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Verdacht auf Fälschung im Iran

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Islam in Europa

''Wenn Ahmadinejad tatsächlich auf 62 Prozent der Stimmen gekommen sein sollte, würde dies bedeuten, dass er nicht allein von der städtischen Unterschicht und der ländlichen Bevölkerung gewählt worden ist, sondern auch ein Großteil der jungen Generation und der gebildeten Mittelschicht für sich gewonnen hat. Dies ist kaum vorstellbar.'' Sonntag, den 14.

Juni 2009

Irans Präsident Ahmadinejad ist kein MullahNach offiziellen Angaben hat der Amtsinhaber Mahmud Ahmadinejad die iranischen Präsidentschaftswahlen bereits in der ersten Runde mit einer deutlichen Mehrheit von 62 Prozent gewonnen. Sein schärfster Konkurrent, der reformorientierte frühere Premierminister Mir Hossein Mussavi, kam lediglich auf 33 Prozent. Die Wahlbeteiligung erreichte 85 Prozent und lag damit nur wenig unter der Rekordbeteiligung von 88 Prozent bei den Wahlen 1997, als der Reformer Mohammad Khatami gewählt wurde.

Angesichts eines solchen Ergebnisses liegt der Verdacht auf Fälschungen nahe. Schon am Wahltag beklagte die Partei Mussavis zahlreiche Unregelmäßigkeiten und nach der überraschend frühzeitigen Bekanntgabe der Ergebnisse kam es zu Protesten seiner Anhänger, die sich um ihren Sieg betrogen fühlten. Schon immer hat es bei iranischen Wahlen Fälschungen gegeben, doch waren diese bisher nie wahlentscheidend, da die Konservativen andere Mittel hatten, das Ergebnis in ihrem Sinne zu beeinflussen.

Womöglich reichten die üblichen Eingriffe nicht aus

Abgesehen von der Wahl 1997, bei der die Konservativen den Appeal Khatamis unterschätzt hatten, hatten sie es stets verstanden, schon im Vorfeld durch den Ausschluss unliebsamer Kandidaten und durch die Kontrolle der staatlichen Medien ihrem Kandidaten zum Sieg zu verhelfen. Diese Taktik verfolgten sie auch diesmal: So wurde im Vorfeld die große Mehrheit der Kandidaten durch den konservativen Wächterrat von der Liste gestrichen und bei der Zuteilung der Fernsehzeit wurden die Herausforderer Ahmadinejads benachteiligt.

Womöglich reichten diese Mittel aber nicht aus, um Ahmadinejad den Sieg zu sichern, so dass sich die Konservativen genötigt sahen, unmittelbar in den Wahlvorgang einzugreifen, um eine Niederlage ihres Kandidaten abzuwehren. Für diese These einer massiven Manipulation der Wahl spricht neben den konstatierten Unregelmäßigkeiten, dass Ahmadinejad bei einem fairen und freien Ablauf der Wahlen einen Großteil der sonst Mussavi zugerechneten Wähler für sich gewonnen haben müsste.

Eigentlich ist Mussavi der Kandidat der Mittelschicht

Denn um bei einer Rekordbeteiligung von 85 Prozent auf einen Stimmanteil von 62 Prozent zu kommen – 2005 gelang es ihm trotz einer weit niedrigeren Wahlbeteiligung erst in der zweiten Runde, eine Mehrheit zu erringen – kann Ahmadinejad nicht allein von der benachteiligten städtischen Unterschicht und der traditionellen ländlichen Bevölkerung, die bisher zu seiner Stammwählerschaft gerechnet wurden, gewählt worden sein, sondern hätte auch von der jungen gebildeten Mittelschicht zahlreiche Stimmen erhalten haben müssen.

Diese Gruppe gilt aber politisch moderaten und kulturell liberalen Kandidaten zugeneigt – Kandidaten wie Mussavi eben, der mit dem Versprechen einer gesellschaftlichen Öffnung und einer politischen Entspannung angetreten war, und der durch die Präsenz seiner Gattin, der früheren Universitätsrektorin Zahra Rahnavard, an seiner Seite im Wahlkampf seiner Forderung nach mehr Rechten für Frauen Glaubwürdigkeit verliehen hatte.

Dass die junge, gebildete, städtische Mittelschicht im Gegensatz zu 2005, als sich viele nach dem Scheitern ihres Hoffnungsträgers Khatami ihrer Stimme enthalten hatte, nun zu den Urnen strömen, um ausgerechnet den Hardliner Ahmadinejad zu wählen, ist schwer vorstellbar. Zwar hat er sich im Gegensatz zu seinen elitären Amtsvorgängern ernsthaft um zuvor vernachlässigte Belange der Bevölkerung gekümmert und die sprudelnden Erdöleinnahmen großzügig unter das Volk gebracht.

Ahmadinejads politische Bilanz ist bestenfalls ambivalent

Doch hat diese Politik am Ende vor allem die Inflation angeheizt, indessen die dringend notwendigen (Auslands-)Investitionen in die Wirtschaft zu kurz kamen. Grund dafür war auch die Verschärfung der Sanktionen infolge seiner harten Haltung im Atomkonflikt sowie seiner Angriffe auf Israel und seiner Leugnung des Holocaust. Auch wenn eine selbstbewusste Außenpolitik im Iran grundsätzlich gut ankommt, hat seine unnötig konfrontative Rhetorik viele abgestoßen, die mit Sorge sahen, wie das Ansehen ihres Landes im Westen abstürzte.

Die Bilanz seiner Wirtschaftspolitik spricht kaum für Ahmadinejad und auch seine Außenpolitik können allenfalls hartnäckige Revolutionsanhänger für einen Erfolg halten. Im Innern hat er es zwar nur bedingt geschafft, die Freiheiten rückgängig zu machen, die sich die Gesellschaft unter Khatami erobert hatte, nichtsdestotrotz hat er versucht, die Sittenvorschriften wieder härter durchzusetzen, was ihm unter der westlich orientierten Jugend kaum Freunde gemacht haben kann.

Kein Hoffnungsträger, aber eine gute Alternative

Sicher, der graue, spröde und weitgehend unbekannte Mussavi war kein Hoffnungsträger wie einst der charismatische Khatami, der mit seinem Versprechen nach Öffnung, Freiheit, Pluralismus und der Zulassung einer Zivilgesellschaft sowie nicht zuletzt dank einer effektiven Wahlkampagne die Stimmen der Frauen, der Jugend und der ethnischen und religiösen Minderheiten hatte auf sich vereinen können. Im Vergleich zu Khatami erschien Mussavi eher als Notlösung.

Angesichts der reaktionären Innenpolitik, der provokanten Außenpolitik und der populistischen Wirtschaftspolitik Ahmadinejads konnte man ihn dennoch für eine gute Alternative halten, war von ihm doch immerhin eine Stabilisierung der Wirtschaft, eine Normalisierung mit dem Westen und eine gewisse Liberalisierung der Gesellschaft zu erwarten – alles Dinge, die der Mittelschicht am Herzen liegen. Dass Ahmadinejad daher die Wahlen im fairen und freien Wettkampf ganz ohne Fälschungen gewonnen haben soll, ist schwer vorstellbar.