Welche Krise? Bulgariens Unternehmer auf der Überholspur
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Ann-Christin DomsBulgariens Wachstum hat sich etwas verlangsamt, aber nirgendwo so stark wie im Westen von Sofia. Von ihren korrupten Vorgängern übernahm die Koalitionsregierung eine nahezu leere Haushaltskasse. Im Europäischen Jahr der Kreativität und Innovation 2009 wurde die Unterstützung für Neuunternehmer gekürzt.
Doch auch ohne den Finanzsegen setzen sich die Entschlossensten durch - Dörfer unterstützen Unternehmensgründungen, Studenten unterrichten Schüler in sozialer Fürsorge und Berater setzen sich für eine sozialorientierte Wirtschaft ein.
Philippe Ougrinovs Büro befindet sich in einem Glasgebäude über einer Bushaltestelle. „Wenn man Europcar anruft, um ein Auto zu mieten, dann landet man häufig bei uns.“ Sprachen und Länder lauteten die vagen Unternehmensziele des 41-Jährigen. Und genau diese hatten ihm seinen ersten Vertrag für eineinhalb Monate bereits eingebracht, bevor sein Call-Center überhaupt gegründet wurde. Von einigen wenigen Kunden in Deutschland und einem Team von 25 Angestellten ist „Call Point New Europe!“ mittlerweile auf fast 500 Mitarbeiter, 15 Sprachen und drei Firmensitze in Bulgarien und Rumänien angewachsen. Inzwischen gehört es zu den drei besten Outsourcing-Unternehmen in Bulgarien. Durch konkrete Mitarbeiterförderung, zum Beispiel geförderte Praktika aus denen innerhalb von 3 Jahren zahlreiche Projektmanager hervorgegangen sind, liegt das Ziel von 2.000 Mitarbeitern nun in greifbarer Nähe.
Ivailo Iliev schlug einen anderen Weg ein. Er entschied sich dafür das Grundlagenwissen im Industriesektor generalzuüberholen, nachdem er vier Jahre bei einer großen Firma angestellt war. Sein Büro ist momentan noch zu klein, um Gäste willkommen zu heißen. Daher treffen wir uns auf einen Kaffee in der Näher der russisch-orthodoxen Kirche von Sofia. Der 28-Jährige hat um die 3.000 Lew (ca. 1500 Euro) in eine Kommunikations- und Beratungsfirma für Führungskräfte, Encounter consult, investiert. Er hat eine 50-Stunden-Woche und will in nächster Zeit zehn weitere Berater einstellen. Welche Krise? Beziehungen und ein innovativer Ansatz - er versucht mit Kunden langfristige Ziele zu entwickeln - hätten ihm bei der Durchsetzung seiner Ideen geholfen, so Iliev.
George Minchev (48) stellte seine Firma 1992 auf die Beine. Er verkaufte zunächst Aphrodisiaka auf Honigbasis nach Libyen - bis zum Embargo. 1996 hatte er dann eine neue Idee - „Torti“ oder mehrschichtige Sahnetorten wurden zu seinem Erfolgsrezept. Nach fast 13 Jahren im Geschäft hat er immer noch keine Visitenkarten, dafür aber unschätzbare Ratschläge. “Man kann so viel verdienen, wie man will, aber die Zeit kommt nie zurück. Was Menschen eigentlich wollen, ist mehr Zeit. Sie wollen sich mehr Zeit kaufen. Arbeite mehr mit deinem Kopf als mit den Beinen.” Das brachte ihn darauf sein eigenes Unternehmen zu gründen. Die Schnecke wurde zu seinem Symbol. Jetzt ziert sie alle Marketing-Produkte seiner Firma Nedelya.
Hindernis-Parcours für Unternehmer
“Wenn es nicht ohne EU-Unterstützung schaffst, dann mach es erst gar nicht”, lautet der Ratschlag von Vihar Georgiev (29). Er ist Entwicklungsmanager bei Cibola, der seit 10 Jahren existierenden Beraterfirma für EU-Gelder in Bulgarien. Die EU-Fördergelder müssen nicht immer ein Segen sein. Denn ihre Verwaltung stützt sich auf ein haargenaues System aus Indikatoren und Prozeduren. Dadurch kann eine EU-Subvention manchmal mehr Schaden als Gutes anrichten. “Wenn es einen Widerspruch in einem Antrag gibt, dann wird das Konto eingefroren, bis die Unterstützung zurückgezahlt ist, die man bisher bezogen hat“, fügt Georgiev hinzu.
Eine weitere Initiative, die im Hick-Hack der Behörden festsitzt, nennt sich Job Opportunities through Business Support (JOBS) und konzentriert sich auf die Schaffung von Arbeitsplätzen in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit. Nach acht Jahren hat das von der UN unterstützte Projekt ein Netzwerk von 42 Geschäftszentren und Neugründungen hervorgebracht. JOBS gründete die meisten seiner Startups über Leasing-Modelle, einmalige Stipendien und Unterstützungsprogramme für aufstrebende Unternehmer. Während die bulgarische Insolvenzrate für kleine und mittelständische Unternehmen bei 75 Prozent liegt, sind nur 20 Prozent der durch das JOBS-Projekt finanzierten Unternehmen zwei Jahre nach ihrer Gründung gescheitert.
Teodora Hristoforova (42) erinnert sich an ihren Favoriten unter den Stipendiaten: „ Er hatte die 1.000 Lew (etwa 500 Euro) Eigenkapital nicht, die man benötigte, um an dem Wettbewerb teilnehmen zu können. Aber das ganze Dorf von Stefan Kardjovo, sogar der Bürgermeister, legten für ihn zusammen. Ein Jahr später war der schüchterne, arbeitslose Waldarbeiter zu einem selbstbewussten Unternehmer geworden, der mehr Aufträge und Anfragen hatte, als er erledigen konnte.“ Ende September, als die Banken das Monopol auf Kreditvergabe zurückbekamen, wurde das Leasing-Modell jedoch eingestellt. JOBS wird nun in die Aktivitäten der nationalen Entwicklungsbank integriert. Aber das wird einige Zeit dauern.
Auch das so genannte Project 100, ein vom Wirtschaftsministerium finanziertes Gründungsprojekt für bulgarische Startups, wurde aufgrund leerer bulgarischer Haushaltskassen vorläufig auf Eis gelegt. Trotz einer besonderen Anfrage des Wirtschaftsministers an den Finanzminister werden vorraussichtlich erst im Laufe des Jahres 2010 wieder Gelder verfügbar gemacht. “Das ist schade“, so Hristoforova. „Denn wir arbeiten mit den ärmsten Leuten in den kleinen Städten.“ “Wir helfen dabei, nachhaltige Unternehmen zu gründen. Sie sind am meisten von der Krise betroffen.“
Die 1980er - neue Unternehmer
Zusammen mit dem Büro für Technologietransfer der Universität von Sofia organisierte Zlatina Kareva zum siebten Mal den europäischen Tag des Unternehmers 2009. 250 Teilnehmer - darunter 80 Studenten - nahmen an diesem Event teil. Die Gewinner des studentischen Gründerwettbewerbs erhalten ein Training und Unterstützung von erfahrenen Experten, darunter die Partnervereine Bulgaria business angels, SEED Bulgarien und die American foundation for Bulgaria. Gelder will jedoch bisher niemand in das Projekt spritzen.
Trotzdem, so die Step for Bulgaria Foundation, könne man mit einer guten Idee, Freiwilligen und Partnern schon eine ganze Menge erreichen. „Ich wollte unterprivilegierte junge Menschen unterstützen, die in sozialen Einrichtungen leben. Sie haben den Sommer über wenig zu tun”, sagt die 22-jährige Havard-Absolventin Evgenia Peeva. Das Sommerprogramm wurde zu einem Jahresprojekt. Jetzt werden 40 Jugendliche ein Jahr lang von Studenten und jungen Berufstätigen in Englisch, Computerkenntnissen, Empathie, Menschenrechten und Mitarbeiterführung unterrichtet.
Einer der Sprecher des Freiwilligenprogrammes war Lyuben Ivanov. Der 26-Jährige ist fast schon eine lokale Berühmtheit. Er nahm an einer der Folgen der bulgarischen Ausgabe des „Dschungelcamp“ teil. In einem kleinen Vorlesungssaal der öffentlichen Bibliothek sitzend, hören die Kids ihm wie hypnotisiert zu - dem Superman, der drei Flugzeugen entwischte, einen Bus und schließlich ein Boot nahm, um auf eine entlegene Insel in den Philippinen zu kommen. Er ist auch als Wirtschaftsdozent an der Universität Sofia tätig. Das ist in Bulgarien möglich. Die Kinder aus dem Waisenheim interessieren sich besonders für das Leadership Programm. Der 17-jährige Victor Porvakov strebt eine Karriere als Designer an und hat gerade als Model angefangen. Viktor Byrlalov (16) will als Drummer groß rauskommen. Auch das scheint in Bulgarien möglich zu sein, man muss - und das ist überall in Europa so - nur hart dafür arbeiten.
Vielen Dank an das cafebabel.com Team in Sofia. Hier im Blog des Teams stöbern.
Translated from Jaki kryzys? W poszukiwaniu bułgarskich przedsiębiorców