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Warum Emanzen nicht flirten können

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Story by

Lea Sauer

BerlinLifestyle

In der Diskussion darüber, wo die Grenze zwischen Sexismus und Flirten liegt, wird eines oft übersehen: Flirten ist ein Spiel. Und da sind Männer eben von vornherein eher am Zug als Frauen. Wer sich nicht daran hält, für den gilt "game over". Fliegen Feministinnen und selbstbewusste Frauen also direkt raus?

Laut des britischen Flirting Report haben 64% der befragten Frauen noch nie einen Mann angesprochen, da „es sich für eine Frau nicht gehört“ oder „der Mann die Frau ja bestimmt sowieso anspricht, wenn er Interesse hat“. Und die Frau tut auch gut daran, die Initiative nicht zu ergreifen, denn Frauen, die einen Mann ansprechen, werden in der Regel als promiskuitiver eingeschätzt als der verhaltene Rest. Und es sind nicht nur Männer, die denken, die Initiative solle vom starken Geschlecht ausgehen: Laut einer Umfrage der deutschen Dating-Plattform Elite Partner finden selbst 50% der Frauen zwischen 17-29 Jahren, dass der Mann eine Frau ansprechen sollte.

„Weißt du, es gibt feste Regeln!“

Oh, denke ich, darüber habe ich ja noch nie nachgedacht. Meine feministische Mama brachte mir bei, dass ich als Frau den Mund aufmachen muss, wenn ich was will. Und so handhabe ich es auch beim Flirten. Finde ich jemanden ansprechend, spreche ich ihn an. Habe ich Lust jemanden zu treffen, frag ich, ob er Zeit hat. Wenn ich jemanden mag, sag ich das. Einfach so. Ohne Hintergedanken. Und wenn ich so darüber nachdenke, bin ich damit ziemlich... ja, unerfolgreich. Bin ich vielleicht zu emanzipiert zum Flirten?

Ich frage Tom, einen Flirt, der wie so oft bei mir kein Lover, sondern ein Kumpel wurde, woran es bei mir hapert. Was mache ich falsch? „Weißt du, am Anfang dachte ich, du willst nur Sex, weil du so direkt warst, dann dachte ich, du hast dich vielleicht verknallt, weil du dich dann wirklich für mich interessiert hast und dann war ich einfach verwirrt. Weißt du, aber viele Mädchen sind hier so. Du hältst dich nicht an die Regeln. Mein Tipp: Der Mann will jagen! Sei das liebe Mädchen und du kannst jeden haben.“ 

So einfach also? Ich werfe die emanzipierten Lehren meiner Mama über Bord, bin das liebe Mädchen und schwuppdiwupp liegen mir die Männer zu Füßen? Jedenfalls scheint die Emanzipation noch nicht in die Flirtwelt vorgedrungen zu sein, denn die Flirtregeln, die Tom mir erklärt, sind grob gesagt sexistische Klischees in Reinform: Der Jäger (Mann) wählt eine Angebete aus und verführt sie. Dafür geht er taktisch vor und fährt seine „Masche“. Wenn die Frau Interesse hat, gibt sie ihm irgendwann unter einem Vorwand ihre Nummer. Der Mann meldet sich nach einem angemessenem Zeitraum (2 1/2 -3 Tage). Die Frau kann da nur unschuldig warten und hoffen, dass der Mann sie „nimmt“. 

Zurückhaltung? Nein danke! 

„Denk immer daran, dich rar zu machen, dann wirkst du interessanter! Aber sei auf jeden Fall auch locker und lieb und nicht zu selbstbewusst. Das verunsichert Männer.“ Puh! Diese Verbindung von Rollenklischees und Verhaltensregeln klingt irgendwie ziemlich anstrengend. Soll ich diese Regeln jetzt etwa wirklich ernstnehmen? Sind sie vielleicht sogar biologisch begründbar? Jäger und Sammler und so?

Die Gründe sind wohl eher soziologischer Natur. Das behauptet zumindest Eva Illouz in ihrem Buch Warum Liebe weh tut (2011). Während es im 19. Jahrhundert noch trendy für Männer gewesen sei, sich verbindlich zu geben, haben sie jetzt vor allem eines: Bindungsängste. Und würden so für die Frauen zum knappen Gut auf dem Beziehungsmarkt. Männer haben das Ding somit in der Hand und können wählen, an wem sie Interesse haben und an wem nicht. Oder wie oben beschrieben: Wenn er Interesse hätte, würde er mich doch ansprechen. 

Und auch der Flirting Report gibt genau aus diesem Grund an, dass es für Frauen letztendlich effektiver ist, eher passiv zu sein. Obwohl, andere Studien belegen jedoch, dass sich 72% der Männer wünschen, von einer Frau angesprochen zu werden. Ja, was denn jetzt? Also doch lieber emanzipierte, selbstbewusste Frauen? Ich glaube Flirten ist immer noch geprägt von archaischen Sexismusklischees gegenüber Männern und Frauen, die man nur aufbrechen kann, wenn man sich endlich emanzipiert von der festen Vorstellung davon, wie ein gelungener Flirt auszusehen hat. Mir klingt das eh alles viel zu kalkuliert, denn wenn man Flirten auf einen Beziehungsmarkt herunterbricht, auf dem man sich möglichst effektiv verhalten muss, ist die Bilanz unterm Strich vor allem eine: rote Zahlen für die „magic moments“. Wo bleibt denn da das Gefühl, die Aufregung und der Spaß? Vielleicht sollten wir alle einfach umdenken und das Ganze nicht zu ernst nehmen: Flirten ist ein Spiel! Und gerade deswegen gibt es keine Regeln. Deswegen, Jungs und Mädchen, macht doch, was ihr wollt!

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