Victoria van Violence: Anti-'Was jetzt genau?'
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So richtig festlegen will sich Victoria (Müller) nicht: Die in Ostdeutschland geborene und nahe Frankfurt aufgewachsene Dame der Schöpfung ist von allem irgendwie ein bisschen: Alternative Model, Moderatorin, Tierrechtsaktivistin, Bloggerin. Ihr Markenzeichen? Grasgrüne Haare, Punk-Allüren und neuerdings das eigene Modelabel 'Vicious Circle Antifashion'.
In deinem Blog sprichst du verschiedene Themen an, die dich bewegen. Das kann ein Besuch mit deinem Hund Bella beim Tierarzt sein oder eben Menstruationstassen.
Ich glaube, 'Menstruationstassen' war mein meistgelesener Beitrag. Ich habe einen Artikel zu TSS gelesen und wie das eigentlich ist, wenn ein Synthetik-Baumwollgemisch an deiner Schleimhaut ist und das über Stunden. Und das, obwohl da ja was ist, das eigentlich raus will aus deinem Körper. Da brauchte ich eine Alternative. Das Thema Menstruation ist ja immer noch für viele schwierig, das finde ich schade. Menstruation bei Frauen wird immer noch totgeschwiegen. Dabei haben wir Frauen es alle, jeden Monat. Die Menstruationstasse kann ich in jedem Fall empfehlen!
Zur Zeit wohnst du in Berlin, du hast auch mal in London gelebt. Welche Bindung hast du zu beiden Städten ?
Ich lebe seit zwei Jahren in Berlin, hier wollte ich schon immer wohnen. Nach London bin ich mit 18 Jahren gegangen, direkt nach der Schule. Ich hatte schon immer eine Affinität zu England, ich hab‘ viele britische Bands gehört. Ich habe relativ früh angefangen Punkmusik zu hören und die kommt ja schließlich von da. Allerdings ist die Punkszene dort doch kleiner als ich gedacht habe, das war ein bisschen enttäuschend. Ich würde sagen, in Berlin ist vom Punk mehr übrig geblieben. Es sind aber auch beides Städte, wo Leute kommen und gehen. In Berlin will ich jetzt aber erstmal bleiben.
Wenn es dich doch nochmal wegtreiben würde aus Deutschland, wo könntest du dir vorstellen zu leben ?
Vor Kurzem war ich in New York. Angenommen ich hätte jetzt ganz viel Geld, dann würde ich wohl mal das Leben in New York testen. Mein Traum ist es irgendwann mal an der Küste zu wohnen, in einem kleinen Cottage, mit meinen Huskies und Lavendel, das ich selbst anbaue. Ganz spießig. Ich bin allerdings momentan noch eher der Großstadttyp. Bisher war ich sogar Naturhasser. Das ändert sich gerade erst, ich bin jetzt 27.
Was sind deine Lieblings-Punkbands?
The Shocks oder auch The Stranglers, ein wenig weg vom Punk auch Blondie. Ich mag Brody Dalle, und Nina Hagen war schon immer mein großes Vorbild. Meine Mutter hat Nina Hagen gehört und so mit 6, 7 Jahren konnte ich schon alles mitsingen. Das war jetzt pädagogisch vielleicht nicht immer so wertvoll, aber egal. Von ihren alten Sachen Ende der 1970er, Anfang 1980er bin ich großer Fan.
Mehr zu Frauen im Punk?
Ich bin generell ein Fan von Frauen in der Bewegung. Vivienne Westwood zum Beispiel. Sie hat ja fast die ganzen Designs für die Sex Pistols gemacht und eigentlich den Punk erfunden, mit Glen Matlock zusammen. Ich finde sie einfach total gut, auch dass sie immer noch Mode mit Message macht, sich für die Umwelt und Menschenrechte einsetzt.
Gibt es ein Thema, das dich zur Zeit besonders bewegt ?
Klar, das Flüchtlingsthema. Es ist schon fast soweit gekommen, dass ich morgens keinen Bock mehr habe Zeitung zu lesen. Die Nachrichten überschlagen sich, es scheint immer krasser zu werden. Am schlimmsten finde ich den Umgang damit. Ich habe schon Tage gehabt in den letzten Wochen, an denen ich gedacht habe "Ich will hier eigentlich gar nicht sein. In einem Land wo bald wieder Flüchtlingsheime angezündet werden." Ich verstehe gar nicht, wo dieser ganze Hass herkommt und dass unsere Gesellschaft mittlerweile da angekommen ist, dass viele Leute meinen sagen zu können "Ich bin ja kein Nazi, aber…". Das war natürlich auch alles schon vorher da, aber über das Internet kann jeder seine Meinung kundtun.
Bist du im Bereich der Flüchtlingshilfe aktiv?
Ich nutze auch hier die Medien. Ich habe Freunde, die sehr viel machen und habe neulich dazu aufgerufen Care-Pakete zu versenden. Ich glaube die Leute sind noch etwas scheu in Bezug auf das Ganze und wissen nicht, wie sie wo mit anpacken können. Auch ich bin noch nicht so aktiv geworden, wie ich gerne möchte. Indirekte Hilfe ist auch immer gut, aber für mich ist es wichtig, einen direkten Eindruck und Kontakt zu haben. Das schafft einfach noch mal ein ganz anderes Bewusstsein. Ich verspüre in letzter Zeit oft sowas wie Weltschmerz, wenn in mir hochkommt, was so alles passiert. Es passiert andererseits aber auch viel Positives.
Wie sehen deine Zukunftspläne aus?
Ich schreibe jetzt erst mal meine Bachelor-Arbeit, ich studiere Anglistik und Germanistik. Dann habe ich wahnsinnig viel vor, möchte mich mehr in manche Themen reinhängen. Im Bereich Tierschutz möchte ich gerne noch aktiver werden. In Los Angeles habe ich ‚Hope for Paws‘ kennengelernt. Die Leute dort vermitteln Straßenhunde und das Ganze wird gefilmt. Auf solchen Wegen nehmen die Leute Probleme eher wahr. Ansonsten plane ich nicht so gerne und möchte einfach nur mein angenehmes Leben weiterleben.
Mit welchem Talent wärst du gern gesegnet?
Singen und Malen. Ich kann einfach nicht singen. Ich habe immer diesen Traum gehabt Sängerin in einer Punkband zu sein, weil ich es so geil finde, wenn Frauen auf der Bühne stehen und den Kerlen in den Arsch treten. Leider wurde mir dieses Talent nicht in die Wiege gelegt, ich kann nicht einmal schreien.
In welcher anderen Zeit hättest du gern gelebt?
Ich schreibe meine Abschlussarbeit zur englischen Romantik. In der Zeit hätte ich gerne gelebt. Die Zeit der Industrialisierung und Aufklärung hat mich schon immer fasziniert. Alle Bereiche, sei es Architektur, Literatur, Politik oder Wissenschaft. Es ist die Zeit, in der sich mehr und mehr Wissenschaften herausgebildet haben. Neurowissenschaften zum Beispiel. Ein neues Bewusstsein konnte entstehen und die ersten Auseinandersetzungen mit Tierrechten kamen auf. Erste Tierschutzgesetze wurden geschrieben - aber auch erste Tierversuche unternommen. Es kamen die Kritiker, wie Jeremy Bentham [wichtiger eng. Sozialreformer des 19 Jh.; Red.]. Die Zeit hat die Grundsteine gelegt, auch für das ganze antiSpe-Ding heute [Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Art; Red.].
Deine Vorstellung von Unglück?
Da habe ich das Bild im Kopf, dass man ganz einsam und alleine ist. Eine Welt ohne Liebe und Empathie, das wäre meine Vorstellung von Unglück. Alles grau und ohne Farben.
Deine Vorstellung von Glück?
Vor allem innere Zufriedenheit. Wenn man mit sich selbst im Reinen ist, dann kann man glücklich sein und das auch zeigen, mit anderen teilen. Der Rest kommt von alleine.
Wenn nicht du selbst, wer wärst du gern ?
Früher wollte ich mal ab und an jemand anderes sein. Meine Mutter hat dann immer gesagt, dass ich vielleicht ein paar schöne Sachen tauschen würde, aber auch alles andere. Heute möchte ich mit niemandem mehr tauschen. Ich kann mit mir selbst zufrieden sein, man kann aus seinem eigenen Leben so wahnsinnig viel machen.
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