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Völlig losgelöst

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Europa hat auf dem Mars Wasser entdeckt. Doch man sollte sich nicht täuschen: Alleine werden wir den Weltraum nicht erkunden können.

Der 23. Januar war eigentlich ein ganz normaler Wintertag in Europa. Die Kommission lag sich mit den Finanzministern in den Haaren, ein EU-Diplomat verriet den Medien, dass die Außenminister das Waffenembargo gegen China „überdenken“ werden, in Schweden wurde bekannt, dass bald eine „euroskeptische Partei“ gegründet werden sollte. Und das einzige Anzeichen für eine erfolgreiche Osterweiterung war an diesem Tag ein meteorologisches: Über Istanbul tobte ein Schneesturm. Kurz: Europa bot das übliche, triste Szenario an institutionellen Grabenkämpfen, einer verfehlten Außenpolitik und Bürgern, denen die EU immer fremder erscheint.

“Europa darf stolz auf sich sein“

Ganz Europa? Nein. Im unscheinbaren deutschen Örtchen Darmstadt leistete eine Gruppe von Wissenschaftlern Widerstand gegen den tristen EU-Alltag. Am Morgen dieses denkwürdigen Tages traten die Forscher der Europäischen Weltraum Agentur ESA vor die Presse und verkündeten eine wissenschaftliche Sensation: Die Kameras der Raumsonde „Mars-Express“ hätten den ersten wissenschaftlichen Beweis erbracht, dass am Südpol des roten Planeten Wassereis existiert.

Tatsächlich ist diese Entdeckung ein schöner europäischer Erfolg. Das Omega-Spektrometer, das das Wassereis entdeckt hat, wird von dem französischen Forscher Jean-Pierre Bibring betreut; die Hochleistungs-Kamera HRSC, die den gesamten Planeten in den nächsten Jahren photographieren wird, wurde in Deutschland entwickelt. Und der Flugdirektor des Mars-Express, Michael McKay, kommt aus Nordirland. Dass man diese vorbildliche europäische Zusammenarbeit nun politisch vermarkten kann, das hat als erste die deutsche Forschungsministerin Edelgard Buhlmann gemerkt und verkündet: „Europa darf stolz auf sich sein.“

Eine vorbildliche Zusammenarbeit

Ist Europa also auf dem Vormarsch? So manch einen dürfte an diesem 23. Januar das lang ersehnte europäische Ehrgefühl gepackt haben. Ist es doch gerade mal zwei Wochen her, dass George W. Bush ein neues amerikanisches Raumfahrt-Programm angekündigt hat. Und jetzt hat Europa mit seiner ersten eigenständigen Mars-Mission die Amerikaner sogar überholt. Auch das europäische „Galileo-Programm“, das eine Alternative zum GPS gesteuertem Satelliten-System der Amerikaner bietet, beweist die zunehmende Loslösung Europas von den USA. Nach China hat sich nun auch Brasilien entschlossen, bei Galileo einzusteigen. Die Außenpolitiker, die in der EU das Konzept einer multipolaren Weltordnung vertreten, können sich dieser Tage also freuen. Vielleicht kann man den Amerikanern, die einem auf dem Heimatplaneten Erde ständig Ärger bereiten, in den unendlichen Weiten des Weltraums endlich den Schneid abkaufen.

Doch dieser Eindruck täuscht. Denn im Bereich der Raumfahrt hat sich längst eine internationale Zusammenarbeit entwickelt, an der sich die nationalen Regierungen ein Beispiel nehmen könnten. So wurde etwa die Bodenstation „Marsis“ von Italienern und der NASA zusammen entwickelt. Und da nicht nur „Spirit“, sondern auch „Beagle 2“ sich nicht mehr meldet, erhalten die Europäer von dem NASA-Satelliten „Mars Odyssey“ Hilfe. Aber vor allem die Zusammenarbeit an der internationalen Raumstation ISS zeigt, dass die finanziellen und technologischen Anstrengungen, die mit der Erkundung des Weltraums verbunden sind, zu groß sind, als das sie eine Macht alleine stemmen könnte.

Dass fast 600 europäische Wissenschaftlern in der ESA erfolgreich an einem Projekt arbeiten, ist zu begrüßen. Doch man sollte jetzt vor lauter neuem Selbstbewusstsein nicht völlig von der Erde abheben. Denn der Traum, eines Tages Rohstoffe auf dem Mars finden zu können, gehört der ganzen Menschheit. Europa hat auf diesem Weg einen großen Erfolg verzeichnet. Wir sollten ihn mit den anderen teilen.