Volvemos: Spanier wollen wieder weg aus Berlin
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Mareike IcklerBerlin hat sich den Titel coolste Stadt Europas errungen. Denn Berlin ist nicht nur die Hauptstadt Deutschlands, sondern auch des Landes mit der niedrigsten Jugendarbeitslosigkeitsquote in der Europäischen Union. Aus diesem Grund haben viele junge Spanier in den letzen Jahren ihre Koffer in Richtung Berlin gepackt, um Arbeit zu finden. Aber nicht alle hatten dabei das gleiche Glück.
Es regnet weiter, als ich die U-Bahn an der Haltestelle Frankfurter Allee verlasse. Die Sonne und die angenehmen Temperaturen, die uns bei unserer Ankunft in Berlin empfangen haben, hielten nicht lange. Ich treffe mich mit Diego Ruiz del Árbol in einem Café in der Nähe des Co-Working-Büros, in dem er arbeitet. Das Wetter sei typisch für April, sagt er. Der 36-jährige Spanier lebt nun schon seit 9 Jahre in der deutschen Hauptstadt und kennt sie wie seine Westentasche.
Während er seinen Kaffee trinkt, erklärt mir Diego, dass Berlin keine einfache Stadt sei. Zu sprachlichen Hürden kommen Probleme bei der Wohnungsuche sowie im schlimmsten Fall die Jobsuche. Unter den vielen jungen Spaniern, die in der deutschen Hauptstadt ankommen, gibt es einige, die nach einer gewissen Zeit beschließen, wieder nach Spanien zurückzukehren. Für sie hat Diego, zusammen mit seinen Partnern Sebastien Sanz und Raúl Gil, die Online-Plattform Volvemos - 'Wir gehen zurück' - gegründet.
Volvemos ist eine „Jobsuchmaschine für Rückkehrer“. Es ist eine Plattform auf der Unternehmen, die Personen mit Sprachkenntnissen und internationalen Erfahrungen suchen, ihre Stellenausschreibungen aufgeben können – perfekt für die Vielzahl der spanischen Emigranten, die genau diesen Anforderungsprofilen entsprechen. In den kaum zwei Monaten seit ihrem Bestehen haben sich bereits 4100 Personen auf der Webseite registriert. „Zwei Personen jede Stunde“, sagt Diego - und 16 Prozent von ihnen leben in Deutschland.
Eine halbe Million junger Spanier leben im Ausland
Konfrontiert mit einer Jugendarbeitslosenquote, die in Spanien über 46 Prozent klettert (die zweithöchste in der EU hinter Griechenland), haben mehr als 525.000 Spanier in den Jahren 2008 bis 2014, im Alter von 18 bis 35 Jahren, die Koffer gepackt, um in ein anderes Land zu ziehen. Das sagen Zahlen des spanischen Nationalen Statistik Instituts (INE). Auch wenn die Anzahl der Auswanderer eigentlich noch höher sein müsste. Denn viele Spanier melden sich nicht offiziell ab, um ihre Gesundheitsversorgung nicht zu verlieren.
„Am Anfang haben wir bemerkt, dass es eine Überrepräsentation der Berufe gab, die besonders von der Krise betroffen waren (Architekten, Journalisten, Grafiker, Krankenpfleger)", erklärt Diego das typische Nutzerprofil der Seite. "Aber mit der Zeit haben sich die Zahlen relativiert. Und mittlerweile haben wir Profile aus allen Bereichen“.
Diego hofft, dass er spanische Emigranten durch Volvemos mit „den nötigen Werkzeugen“ ausstatten kann, damit diese einen Job finden und nach Spanien zurückkehren können. Zusätzlich wollen sie aber auch die folgende „Tatsache sichtbar machen". Nämlich dass "die so genannte 'bestausgebildetste Generation der Geschichte', die sich gezwungen sieht ihr Land zu verlassen, in Wirklichkeit wieder zurück will“.
Warum nach Berlin?
Laut des INE ist die Zahl der jungen Spanier, die in Deutschland leben, seit 2009 um 35 Prozent gestiegen: Bis heute sind es circa 140.000. Viele von ihnen wählen Berlin, aber warum? Für viele Europäer ist Berlin das Epizentrum des Cool. Diego beschreibt mir eine Stadt von Künstlern, urbaner Kultur und Nachtleben. Mir fällt es leicht dies zu bestätigen: Ich muss mich nur ein paar Meter von meinem Hostel entfernen, um verschiedene Pop-up-Stores zu entdecken, zeitgenössische Kunstgalerien und Cafés, in denen Mac-Books und Chai Latte den Raum dominieren.
Berlin zeichnet aber noch eine andere Besonderheit aus: Es ist die Hauptstadt des wirtschaftsstärksten Landes der EU: Deutschlands Jugendarbeitslosenquote liegt bei gerade einmal 7 Prozent, die niedrigste in der gesamten Europäischen Union. Obwohl die Realität in der deutschen Hauptstadt etwas anders aussieht, erklärt Diego: „Viele Leute kommen hierher, ohne sich vorher zu informieren. Die Arbeitslosenzahlen in Berlin sind nämlich vergleichbar mit denen in Spanien“.
Marta (27) lebt seit zehn Monaten in der deutschen Hauptstadt. Sie hatte sich entschieden ins Ausland zu gehen, nachdem sie in Spanien ein Jahr lang vergeblich nach einem Job suchte. Sie entschied sich für Berlin, weil die Stadt „günstiger ist als andere europäische Hauptstädte, wie zum Beispiel London“. Ich kann ihr nur zustimmen, nachdem ich 5 Euro für einen Milchkaffe und ein Stück Kuchen bezahlt habe. Schnell hat Marta jedoch gemerkt, dass sie aufgrund der Sprachbarrieren keinen Job mit Bezug zu ihrem Studium in Business Administration und Management finden wird. Auch in anderen Bereichen wurde sie nicht fündig. „Das schlimmste ist, dass ich mich nutzlos fühle“, beklagt sie. „Ich fand Volvemos und es hat mir neuen Elan gegeben, denn ich habe gesehen, dass Firmen genau diese Auslandserfahrungen schätzen.“
Etwas skeptischer zeigt sich Lilian (36), die die Plattform als zu „ähnlich zu anderen Jobsuchmaschinen“ empfindet und die „ebenfalls keine Garantien bietet“. Sie ist nach Berlin umgezogen, nachdem sie ihren Job als Journalistin in Spanien verlor. Momentan hat sie einen Minijob bei einer Reinigungsfirma. „Das Bild, das wir von Deutschland haben, entspricht nicht der Wahrheit“. Sie ist nicht die erste Spanierin, von der ich diese Worte in Berlin höre. „Diese Minijobs sind höchst prekär und werden nur dazu benutzt, die Arbeitslosenzahlen zu beschönigen“, kritisiert sie vehement. Auf die Frage, ob sie überlegt, wieder zurückzukehren, kommt ein schnelles:“Ja, natürlich“.
Die Rückkehr der Talentierten
Aber in einem stimmen alle Spanier , die ich in Berlin treffe, überein: Spanien lasse „die Talente, die man ausgebildet hat, einfach ziehen“. In vielen Fällen hängt dies vor allem damit zusammen, dass sich die jungen Leute „nicht wertgeschätzt fühlen“. So ist es zum Beispiel für Mireia (22), die sich um ein internationales Promotionsstipendium bewarb, um in einem Labor arbeiten zu können. „In Spanien hatte ich einfach nicht die gleichen Möglichkeiten“, sagt sie.
Als ich sie frage, was fehlt, damit junge Spanier sich entschlössen, nach Spanien zurückzukehren, antwortet sie entschlossen: „Ein Sinneswandel für den Anfang. Die Regierung muss in diesem Punkt aufhören egoistisch zu sein“. Diego stimmt zu und ergänzt eine Beobachtung in Bezug auf spanische Unternehmen: „Wir sehen, dass die Unternehmen den Wert einer Seite wie Volvemos nicht schätzen und für diese nicht bezahlen wollen. Das ist ein Problem für uns, aber noch mehr für die Emigranten, die beabsichtigen nach Spanien zurückzukehren“.
Diego setzt auf einen ambitionierten Plan, um die gut ausgebildeten Emigranten nach Spanien zurückzuholen. Der Plan soll sowohl öffentliche Verwaltungen als auch die spanischen Unternehmen mit einbeziehen. „Was wir ohne deren Unterstützung erreichen können, ist natürlich nicht genug für das Ausmaß des Problems“, erklärt er und warnt: „Es ist wichtig die Debatte voranzutreiben, denn die Ausgewanderten werden nicht um jeden Preis zurückkehren wollen“.
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Dieser Artikel ist Teil unserer Reportagereihe 'EUtoo' 2015 zu 'Europas Enttäuschten', gefördert von der Europäischen Kommission.
Translated from Jóvenes españoles en Berlín: El Dorado fallido