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Wählt Rumänien Europa ab?

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Am 25. November finden in Rumänien die Wahlen zum europäischen Parlament statt: Gewinnt in den zwei letzten Beitrittsländern Rumänien und Bulgarien die Europaverdrossenheit die Oberhand?

Schon wenige Monate nach dem Beitritt ist die Europabegeisterung in den neuen Mitgliedstaaten drastisch zurückgegangen. Die Desillusionierung geht einher mit einer steigenden Politikverdrossenheit in Bulgarien und Rumänien. Korruptionsskandale und politische Ränkespiele haben die Bevölkerung misstrauisch gemacht. Dies schlug sich nicht zuletzt in den Ergebnissen der im Frühjahr abgehaltenen Europawahlen in Bulgarien nieder, die lediglich 28,6 Prozent der Wähler mobilisieren konnten.

Martin J. Ivanov führt das geringe Interesse auf vereinfachte Darstellung in den Medien zurück. Es seien gezielt falsche Erwartungen erzeugt worden, erklärt der bulgarische Politikwissenschaftler, der für die Elias Canetti Gesellschaft arbeitet. "Es gab den Versuch, ein Feindbild zu konstruieren: Die europäische Bürokratie verteidigt nur die Interessen der Großmächte, wir werden übergangen." Außerdem würden nur die negativen Konsequenzen des EU-Beitritts wahrgenommen, meint Strahil Karapchanski, Student des Bulgarisch-Rumänischen Interuniversitären Europazentrums (BRIE). "Die EU wird in erster Linie mit wirtschaftlichen Konsequenzen assoziiert, und so für steigende Preise und Steuern verantwortlich gemacht", so Strahil weiter. Deshalb dominiere Euroskeptik.

In Rumänien, wo die Europawahlen am 25. November stattfinden, herrschen ähnliche Probleme wie im Nachbarland. Aber das politische Interesse ist höher. Bei den kommenden EP-Wahlen wird eine Beteiligung von etwa 50 Prozent erwartet. Damit läge Rumänien über der durchschnittlichen Wahlbeteiligung, die 2004 lediglich 44,2 Prozent betrug. Das größere Interesse mag auf innenpolitische Querelen zurückzuführen sein: die Spaltung zwischen Präsident und Regierung polarisiert die Gesellschaft. Der versuchte Sturz des Präsidenten Traian Bsescu hatte vor einem halben Jahr zur Verschiebung des Wahltermins geführt, der eigentlich für den 13. Mai angesetzt war. Seit Bsescu am 19. Mai 2007 per Referendum in seinem Amt bestätigt worden war, ist die Stimmung zwischen ihm und seinem Gegner, Premier Clin Popescu-Triceanu, noch angespannter.

Reform des Wahlrechts: nach welchem Vorbild?

Der rumänische Präsident hat nun angestoßen, gleichzeitig mit den Europawahlen ein Referendum über das Wahlrecht abzuhalten. Ihm schwebt ein persönliches Mehrheitswahlrecht nach französischem Vorbild vor. Damit gewinnt er bei der Mehrheit der Bevölkerung an Popularität, steht aber in offenem Widerspruch zum Premier, der ein Wahlrecht nach deutschem Vorbild (eine Kombination aus Verhältnis- und Mehrheitswahl) fordert. Beobachter erwarten einen positiven Ausgang der Volksabstimmung, warnen aber auch vor einer steigenden Fragmentierung der Polit-Landschaft.

Zu den rumänischen Europawahlen haben 13 Parteien insgesamt 531 Kandidaten aufgestellt, die um die 35 rumänischen Sitze im Europaparlament kämpfen werden. Die Parteien, von denen sieben nicht im Parlament vertreten sind, repräsentieren das gesamte Spektrum rumänischer Politik. Auf Grund der tiefen Konfliktlinien ist ein Splitter-Ergebnis wahrscheinlich.

Vorreiter Bulgarien

Der Vergleich zu Bulgarien, wo die Europawahl absolut überraschende Kräfteverhältnisse offenbarte, drängt sich auf. Die sozialistische Partei (BSP) von Premierminister Sergey Stanishev konnte lediglich 21,41 Prozent der Stimmen für sich verbuchen und blieb so weit hinter den Erwartungen zurück.

Überraschungssieger war die neugegründete Mitte-Rechts-Partei 'Bürger für eine Europäische Entwicklung in Bulgarien' (GERB), die mit 21,69 Prozent knapp vor den Sozialisten lag. Hiermit schickte jede der beiden großen Parteien fünf von insgesamt 18 Abgeordneten nach Brüssel. Für eine weitere Überraschung sorgte die Vertretung der türkischen Minderheit, die 'Partei für Rechte und Freiheiten' (DPS), die auf 20,26 Prozent und vier Sitze kam.

In der rumänischen Parteienlandschaft stehen sich mit der Nationalliberalen Partei (PNL), den Sozialdemokraten (PSD) und der Demokratischen Partei (PD) ebenfalls drei größere Akteure gegenüber, die um die Stimmen ringen. Wie falsch die Prognosen liegen können, hat das Beispiel Bulgarien gezeigt: Dort hatten Meinungsforscher eine durch Skandale hochgetriebene Beteiligung von 45 Prozent vorausgesagt.