Wasser für Benin
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In Einklang mit der Weltwasserwoche steht Hamburg seit dem 22. August im Zeichen der Wassertage 2007. Der lebenswichtige Rohstoff ist Mittelpunkt einer bemerkenswerten Veranstaltungsreihe.
Wasserversorgung als weltweites Problem? Das können sich viele Menschen im gut situierten Europa kaum vorstellen. In den meisten Entwicklungsländern ist der Kampf um sauberes Trinkwasser jedoch schon jetzt traurige Realität. Der Zugang zum Lebensspender ist mehr als einer Milliarde Menschen verwehrt: Tendenz steigend. Der Hamburger Fußballclub St. Pauli ist dem Problem gewahr geworden und ergreift die Initiative. Der Verein "Viva con agua de St. Pauli" realisiert seit 2005 ein Projekt nach dem nächsten, um zumindest im Kleinen für bessere Lebensbedingungen zu sorgen.
Wer hätte ahnen können, dass ein Trainingslager der Pauli-Mannschaft auf Kuba den Grundstein für das gemeinnützige Projekt "Viva con agua de St. Pauli e.V." legen würde. 2005 reiste das Team auf Fidels Insel, um sich auf die kommende Saison vorzubereiten. Doch Benjamin Adrion, Mittelfeldspieler des FC St.Pauli, nahm mehr mit nach Hause als nur körperliche Fitness. Die Idee, sich zu engagieren und selbst eine Stimme zu haben hatte sich in dem heute 26-Jährigen festgesetzt. Wenig später wurde "Viva con agua" Realität.
Afrikanischer Boden
Zwei Projekte hat der Verein bereits erfolgreich umgesetzt. Auf Kuba wurden 153 Kindergärten mit Wasserspendern bestückt, in Sodo/ Äthiopien Brunnen errichtet. Nun läuft seit dem 22. August die nächste große Spendenaktion, die Hamburger Wassertage 2007. Diesmal wird der Empfänger Manigri sein, Millenniumsdorf der Deutschen Welthungerhilfe im westafrikanischen Benin. Der Staat, dessen politisches System als stabil gilt, fördert selbst bestimmte Strukturen und die Teilhabe von Frauen und Jugendlichen an Entscheidungsprozessen. So soll es auch in Manigri von statten gehen. Die Bevölkerung wird aktiv in die Aufbauarbeit einbezogen. Hilfe zur Selbsthilfe heißt das Prinzip von "Viva con agua".
Konkret werden fünf Brunnen im Dorf errichtet, die die Trinkwasserversorgung der 17.000 Einwohner optimieren sollen. Lange Wege zu Tümpeln, Wasserlöchern und Bächen, die darüber hinaus verunreinigtes Wasser führen, gehören dann der Vergangenheit an. Nebenbei nutzt man gleich die Gelegenheit, Seminare zur Aids- Aufklärung zu etablieren.
Die Chancen stehen gut, auch dieses Projekt erfolgreich über die Bühne zu bringen, denn das Programm bis zum 3. September verspricht einiges. Lesungen in der Hamburger Botschaft, Kino im Schanzenpark, Beachparties oder Wasserski sind nur einige der Aktionen, die die Initiatoren um Benjamin Adrion ins Leben gerufen haben. Er selbst und seine Mitstreiter setzen auf Publikumswirksamkeit, Abwechslung im Programm und Prominenz. Wenn Musiker wie Pohlmann, Sasha & Friends oder Kochbulle Tim Mälzer zusagen, dann wird der laute Ruf nach Aufmerksamkeit für dieses wichtige Thema sicherlich nicht auf taube Ohren stoßen. Die Eröffnungsgala am 22. August versteht sich als "exklusives Kommen und Gehen", so Adrion. Umso lobenswerter, dass alle Künstler auf ihre Gagen verzichten.
Davon abgesehen geht es dem Verein nicht nur um Publicity, sondern vor allem um Spenden. "Wenn die Leute sich amüsieren und dann nach den Veranstaltungen die Idee mit nach Hause tragen, ist das schon ein Erfolg. Letztendlich geht es aber darum, dass die Gelder, die eingenommen werden, direkt in die Projekte fließen. Wenn jemand überhaupt kein Interesse an dem Projekt hat, hat er aber trotzdem gespendet, indem er den Eintritt gezahlt hat", so Benjamin Adrion. Weniger Dogmatismus, dafür mehr Praktikabilität- die Rechnung scheint aufzugehen. Die bisherigen Spenden an "Viva con agua", die zu 100 Prozent in die Entwicklungshilfe fließen, belaufen sich auf 120.000 Euro.
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
Der Garant für die Umsetzung der Ideen ist die Deutsche Welthungerhilfe. "Viva con agua" überweist die Spenden ohne Abzüge an die traditionsreiche Organisation, die dann beispielsweise den Bau der Brunnen in Manigri realisieren wird. Benjamin Adrion ist trotz dieser Unterstützung daran gelegen, sich selbst von dem Erfolg der Projekte zu überzeugen: "Es gibt natürlich die Deutsche Welthungerhilfe, die uns versichern kann, dass alles gut läuft. Aber wir legen sehr großen Wert darauf, uns auch persönlich ein Bild von der Situation zu machen." Auf Kuba hat er schon nach dem Rechten gesehen, im Dezember werden er und seine Kollegen nach Äthiopien reisen, um die Fertigstellung der Brunnen in Sodo zu begutachten.
Für Oktober sind schon die nächsten Events in Hamburg, Zürich und Osnabrück geplant. Man will sich nicht auf den bisherigen Erfolgen ausruhen, sondern sich weiter als gemeinnütziges Projekt etablieren, auch über die Heimatstadt des FC St. Pauli hinaus. Auch 2008 soll wieder für eine bessere Trinkwasserversorgung getrommelt werden. Dann werden mit Sicherheit auch schon die ersten Brunnen in Manigri stehen, die durch die diesjährigen Wassertage in Hamburg finanziert werden.
(Fotos im Text: ©Viva con agua de Sankt Pauli)
Europa: Wasser auf Bewährung
Viele Länder der Europäischen Union gelten nicht gerade als Musterschüler im Umgang mit ihren Wasserressourcen. Im Oktober 2000 haben sich die europäischen Mitgliedstaaten im Rahmen der EU-Wasserrichtlinie auf einen gemeinschaftlichen "reinen Wasserzustand" bis 2015 geeinigt. Bis dahin haben einige unter ihnen noch einen langen Weg vor sich.
In Spanien, Portugal und Griechenland gefährden zunehmende Trockenperioden und die Wassernutzung für Tourismus und Landwirtschaft die Ressourcen der Mittelmeerzone. Seit 60 Jahren war die spanische Regenstatistik noch nie auf so niedriges Niveau gesunken. Laut den Vereinten Nationen sei Spanien "das trockenste Land in Europa". Seit Oktober 2004 sind die Niederschlagsmengen um 35 bis 50 Prozent zurückgegangen. Die Provinzen Valencia, Almería und die Kanarischen Inseln sind zunehmender Bedrohung ausgesetzt.
Auch Griechenland ist vermehrt von langen Trockenperioden betroffen. Die Athener Wasserversorgungsgesellschaft (EYDAP) hat einen Rückgang der Wasserressourcen um 27 Prozent angekündigt. Die Feuer, die momentan auf dem Peloponnes wüten, sind nur die ersten Anzeichen dramatischer Konsequenzen für das Land.
Weniger aufgrund der Klimabedingungen, sondern wegen zunehmender Wasserverschwendung, kann auch Frankreich keine Vorbildfunktion übernehmen. Nur 2,5 Prozent des verfügbaren Trinkwassers werden getrunken oder in der Küche verwendet. Hauptsächlich kann die Landwirtschaft, die unterirdische, nicht erneuerbare Wasserquellen anzapft, für den hohen Verbrauch verantwortlich gemacht werden.
Einer 2005 veröffentlichten Studie zufolge, entspräche die Qualität eines Drittels der französischen Gewässer nicht den europäischen Normen. Das Ergebnis der Studie ist hauptsächlich auf zu hohe Nitratwerte zurückzuführen, wie sie beispielsweise in der Bretagne auftreten. Weitere Übeltäter sind Pestizide, die in fast 75 der oberirdischen und in 57 Prozent der unterirdischen Gewässer nachgewiesen wurden.
In London hat die Wasserverschwendung andere Ursachen: ein vollkomen veraltetes Wasserversorgungsnetz. Der Umweltstiftug WWF zufolge, würde täglich das Äquivalent von 300 olympischen Schwimmbecken voller Trinkwasser in den Kanalisationsanlagen Großbritanniens verloren gehen.
Die skandinavischen Länder weisen eine bessere Bilanz vor: sie haben im Durchschnitt mehr Niederschläge und modernisierte Wasserversorgungsnetze. Aber auch ihre Regierungen handeln mit mehr Verantwortung. Reinheitsauflagen für Haushalts- und Industriewasser, Verringerung der Wasserverschmutzung durch die Landwirtschaft und Erhalt des Grundwasserspiegels und anderer Wasserquellen stehen auf der Tagesordnung. Nicht zuletzt soll demnächst ein Gesetzesentwurf nach dem "Verursacherprinzip" auf den Weg gebracht werden.
Autor: Alexis Molveau
Übersetzung: Katharina Kloss