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Vom Flirt zur festen Bindung

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Europa blickt auf eine lange Geschichte der Kooperation mit Süd-Asien zurück. Doch die Zeit des Werbens ist vorbei. Die Beziehung muss sich weiterentwickeln.

Indien und Pakistan sind sich ihres Potentials wohl bewusst; geduldig bewegen sie ihre Figuren auf dem Schachbrett der internationalen Politik. In Indien erhält ein heterogenes föderales System seit über einem halben Jahrhundert eine stabile Demokratie aufrecht, obwohl diese regelmäßig von radikalen Parteien, regionalen Unstimmigkeiten und rechtsgerichteten Hindu-Fundamentalisten bedroht wird. Die Markwirtschaft hat Wurzeln geschlagen und könnte - nach einer Schätzung der Weltbank - in den nächsten Jahren um jeweils 6 bis 8 % wachsen. Die politische Stabilität scheint also ein Ansporn für den relativen wirtschaftlichen Wohlstand gewesen zu sein, zumindest für die sich entwickelnde Mittelschicht.

Wirtschafts- und Atommacht

Pakistans militärisches Regime war derweil damit beschäftigt, sich selbst an der Macht zu halten, eine essentielle Rolle bei der Befriedung Afghanistans zu spielen und die interne Bedrohung durch radikal-islamische Parteien unter Kontrolle zu halten. Zur Zeit sieht es sich dem Vorwurf ausgesetzt, teilweise verantwortlich für die Verbreitung von Nukleartechnologie zu sein. Sowohl Libyen als auch der Iran und Nord-Korea scheinen die notwendigen Technologien von Pakistan geliefert bekommen zu haben (siehe Artikel von Alberto Comito). Obwohl es unter vielfachen Schwierigkeiten im ethnischen, religiösen und ideologischen Bereichen leidet und Nachbar des politisch instabilen Afghanistans ist, zeigt sich Pakistan bemüht, ein deutliches Gegengewicht zum hegemonialen Einfluss Indiens in Südasiens zu bilden. Und hat im Islam - selbst wenn die Religion seit dem 11. September an Einfluss zu verloren haben scheint - und dem Kaschmir-Konflikt einende Faktoren gefunden.

Dieser Konflikt scheint eine neue Phase erreicht zu haben. Im Februar gab es bilaterale Gespräche, aber es ist wohl zu früh, um auf eine Lösung zu hoffen. Es kann gut sein, dass die Regierung Indiens nur deshalb die diplomatische Karte ausspielt, um Unterstützung für die Parlamentswahlen im April zu erhalten, während General Musharraf noch immer eine Art Geisel des radikalen Teils der Pakistani-Gesellschaft und der Kaschmir-Separatisten ist.

Welche Rolle ist also für die EU vorgesehen? Indien ist heute eine der wichtigsten weltpolitischen Mächte der Region und ist Pakistan weit voraus, wenn es um das Akquirieren ausländischer Investoren und Entwicklungshilfen oder um das Vorantreiben kultureller Verbindungen geht. Indiens Einwohnerzahl ist sieben mal so hoch wie die Pakistans, das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liegt ungefähr 30% höher und im letzten Human Development Index (siehe Link 2) rangiert Indien 17 Plätze über Pakistan. Die guten Beziehungen zwischen Indien und der EU, die durch die Liberalisierung des indischen Marktes 1990 gestärkt wurden, mündeten auf dem Lissabon-Gipfel 2000 in der Übereinkunft, jedes Jahr ein Spitzentreffen abzuhalten. Nur die USA, China und Japan teilen dieses Privileg.

Überzeugungskräfte

Doch obwohl die Kooperation der EU mit Südasien auf eine lange Geschichte zurückblicken kann, steht sie in harter Konkurrenz mit anderen Weltmächten. Russland ist zur Zeit Indiens wichtigster Partner in Verteidigungsfragen; die USA zeigen starke Präsenz in Pakistans Hinterhof Afghanistan, und versuchen gleichzeitig, ihre Verbindungen mit Indien zu stärken. Wenn man sich vor Augen führt, dass Indien mit diesen Weltmächten privilegierte Beziehungen unterhält und dass Indiens Außenpolitik in den vergangenen Jahren dazu neigte, eine Land-für-Land-Annäherung manchmal ohne jede Rücksicht auf die politischen Institutionen in Brüssel zu betreiben, so erscheint einem die Aufgabe der EU extrem erschwert. Darüberhinaus hat die überraschende last-minute-Absenz Silvio Berlusconis während des letzten EU-Indien-Gipfels November 2003 und die Tatsache, dass beide Seiten - insbesondere bei Handelsfragen - subtile diplomatische Bosheiten austauschten dem Anliegen der Union nicht wirklich geholfen.

Aber das Potential ist da, besonders wenn es um die Bildung einer Allianz zwischen der EU und Indien in weltpolitischen Frage geht: beide glauben, dass eine multipolare Welt den internationalen Beziehungen nur Gutes tut und beide sind eifrige Verfechter multilateraler Übereinkünfte und Instrumente wie dem Kyoto-Protokoll sowie Befürworter einer Stärkung der Rolle der UN. Überdies hat Indien die Partnerschaft der USA mit Pakistan während des kalten Krieges nicht vergessen. Die EU gilt deshalb immer noch als bevorzugter diplomatischer Partner.

Die Bedeutung guter Eigenwerbung

Eine Möglichkeit, beide Seiten zusammenzubringen, wäre eine Vertiefung der Interaktion ihrer beider Zivilgesellschaften. Das kontinentale Europa ist sich zum Beispiel erst kürzlich der Wichtigkeit dieser Region gewahr geworden; `Think Tanks` und akademische Institutionen in Frankreich, Belgien, Deutschland und Skandinavien fangen jetzt an, sich auf Südasien zu konzentrieren und fordern damit das angelsächsische Monopol heraus. Außerdem hat, überraschenderweise, jeder EU-Staat sein eigenes Kulturzentrum in Neu-Delhi, manche sogar staatlich finanzierte Forschungsinstitute. Jedoch gibt es einen eklatanten Informationsmangel bezüglich der EU als ganzes. Die Delegation der europäischen Kommission in der indischen Hauptstadt stellt zwar eine offizielle Repräsentanz dar, ist aber weit davon entfernt, den kulturellen Einfluss einer europäischen NGO oder eines EU-Kulturzentrums zu haben.

Auf lange Sicht haben sowohl Indien als auch die EU bei der Stärkung ihrer menschlichen, sozialen und kulturellen Beziehungen viel zu gewinnen. Auf indischer Seite besteht jedenfalls Interesse, wie die große Anzahl an Indern beweist, die eine europäische Sprache lernen. Doch bleibt, wie immer, die Frage offen, ob auf europäischer Seite der Wettbewerb und die Unterschiede zwischen den einzelnen EU-Staaten beiseite gelegt werden können, um Europa zu einem verlässlichen Partner für Südasien zu machen.

Translated from From Flirtation to Commitment