Wahlen in Spanien: „Indignados“ gegen die Rechten, aber wie?
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Selina GlaapRette sich wer kann, denn es ist nicht mehr nur eine Niederlage, sondern der reinste Wahnsinn! Laut den neusten Umfragen ziehen die spanischen Sozialisten (PSOE) nach den Wahlen am 20. November (20N) mit gerade mal 120 armseligen Sitzen ins Parlament ein. Dies sind 57 weniger als 2008.
Ihre Gegner, die konservative Partei (PP), gehen von der magischen Zahl 198,29 aus und würden somit eine größere Mehrheit bekommen als die PSOE im Jahre 2008. Grund genug schnell zu einer problemlosen Abtreibung und der Homo-Ehe zurückzukehren und die Privatisierung der öffentlichen Dienste voranzutreiben.
Gegen die PP, holt den Taschenrechner raus!
Ist schon jede Hoffnung verloren? Nein! Die absolute Mehrheit auf die Mariano Rajoy hofft, kann noch verhindert werden. Man muss nur zählen können und dann vernünftig wählen. Die Formel #AritmEtica20N entstand vor einem Monat an der Universitat Oberta de Catalunya und soll von Stadt zu Stadt angeben für wen man wählen soll.
Die spanischen Wähler haben mit dieser Rechentafel genau zwei Wahlmöglichkeiten als Alternative gegenüber dem üblichen Trio. In Barcelona bräuchte man zum Beispiel 52.110 Stimmen für die ICV-EUiA (katalanische grüne Partei, die sich durch die Spaltung der IU, einer radikalen linken Partei, gegründet hat) oder 5293 für die ERC-RI.CAT (eine radikale katalanische Partei).
Aber wer steht hinter der Formel #AritmEtica20N? Die „Indignados“ natürlich! Aber nicht so schnell. Im Königreich der nichtparteilichen Völkerbewegung ist Freiheit gold wert...
„Die finde ich alle zum kotzen.“
Die vielseitige Realität, die diese Bewegung ausmacht, wurde mir am 12. November noch einmal in Erinnerung gerufen, denn dies war der Tag an dem die „Indignados“ zu den großen Plätzen der spanischen Städte zurückkehrten. Ich beging den Fehler sie „Organisationen“ „Democracia Real Ya“ (Echte Demokratie Jetzt!) und „#nolesvotes“ („Wähl sie nicht“ - Initiative gegen die Wahl der PP und der PSOE) zu nennen. Von diesen Organisationen stammen schließlich einige derjenigen, die an der Bewegung „#AritmEtica20N“ teilnehmen. „Zum letzten Mal: Das sind keine „Organisationen“. Wir sind Individuen mit freien Meinungen und in jedem Gebilde gibt es unschöne Stimmen!“ schreit mir ein #AritmEtica20N-Mitglied von weitem zu. Ich frage es nach seiner Meinung zu der aufkommenden Kritik, dass die „Indignados“ (unfreiwillig?) das Auftauchen von kleineren Parteien, die das System unterstützen, das sie selbst so verachten, begünstigen — wie es die IU oder die UpyD tun. Plötzlich platzt es aus ihm heraus: „Nein, du hast mich nicht verstanden. Ich unterstütze gar keine Partei, die finde ich alle zum Kotzen. #AritmEtica20N wurde gegründet, um die absolute Mehrheit der PP zu verhindern, unterstützt aber auch keine andere Partei!“
Mit diesem anonymen etwas groben Erlebnisbericht in der Tasche, der gut die Angst vor dem Mandat von Mariano Rajoy widerspiegelt, mache ich mich auf den Weg zur Plaza Catalunya. Dort sind die „Indignados“ an diesem Samstag, den 12. November zurück, um einen Informationspunkt für die 20N-Bewegung anzubieten.
Arithmetisch oder taktisch ungültige Wahlen?
Da entdecke ich mit Verblüffung eine ganz neue Wahlmöglichkeit: die „taktisch ungültige Wahl“. „Sie ist besser als die Protestwahl, weil sie die Wahlergebnisse der großen Parteien nicht unterstützt. Außerdem ist sie besser als die Enthaltung, da diese als Desinteresse an der Politik und der Demokratie interpretiert werden könnte“, erklärt die Broschüre, die von Mar und José Luis, aus der Kommission Wirtschaft und Ressourcen des „#acampadabcn“ herausgegeben wurde. Auf der anderen Seite findet man bezüglich der Wahl am 20. November zwei Hauptforderungen: einerseits die konstitutionelle Reform der Bevölkerung, und andererseits die Unterbrechung der Rückzahlung der spanischen souveränen Schulden bis das Sozialrecht wieder gesichert ist.
Innerhalb dieser „Indignados-Bewegung“ werden wir mit zwei gegensätzlichen Aussagen konfrontiert. Zum einen die taktische Wahl von #AritmEtica20N: besser die ICV wählen, um der „PPSOE“ (Spitzname, der die spanische Zweiparteienpolitik ausdrücken soll., A.d.R.) zu schaden und auf der anderen Seite die taktische ungültige Wahl: ungültig wählen, um seine Abneigung zum aktuellen Wahlsystem auszudrücken. „Das ist eine versteckte Wahlkampagne für die ICV“, sagt José Luis bezüglich der #AritmEtica20N-Bewegung. „Die Wahl für die kleinen Parteien oder die Protestwahl dienen nur den Interessen der PP“, ist im Gegensatz die Meinung eines der #AritmEtica20N-Mitglieder.
Links, aber keine Sozialisten
In einem Artikel, der in der französischen Boulevardzeitung „Le Parisien“ erschien, sagt ein Sprecher der „Indignados“, dass der Informationspunkt auf dem Plaza de Catalunya den Leuten erlaubt, „die verschiedenen Wahlmöglichkeiten“ kennenzulernen, aber niemandem „Wahlvorschriften“ machen soll. „ Democracia real Ya bittet niemanden für eine bestimmte Partei zu wählen, denn unsere Ziele gehen viel weiter als einen einfachen Parteinamen in der Regierung zu haben“, behauptet eines der Democracia-Real-Ya-Mitglieder auf cafebabel.com. Was auch immer der Ausgang der 20N-Bewegung sein wird, die Bevölkerung kämpft an 8 Fronten: Abschaffung der Privilegien für Politiker, Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, Recht auf Wohnraum, Verbesserung der öffentlichen Dienste, gröβere Kontrolle über Banken, gerechtere Besteuerung, Freiheit der Bürger, partizipative Demokratie und nicht zuletzt die Verringerung der Militärkosten.
„Democracia real Ya bittet niemanden für eine bestimmte Partei zu wählen, denn unsere Ziele gehen viel weiter als einen einfachen Parteinamen in der Regierung zu haben.“
Für diejenigen, die noch an den klassischen Vertretern und deren politischen Parteien hängen und die darauf aus sind zu wissen, was die selbst ernannten restlichen 99% wählen, hat Sara, eine schwedische Studentin, die die 15M-Bewegung von Beginn an verfolgt hat, eine Antwort: „Die Indignados betonen, dass sie die gesamte Bevölkerung repräsentieren, dass sie wie jeder andere Bürger sind. Bisher habe ich jedoch nur Leute gesehen, die sich als links bezeichnen. Es ist allerdings richtig, dass alle Generationen mit unterschiedlichsten Lebensverhältnissen vertreten sind.“
Fotos: Homepage: Le.mat/flickr; Text: ©Emmanuel Haddad
Translated from Élections espagnoles : indignés contre la droite, mais comment ?