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Wahlen in Italien: 'Schweinerei' in Europa

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Politik

Am 13. und 14. April geht es in Italien an die Urnen - nach einem Wahlgesetz, das keiner will. Mehrheitsprinzip, Proportionalsystem, 4- oder lieber 21-Prozent-Grenze? Porträt einer europäischen Anomalie.

Die Wahlreform ist einer der größten Quälgeister der 'Zweiten Republik' Italien. Trotz der nicht seltenen Überzeugung, dass ein neues Wahlrecht das einzige Rezept gegen die Übel der Politik sei, wurde es in den vergangenen fünfzehn Jahren zwei Mal geändert und weitere zwei Mal Volksabstimmungen unterworfen. Eine dritte Volksbefragung ist für das Jahr 2009 geplant, mit der das derzeitige Wahlrecht geändert werden soll, das die Regierung Berlusconi im Jahr 2005 verabschiedete. Der damalige Reformenminister und Vater des Gesetzes Roberto Calderoli nannte es selbst "eine Schweinerei, die der Linken wie der Rechten nur Schwierigkeiten mit den Wählern macht".

Auf der Jagd nach einem Zweiparteiensystem

Jeder respektable italienische Politiker der vergangenen Jahre bewunderte zunächst die zwei Wahldurchgänge in Frankreich und ließ sich dann von dem deutschen Proportionalmodell bezaubern, nicht ohne einen interessierten Blick auf das regionalistische Beispiel in Spanien. Und da sich Italien wie gewohnt nicht entscheiden will und kann, hat es nun ein ganz eigenes Wahlsystem, "Made in Italy" eben.

Nach einem halben Jahrhundert Proportionalsystem ging man 1993 zum Mehrheitswahlrecht über. Das Parlament entschied sich ängstlich für einen allmählichen Übergang und genau hier entstand das erste Wahlgesetz all'italiana: nach dem Mehrheitsprinzip im Allgemeinen, aber mit einem nostalgischen Überbleibsel, wonach 25 Prozent der Sitze im Abgeordnetenhaus und im Senat nach dem Proportionalsystem zugewiesen werden.

Somit ist die neue Zweipoligkeit schon krank geboren. Das Ziel der ersten Reform, nämlich die Anzahl der Parteien zu reduzieren, wurde nicht erreicht. Nachdem nach Jahren des Hasses gegen das Mehrheitsprinzip im Land eine Art Zweipoligkeit zustande gekommen war, kehrte Italien 2005 mit Pauken und Trompeten zu einem puren Proportionalsystem zurück, wenn auch mit Vier-Prozent-Grenze. Diese kann jedoch schon mit 2 Prozent kinderleicht umgangen werden, wenn sich das betreffende 'Parteichen' an eine andere Wahlliste hängt, die die Grenze überschreitet.

Der am stärksten kritisierte Aspekt betrifft wahrscheinlich die Senatswahlen, denn hier erfolgt die 'Preisverleihung' auf regionaler Basis. Dies führt zu dem Paradox, dass es in den zwei Kammern unterschiedliche Mehrheiten geben kann. Und außerdem sind die Wahllisten nach dem Gesetz der Regierung Berlusconi wieder 'blockiert', das heißt, der Wähler wählt die Partei und diese stellt den Kandidaten fürs Parlament.

Gleich auf dem ersten Prüfstand, den von Prodi gewonnenen Wahlen 2006, fiel das neue Wahlgesetz prompt durch: Das Ergebnis waren Zersplitterung und Regierungsunfähigkeit. Dennoch hat das Parlament kein neues verabschiedet und auch dieses Mal gehen die Italiener unter dem Scheffel eines Gesetzes zur Wahlurne, das alle als unvertretbar erachten. Und das Wahlgesetz, das die Mitte-Rechts-Koalition vor drei Jahren in aller Hast verabschiedete, um Prodi das Leben schwer zu machen, könnte nun wie ein Boomerang den Favoriten Berlusconi selbst treffen.

Mamma mia, so viele Parteien

Highlights der derzeitigen Wahlkampagne waren einige, scheinbar selbstmörderische Entscheidungen, die gegen den Strom des geltenden Wahlgesetzes schwimmen. Nach dem Wahlsieg mit nur 24.000 Stimmen Vorsprung von 2006 teilt sich jetzt die Mitte-Links-Koalition. Die Demokratische Partei von Walter Veltroni präsentiert sich mit den Radikalen und der Partei Italia dei Valori des ehemaligen Staatsanwaltes Antonio di Pietro, aber ohne die linke Liste Arcobaleno (bestehend aus Rifondazione Comunista, Comunisti Italiani und Grünen, A.d.R.), die bei den letzten Wahlen immerhin würdevolle 10 Prozent einsammelten. Die katholische Mitte-Rechts-Partei UDC, die seit 1993 mit Berlusconi alliiert war, verlässt das Mitte-Rechts-Bündnis und präsentiert sich im Alleingang mit ihrem Premier-Kandidaten Pier Ferdinando Casini. Aber wie viele Gewinnchancen hat sie wohl mit einem Wahlgesetz, das Koalitionen begünstigt? Keine. Und nun?

Es sieht fast so aus als würden sich viele nicht darauf vorbereiten zu regieren, sondern vielmehr darauf, nicht zu regieren. Mit anderen Worten: Man hat den Eindruck, dass jeder sein Gewicht herauskehren will, am Verhandlungstisch für eine ganz neue Regierung. Phantompolitik? Nicht für Italien.

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Google Map von Marco Riciputi

(Fotos: Homepage - Jaume D'Urgell/flickr), Parteisymbole - Treviño/flickr, Roberto Calderoli - ZioDave/flickr)

Translated from Elezioni italiane: un “porcellum” in Europa