Voll nice! Berliner Szenesprache
Published on
Kaum erst in Berlin angekommen, lernt man als Zugezogener schnell seine Worte zu wählen. Denn schließlich muss man hier nicht nur zwischen Berlinerisch und zahlreichen Fremdsprachen navigieren, sondern sich auch möglichst schnell mit der Berlin eigenen Szenesprache vertraut machen. Mit diesem kleinen Lexikon an der Hand wird der Start aber nicht ganz so schwer.
Ob man cool ist oder nicht, hängt in Berlin von einem scheinbar unwichtigen Wörtchen ab. Denn es ist neuerdings nicht mehr cool, "cool" zu sagen. Alles, was einem interessant, neuartig oder lobenswert vorkommt, ist jetzt “nice”. Nun könnte man meinen, das hinge mit der stetig wachsenden Zahl englischsprachiger Ausländer zusammen, die Berlin zu ihrer Wahlheimat gemacht haben und sich rein auf Englisch durch Kreuzkölln und Friedrichshain schlagen. Das ist aber eher unwahrscheinlich, lässt sich im Englischen doch keine Renaissance des Wortes “nice” bemerken. Stattdessen hört man das unscheinbare Wörtchen fast ausschließlich aus dem Munde junger Deutscher, denen “cool” wohl zu langweilig geworden ist.
Berlin ist niedlich... oder nicht?
Als Neuankömmling lernt man ebenso schnell, dass die meisten Berliner zwar im Vergleich zu ihren Hauptstadtkollegen in London, New York und Bejing eher wenig zu tun haben, doch wenn geredet wird, soll alles kurz, schnell und griffig sein. Nur Touristen und Uneingeweihte sagen daher Schlesisches Tor, Görlitzer Park oder Kottbusser Tor. Aus dem Munde eines coolen Berliners hört man nur “Schlesi”, “Görli”, “Kotti”. Gleiches gilt für viele andere Worte, die häufig gebraucht und daher verniedlicht werden: Der Spätkauf - an sich schon eine recht seltsame Wortfügung - wird zum “Späti”, die öffentlichen Verkehrsmittel zu den “Öffis” und das allseits beliebte, da billige Sternburger Bier zum “Sterni”. Wer cool sein will, kommt um diese Abkürzungen nicht herum, allerdings sollte man sich hüten, zu viele in einem Satz unterzubringen.
Wer die Sprache der hippen Wahlberliner einmal gemeistert hat, muss sich aber immer noch mit dem fröhlich-dreisten Jargon der “echten” Berliner, deutschlandweit als "Berliner Schnauze" bekannt, herumschlagen. Dass ein Brötchen hier “Schrippe” heißt, haben die meisten von uns wahrscheinlich schon einmal gehört. Auch in die Veränderung vieler Auslautkonsonanten, die “ich” zu “icke”, “was” zu “wat” und “das” zu “dit” werden lässt, kann man sich einhören. Wenn aber Anlaut-G konsequent zu J wird und Verben komplett ausgetauscht werden, brauchen Nichtberliner schon einmal ein paar Wochen, um sich halbwegs zurecht zu finden: “Kiek doch, wo de hinjehst!”
Mein Kiez, dein Kiez, unser Kiez?
Ein weiterer Begriff, der einem in Berlin systematisch ins Gesicht springt, ist der “Kiez”: Was anderswo schlicht “Stadtviertel” heißt, wird in Nordostdeutschland, aber vor allem in Berlin, liebevoll als “mein Kiez” bezeichnet. Früher zählten zu den echten Berliner Kiezen nur wenige Stadtviertel, heutzutage nennt jeder seine Straßenecke mit Späti und Lieblingskneipe einen “Kiez”. Wenn man gerade erst nach Berlin gezogen ist, sollte man den Begriff aber nicht schon nach zwei Tagen verwenden, da das eindeutig nach Möchtegernberlinertum stinkt.
Böse Zungen könnten nun behaupten, dass sich der eigene Coolheitsgrad nicht an der Wortwahl ablesen lasse. Das mag wohl sein, aber in der Berliner Partyszene kann man durch ein falsches Wort trotzdem schnell als Tourist oder Neuberliner abgestempelt werden. Die Aufforderung “komm rum!” bedeutet nicht etwa, dass man jemandem um die Ecke folgen, sondern dass man ihn zu Hause besuchen oder sich einer Party anschließen sollte. Wer als Auftakt zu einer langen Nacht einen “Pfeffi” bestellt, meint damit einen giftgrünen Pfefferminzlikör, und wer noch von Discos anstelle von “Clubs” spricht, wird mit Berlin vielleicht nicht so richtig warm werden. Überhaupt geht man in Berlin niemals “Party machen”, sondern immer nur “feiern”: Denn schließlich geht es dabei nicht um eine aktive Tätigkeit, sondern um den Spaß an der Freude. Und genau deswegen ist Berlin, Sprachbarrieren hin oder her, einfach nur voll nice.