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Vatikan: Gestatten - Papst "Greenwashing" Benedikt!

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Katha Kloss

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Hat Papa Ratzinger tatsächlich einen grünen Daumen? Seit mehreren Jahren nun schon engagiert sich Papst Benedikt XVI. im Namen des globalen Umweltschutzes, was ihm den Beinamen „grüner Papst“ eingebracht hat. Zu Recht?

Wie immer drängeln sich auch an diesem Morgen tausende Touristen auf dem Petersplatz in Rom. Am Abend werden sie Erinnerungen an die Sixtinische Kapelle, einen Mini-Gipspapst aus einem der Souvenirshops oder die gerade erst erschienene zweite Auflage des neuen Papst-Schmökers Jesus von Nazareth mit nach Hause nehmen. Und sie werden höchstwahrscheinlich eine Menge Müll im Vatikan zurücklassen. Doch aus diesem und vielen anderen Umweltproblemen hat Papst Benedikt XVI. eine Tugend gemacht - was ihm den Beinamen „der grüne Papst“ eingebracht hat.

Und dafür hat man sich kräftig ins (Grün)Zeug gelegt. Trommelwirbel: Der Vatikan verteidigt den Titel des ersten kohlenstoffneutralen souveränen Staates der Welt. So stand es zumindest in den Medien. Um die Öko-Bilanz des kleinen Staates aufzupolieren, hatte die ungarische Firma KlimaFa dem Vatikan 125.000 Bäume für ein Bewaldungsprojekt in Ungarn geschenkt. Doch die Pflanzarbeiten, die eigentlich 2010 beginnen sollten, lassen bis heute auf sich warten.

„Seien wir mal ehrlich, der Vatikan ist ein Mini-Staat, wo man nicht schneller als 30 km/h fahren darf. Ein Kinderspiel also“, entschärft auch der junge Vatikanist und Autor des Buches Propaganda fide R. E. Un intrigo clerical vip (2010), Andrea Gagliarducci, den selbstpropagierten Weltrekord des Heiligen Stuhls. Der bekennende Vatikan-Liebhaber, der regelmäßig an seinem Blog mondayvatican.com bastelt, nimmt uns an einen loungigen Ort mit quadratisch-weißen Designsesseln mit - die Rome Video Book Bar in der Borgo Pio - nur einen Katzensprung vom Petersplatz entfernt. „Ich komme gern hierher, weil man hier nicht auf Kollegen oder Priester trifft“, gibt sich Gagliarducci geheimnistuerisch. Er trägt ein kleines Holzkreuz an einem Lederband um den Hals.

„Viele reden vom Vatikan, als sei er einer der mächtigsten Staaten der Welt. Doch das stimmt nicht“, gibt uns Andrea zu verstehen, als wir ihn in Bezug auf das grüne Engagement des Vatikans befragen. Sein politischer Einfluss ist gering. „Er hat aber großen moralischen Einfluss auf seine weltweit eine Milliarde Gläubigen: Wenn der Papst eine Botschaft an die Welt sendet, können die Menschen entscheiden, ob sie daran glauben wollen oder nicht. Aber grundsätzlich ist man ja nie mit der Meinung seines Chefs einverstanden. Und trotzdem hört man darauf, was er sagt. Darin liegt die wahre Macht des Papstes.“

Wird der Papst Veganer?

So sieht also gute PR made in Vatikan aus! Gagliarducci schüttelt entschieden den Kopf: „Nein, das kann man nicht als PR bezeichnen, in der Bibel steht geschrieben, dass du die Schöpfung respektieren sollst, das fängt bei der Genese an und endet mit Kyoto und Kopenhagen.“

Den Papst des simplen Greenwashings zu bezichtigen wäre tatsächlich zu einseitig. Immerhin wurde 2008 eine riesige Photovoltaik-Anlage auf der päpstlichen Audienzhalle installiert, die Solarstrom für 100 Haushalte produziert. Im Norden von Rom, in Santa Maria di Galeria, will der Vatikan ab 2014 zudem die größte Solaranlage Europas betreiben. Und der neueste Clou? Der Papst möchte demnächst gern in einem elektrischen Papa-Mobil winkend durch katholische Pilgermassen cruisen.

Doch wie weit reicht das Engagement im Namen der Umwelt von Benedikt XVI. tatsächlich? In Ordnung, der Mensch sei moralisch verpflichtet die Schöpfung zu schützen, um den Frieden auf der Welt zu fördern, so die offizielle Botschaft an seine Schäfchen. Aber wird Papa Ratzinger morgen eine grüne Kappe tragen, ähnlich wie das Logo einer bekannten Fastfoodkette dem Trend entsprechend kürzlich von rot zu grün wechselte? Oder vertreibt der Vatikan in Zukunft klimaneutrale Fairtrade-Kondome in Afrika? Fraglich!

Der Umweltschutz ist mit dem Pontifikat von Benedikt XVI. zu einer Art Markenzeichen der Città del Vaticano geworden

Wikileaks - das grüne Image der Vatikanmauern bröckelt

In naher Vergangenheit köchelte die Debatte um den 'grünen Papst' erneut hoch, als die Enthüllungsplattform Wikileaks das Öko-Image des Vatikans mit brisanten Botschaftskabeln in Frage stellte. Die als 'confidential' eingestufte Depesche «'Grüner' Papst unterstützt US-Linie in Kopenhagen» beispielsweise geht freilich oberflächlich auf die Zustimmung des Heiligen Stuhls ein, andere Länder diskret im Sinne der USA für den Kopenhagen-Prozess beworben zu haben. Aus einer weiteren Depesche geht hervor, dass die US-Regierung schon seit geraumer Zeit versuche, den Vatikan vom Nutzen grüner Gentechnik zu überzeugen. Eine GVO-Empfehlung (natürlich gegen den Hunger in der Welt!) vom Papst persönlich?

„Die Wikileaks-Kabel waren schlecht recherchiert“, kritisiert Gagliarducci. „Mal ehrlich, das sind die Dinge, die man auf Cocktailpartys hört. Das hat nichts damit zu tun, dass der Vatikan der Strategie von Monsanto folgt.“ In einer wie leergefegten La Stampa-Redaktion in Wochenendbereitschaft holen wir den Vatikanisten der italienischen Tageszeitung, Giacomo Galeazzi, auf einen Kaffee und Plausch über den grünen Papst ab. „Natürlich gibt es viele Widersprüche“, kommentiert Galeazzi die GVO-Debatte. „Die Katholische Kirche wird von Menschen geführt. Und wir haben viele Bücher über ihre Fehler geschrieben. Wir haben diese Redensart hier in Italien: 'Fa' quello che il prete dice, non quello che il prete fa' (Macht, was die Priester predigen, nicht was die Priester machen).

Trotz alledem habe die Katholische Kirche mit gutem Beispiel voranzugehen. „Das Problem ist, dass sie immer drei oder vier verschiedene Meinungen gleichzeitig vertreten. Als der Papst in Afrika war, hat er sich gegen Genetisch Veränderte Organismen ausgesprochen, dann hat die Päpstliche Wissenschaftsakademie deren Nutzung befürwortet.“

Aquafredda: Raus mit den Bio-Bauern

Szenenwechsel. Vor dem Ausgang der Vatikanischen Museen verteilt eine kleine Gruppe Menschen Flyer an Passanten. Die Bio-Bauern des Naturschutz-Parks Tenuta dell‘Aquafredda, die dort seit mehreren Generationen lokal Gemüse anbauen, und einige Vertreter von Umweltschutzorganisationen sind gekommen, um ihre Wut zu äußern. Denn der Park, dessen Liegenschaften dem Vatikan gehören, soll geräumt werden. Die Affäre um Aquafredda, dessen Gelände für ein Bauprojekt der Stadt Rom vorgesehen ist, zieht sich bereits seit 1992 in die Länge.

Am 7. April sollen nun 4 der 10 Familien „sprichwörtlich vor die Tür gesetzt werden“, erklärt der Aquafredda-Sprecher Fulvio Albanese. „Die Bauern hatten einen guten Draht zum Vatikan, allesamt Katholiken! Das sind ehrliche Leute. Sie haben sogar die Januarmiete bezahlt, obwohl sie wussten, dass man sie rausschmeißen würde.“ Ob der grüne Papst hinter den dicken Vatikanmauern davon weiß, dass man den Bio-Bauern von Aquafredda die rote Karte zeigt?

„Auch er ist nur ein Mensch und macht Fehler. Der Papst ist nicht fehlbar, nur weil er im Namen Gottes spricht. Sein theologischer Diskurs ist weit von konkreten Dingen wie Biotreibstoff oder Agrogentechnik entfernt“, erläutert Andrea Gagliarducci die Haltung des Papstes. Davon können sicherlich auch die Anwohner von Aquafredda ein Liedchen singen. Die Demonstranten und den Vatikan trennt heute nicht nur eine Mauer, sondern Welten.

Dieser Artikel ist Teil unseres Reportageprojekts 2010-2011 Green Europe on the ground!

Illustrationen: Foto Homepage Petersplatz (cc)Gianni Dominici/flickr; Grüner Papst (cc)Catholic Church/flickr; Vatikanische Museen ©Nikolas Konstantin; Videos: Weltfriedenstag (cc)Rome Reports/YouTube; Aquafredda (cc)verdiwebTV/YouTube

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