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Wahl in Deutschland: Im Farbtopf ertrunken

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Deutschland hat gewählt, wollte sich aber nicht entscheiden. Statt einer Lösung für die zerfahrene politische Situation des Landes hat die Wahl Konfusion gebracht. Nur eines ist sicher: Die neue Regierung wird schwach sein.

Kein Zweifel: Die Deutschen haben Gerhard Schröder und seine Regierung abgewählt. Aber für das andere Lager, insbesondere für eine Kanzlerin Merkel, konnten sie sich auch nicht entscheiden. Statt dem Bundestag einen klaren Anstrich zu verpassen, hat das Volk tief in die Farbtöpfe gegriffen: Die "schwarze" CDU hat im Parlament nur einen hauchdünnen Vorsprung vor der "roten", sozialdemokratischen SPD Gerhard Schröders. Gewinner sind die "gelben" Liberalen (FDP), die knapp 10% der Stimmen einfahren. Und auch Grüne und die "dunkelrote" sozialistische Linkspartei kommen beide über 8% und dürfen sich freuen.

Ampel, „Jamaika-Koalition“: Alles ist möglich

Wer wird nun den Kanzler stellen? Da weder das bürgerliche Lager noch die rot-grüne Regierung eine Mehrheit bekommen hat, werden jetzt die Parteien aufeinander zugehen müssen. Die unglaublichsten Farbkombinationen werden diskutiert: Rot-Schwarz, also eine "Elefantenhochzeit" zwischen SPD und CDU ist vorstellbar, aber auch eine "Ampelkoalition" aus SPD, Grünen und FDP. Und man muss nicht dem Konsum weicher Drogen frönen, um von einer "Jamaika-Variante" zu träumen: Schwarz-Grün-Gelb, also CDU, Grüne und FDP hätten eine Mehrheit im Parlament.

Unklar ist auch, wie der nächste deutsche Bundeskanzler heißt. Angela Merkel, die drei Prozent weniger als ihr interner Rivale Edmund Stoiber 2002 eingefahren hat, ist die große Verliererin des gestrigen Abends. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Ministerpräsidenten der CDU Angela Merkel opfern und am Schluss einen neuen Kandidaten präsentieren. Und wenn es zu einer Ampelkoalition kommt, wird der neue Kanzler der alte sein: Gerhard Schröder.

Freude in Ankara

Wohl kaum einer kann sich in Europa über dieses Ergebnis freuen. Tony Blair hatte sich von einer schwarz-gelben Regierung Unterstützung für seine liberalen Visionen von Europa erhofft. Und auch Nicolas Sarkozy, der 2007 französischer Präsident werden will, wird sich grämen. Da er wie Angela Merkel für Einschnitte in den Sozialstaat wirbt, hat er auf einen klaren Wahlsieg Merkels gehofft - vergeblich. Einzig in Ankara wird man sich die Hände reiben. Selbst wenn die CDU tatsächlich den Kanzler stellen sollte, wird sie ihre Bedenken gegenüber einem EU-Beitritt der Türkei nicht in Politik umsetzen können.

Während Europa tief in der Krise steckt, wird eines seiner wichtigsten Länder die nächsten Jahre mit sich selbst beschäftigt sein und der angeschlagenen EU keine neuen Impulse geben können. Zwar plant keine der möglichen Regierungsparteien einen radikalen Kurswechsel in der Europa- und Außenpolitik. Aber von einer instabilen Regierung mit schwachem Kanzler sind auch keine großen Würfe zu erwarten. Die deutschen Wähler waren unentschlossen und werden nun eine unentschlossene Regierung erhalten. Das sind keine guten Nachrichten - weder für Deutschland, noch für Europa.