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Verhöhnung der Wähler

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Der europäische Wahlkampf erschöpft sich in nationaler Polemik und Phrasendrescherei. Die Chance, die EU den Bürgern näher zu bringen, wurde wieder einmal verspielt.

In Wahlkämpfen wird politisiert, vereinfacht und gepokert. Das sind wir gewohnt. Dass auf Wahlplakaten das gesamte Wahlprogramm mit vier leeren Worten, wie „Besser für das Land“ zusammengefasst wird, wundert uns auch nicht mehr großartig. Bei der Wahl um das Europäische Parlament wird diese Vereinfachung um ein Vielfaches übertroffen. Doch während dem Wahlvolk bei nationalen Wahlen klar gemacht wird, was es wählt, nämlich das Parlament, und welche Partei es dort bitteschön hineinwählen soll, fehlt im Wahlkampf um das Europäische Parlament sogar oft diese Information. „Europawahl“ heißt es schlicht. Klingt gut, führt allerdings nicht unbedingt dazu, das Europaparlament bekannter zu machen, geschweige denn dazu, zu verdeutlichen, dass die Europäische Union sich aus mehreren Institutionen zusammensetzt. Es wird nämlich nicht einfach über die EU als Ganze abgestimmt. Nun mag man einräumen, dass es sich bei einem Wahlkampf nicht um eine „EU-Aufklärungskampagne“ handeln muss. Aber welcher Zeitpunkt wäre besser geeignet als dieser?

Verschleierung statt Aufklärung

Die Wahl zum Europäischen Parlament ist eine einmalige Gelegenheit, eine europäische Öffentlichkeit zu schaffen. Innerhalb von drei Tagen wählen Menschen in 25 Ländern ihre Vertreter in ein und dasselbe hohe Haus. Doch anstatt europäische Interessen zu formulieren, betreiben viele Parteien in Europa einen nationalen Wahlkampf. Sie führen eine Kampagne, die bewusst verschleiert, worum es eigentlich geht. Sie instrumentalisieren die Wahl zum Europaparlament, um national zu punkten.

Da wird gegen die Regierung gewettert und auf nationale Belange gepocht. Die CDU stellt Menschen vor die Kamera, die angeblich wegen der schlechten rot-grünen Regierungspolitik ihren Arbeitsplatz verloren haben. Dass die Parteien im Europäischen Parlament nicht über Arbeitsmarktreformen und nationale Regierungen abstimmen werden, fällt dabei unter den Tisch. Von Europa kein Wort. Wofür die spanischen Sozialdemokraten (PSOE) ins Europäische Parlament ziehen wollen wird auch nicht deutlich. „Nos gusta Europa“ bekennen sie auf ihren Plakaten. Aber inhaltliche Bekenntnisse sucht man vergebens. Verbraucherschutz? Verkehr? Verfassung? Nur die Grünen haben eine europäische Kandidatenliste. Bei anderen Parteien taucht nicht einmal der Verweis auf die Zusammenarbeit in der europäischen Fraktion auf.

Die Bürger wollen und sollen informiert werden. Es geht darum die Akzeptanz für die Europäische Union zu stärken und eine aufgeklärte und kritische Öffentlichkeit zu schaffen. Aber jede Partei weiß: Jede Stimme zählt, unabhängig davon, wie mündig sie abgegeben wurde. Die Bürger in Europa vermissen die Nähe zur europäischen Politik und wünschen sich mehr Transparenz. Doch diese Art Wahlkampf steht dem nicht nur entgegen, sondern bewirkt bewusst das Gegenteil. Wenn es Gründe gibt, an der Wahl für das Europäische Parlament teilzunehmen, dann sollten diese deutlich herausgestellt werden. Wenn es Gründe gibt, diese oder jene Partei in das Europäische Parlament zu wählen, dann sind das europäische Gründe.