Versöhnung durch Engagement - ehemalige Freiwillige der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste berichten
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Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V. wurde 1959 in Berlin gegründet. Die Organisation hat es sich zum Ziel gemacht, Versöhnungsarbeit in den Ländern zu leisten, die unter dem Nationalsozialismus besonders gelitten haben. In den kurz-, mittel- und langfristigen Freiwilligendiensten von ASF engagieren sich jedes Jahr 500 Menschen in elf Ländern Europas, Israel und den USA. Erfahrungsberichte.
„Vor einer gefühlten Ewigkeit, zu einer Zeit, als Banken noch Geld hatten, als Deutschland rot-grün war, direkt nach der Bush-Wiederwahl, in einer komplett fremden Welt also, ging ich zur Schule. Selbst diese schloss man damals erst nach 13 Jahren ab und dieser Abschluss rückte für mich mit Riesenschritten näher. Irgendwie musste also endlich meine Emanzipation beginnen. Doch wie? Mein Bruder hatte unsere Eltern bereits dadurch geschockt, dass er zum Bund ging. Das fiel für mich also flach, aber auch Nazi oder drogensüchtig wollte ich nicht werden. Es blieb somit nur noch die Flucht in ein fremdes Land: Russland! Flugs informierte ich mich über Organisationen, die einen Zivildienst in einem russischsprachigen Land anbieten und kam so zur Aktion Sühnezeichen Friedensdienste. Hinter der religiös angehauchten Hülle versteckte sich tatsächlich eine gut organisierte und sympathische Organisation, die sogar Plätze in einem Behindertenheim in Belarus hatten. Die letzte Diktatur Europas war sogar noch schockender als das Russland des lupenreinen Demokraten Putin. Ab nach Minsk!“
So berichtet Arkadi davon, warum er als Freiwilliger mit Aktion Sühnezeichen Friedensdienste ins Ausland ging. In Weißrussland verbringt er ein schillerndes Jahr mit Überlebenden des Minsker Ghettos, Leukämiepatienten und Kindern, lernt Russisch und kommt den Einheimischen näher.
„Ich wollte die Persönlichkeiten kennenlernen, die hinter den Zahlen stehen, die man oft im Geschichtsunterricht lernt.“ Johannes Hering geht 2007 für ein Jahr mit ASF ins polnische Łódź und arbeitet dort mit ehemaligen Konzentrationslagerhäftlingen in der offenen Altenarbeit. Er fährt dort Essen aus, besucht die alten Menschen zu Hause, hilft ihnen im Haushalt oder beim Einkaufen. Manchmal ist es auch nur wichtig, für sie da zu sein, ihnen zuzuhören, sich mit ihnen zu unterhalten. Besonders ist er davon beeindruckt, dass die meisten Überlebenden ihn trotz der schlimmen Erfahrungen, die sie mit Deutschen gemacht haben, sehr herzlich aufnehmen.
Auch Lea möchte unbedingt einen Freiwilligendienst in Osteuropa absolvieren. Sie wählt ein Kombinationsprojekt in Lublin aus, bei dem sie vier Tage die Woche in einer Behindertenwerkstatt arbeitet und einen Tag die Woche Holocaustüberlebende unterstützt. „Überraschenderweise habe ich die Gegenwart der NS- Geschichte viel deutlicher bei Miedzy Nami als bei Pani Ewa gespürt. Pani Ewa hat zwar hin und wieder etwas erzählt, aber es waren Dinge aus der Vergangenheit. [...] Bei Miedzy Nami hingegen gab es zum Beispiel eine Zeit, in der die Jungen aus der Tischlerei sehr häufig den Hitlergruß machten oder zu Befehl sagten und stramm standen, wenn ich sie zu etwas aufforderte. Die Initiative dazu ging von einem der Teilnehmer aus. Die anderen waren sich, glaube ich, gar nicht bewusst, was sie da taten,“ berichtet sie.
David Moock, der 2005/06 ein Jahr in Jerusalem verbracht hat und dort sowohl Betreuungsarbeit im Altenheim als auch Archivarbeit geleistet hat, beschreibt seine Erfahrungen so: „Das erste Mal alleine in einem fremden Land leben und mit einer anderen Kultur und Sprache konfrontiert sein, war eine sehr wichtige und prägende Erfahrung für mich. Die Arbeit im Altenheim erforderte viel soziales Feingefühl und das Leben in einer Konfliktregion war auch eine sehr ungewöhnliche Erfahrung für mich.“
Zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar organisiert ASF Events in Berlin und Dresden.