Grundstein für die Terrormiliz Islamischer Staat. Und letztlich war es ein Fehler, so lange mit Russland zu verhandeln, um eine Syrien-Lösung zu finden, bis Assad von den Rebellen und dem IS so geschwächt war, dass dies Moskau auf den Plan rief.“ (Artikel vom 11. Oktober 2016)
Milliyet: Obama in der Sackgasse; Türkei
Die USA sind im Nahen Osten derzeit nicht handlungsfähig, analysiert Milliyet: „Im Irak und in Syrien geraten die Angelegenheiten immer mehr in eine Sackgasse. Vor allem, da Operationen auf Mossul und Aleppo anstehen. Was das Datum des Starts der Operationen angeht, steht die US-Führung unter großem Zeitdruck. Die dominierende Position ist, dass diese noch vor der Präsidentschaftswahl begonnen werden sollen. Es liegt in der Natur von Kriegen, dass sie riskant sind und Ungewissheiten bereithalten. Die erste Regel, um mit Ungewissheiten umzugehen, sind gute Führung und die Fähigkeit, schnelle Entscheidungen zu treffen. Doch in Wahlkampfzeiten können sich Antworten auf militärische und politische Situationen des Kriegs verzögern. Auf der anderen Seite hat Obamas Versprechen, keine Bodentruppen zu entsenden, die Entscheidungsmöglichkeiten derer begrenzt, die die Operationen planen. Mit dieser Aussage hat er auch das Ausmaß des Krieges in eine Sackgasse geführt und weitere Bündnisse verhindert.“ (Artikel vom 11. Oktober 2016)
Le Figaro: Konfrontationskurs gegen Russland einstellen; Frankreich
Nachdem der Vorschlag Frankreichs und Spaniens für eine Syrien-Resolution durch das russische Veto gescheitert ist, überlegt Hollande, ob er Putin, der nächste Woche nach Paris kommt, überhaupt empfangen soll. Le Figaro wünscht sich mehr Pragmatismus: „Für einen Staatschef ist diese öffentliche Zurschaustellung seiner Zweifel und diplomatischen Launen eine etwas legere, ja sogar eine unangemessene Haltung. Wir kennen Hollandes Hang zum Kommentieren des Geschehens, er zieht dies präsidentiellem Eingreifen vor. Jetzt wird er also auch noch zum Kommentator seiner eigenen Unentschlossenheit! Die Angelegenheit blamiert Frankreich auf der internationalen Bühne und schwächt unsere Stimme in einem sehr schwierigen Konflikt, in dem wir sowieso schon Mühe haben, uns Gehör zu verschaffen. Russland als Feind zu behandeln bringt Frankreich nicht weiter im Kampf gegen den IS und für einen Regimewechsel in Damaskus. Frankreich sollte lieber auf Pragmatismus statt auf moralische Überlegungen setzen.“ (Artikel vom 11. Oktober 2016)
Novosti: Russland und USA vor offener Auseinandersetzung; Kroatien
Die Sitzung des UN-Sicherheitsrates war wahrscheinlich der vorletzte Schritt hin zur offenen Konfrontation zwischen den USA und Russland, befürchtet Novosti, die Zeitung der serbischen Minderheit in Kroatien: „Im Sicherheitsrat hat sich nicht gezeigt, wie westliche Analysten behaupten, dass Russland wieder mal verhindert hat, den Bürgerkrieg zu beenden. Vielmehr wurde deutlich, dass das Ziel des Westens ist, Assad zu stürzen und 'seine' Spieler an die Macht zu bringen. Dahingegen ist die ganze Geschichte mit dem Kampf gegen den islamistischen Terrorismus nicht mehr als eben genau das: eine Geschichte. Washingtons Strategen wollen Russland wieder zum zweitklassigen Machtfaktor machen - nicht mehr als eine Regionalmacht, wie sich einst der amerikanische Präsident lustig machte. Wenn diese unglückselige Sitzung die Einleitung war, dann wird das russische Abschießen amerikanischer Kampfjets, die Aleppo angreifen, der erste donnernde Finalakkord werden.“ (Artikel vom 9. Oktober 2016)
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