US Radar in Tschechien - die Rückkehr des Kalten Krieges
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Malte ArhelgerAls Teil des amerikanischen Raketenschildes könnte bald eine Radarstation in der Nähe Prags errichtet werden. Aber die Rechnung wurde bislang ohne den Widerstand der Anwohner und Nachbarstaaten gemacht.
"Ich bin gegen die Radarstation", erklärt Michal, ein 21-jähriger Wirtschaftsstudent. "Ich sehe es nicht gerne, wenn die Amerikaner in unserem Land herumschnüffeln. Wir wollen keine ausländischen Soldaten auf unserem Boden und haben im letzten Jahrhundert genug unter Fremdbesetzungen gelitten." Seine Kommilitonen sind nicht unbedingt einer Meinung mit Michal. "Die Amerikaner haben der Tschechischen Republik viel geholfen, da ist es selbstverständlich sich jetzt zu revanchieren", findet der 22 Jahre alte Thomas. Für Ondra (22) sind die USA ebenfalls ein privilegierter Partner: "Sie sind das einzige Land, das für die Verteidigung der Demokratie in der Welt garantieren kann. Wir haben kein besonderes Vertrauen in Europa, seit uns Frankreich und Großbritannien mit den Münchner Vertägen 1938 an Hitler ausgeliefert haben." Die drei Studenten diskutieren in einer Bar im Zentrum der tschechischen Hauptstadt. Umfragen zufolge lehnen beinahe zwei Drittel der tschechischen Bevölkerung den Bau der amerikanischen Radarstation ab.
Demonstration gegen die Militärbasis Ende März 2008 in Prag (Foto: ©Sandra Wickert)
Verfahrene Situation
Die Vereinigten Staaten versuchen ihren Raketenschutzschild mit der Stationierung eines Radarstützpunktes in der Tschechischen Republik und einer Raketenabschussrampe in Polen zu vervollständigen. Ziel soll es sein, sich gegen feindliche Raketenangriffe, allen voran aus dem Iran, zu schützen. Die tschechische Regierung ist in der Frage mindestens ebenso gespalten wie die Bevölkerung. Die demokratische Bürgerpartei (ODS, konservativ) hat dem Vorhaben ihre Unterstützung zugesichert. Die Grünen lehnen den Radar ab, Abgeordnete der Christdemokraten (KDU-CSL) sind unentschieden. Die Sozialdemokraten (CSSD) sind als größte Oppositionspartei eindeutig gegen den Bau und fordern eine Volksabstimmung zum Thema.
Zugleich wähnt sich Russland als Opfer US-amerikanischer Spionage. Man gibt sich verschlossen, nimmt Testflüge von Langstreckenbombern wieder auf und droht damit, aus dem Vertrag zur Zerstörung der Mittel- und Kurzstreckenraketen auszusteigen, der 1987 von Reagan und Gorbatschow unterzeichnet wurde. In Europa üben sich die politischen Eliten in vornehmer Zurückhaltung, während die zentraleuropäischen Mitgliedsstaaten ihre militärischen Beziehungen zu den USA ausbauen. Man hofft wohl auf eine Integration des Schutzschildes in den NATO-Vertrag um die bittere Pille leichter zu schlucken.
Tonda, 27, ist Jurastudent und Sprecher der Jungen Sozialdemokraten. Für ihn besteht kein Zweifel: "Wir glauben nicht, dass ein solcher Abwehrschild gegen den Iran oder Nordkorea eingesetzt werden soll, wie uns die Regierung glauben machen möchte. Denn das einzige Land, das über entsprechende Raketentechnologie verfügt, ist Russland." Ein Referendum müsse her. Denn zu viel stehe auf dem Spiel: "Die Radarstationen in Polen und der Tschechischen Republik werden zu einem Anstieg der Spannungen zwischen Russland und den Vereinigten Staaten führen. Wir möchten uns nicht schon wieder zwischen den Fronten eines kalten Krieges wiederfinden!"
Betretene Politiker
Im Verteidigungsministerium fällt es derzeit nicht leicht, ausländische Journalisten zu überzeugen. Janem Pejskem, Chef des Pressedienstes, versichert, dass die zwei mit den USA ausgehandelten Verträge (einer über die Radarbasis selbst, einer über die Stationierungsbedingungen der amerikanischen Soldaten) dem Parlament vorgelegt würden. Man sei sich eventueller rechtlicher Konflikte bewusst, die durch die Stationierung der 200 amerikanischen Soldaten entstehen können.
Welches Ziel verfolgt der Bau der Basis? "Den Schutz Europas gegen Langstreckenraketen" - eine wohlwollende Antwort, die jedoch nicht erklärt, weshalb Europa in dem Projekt keine Rolle zugewiesen wird. Schließlich räumt er ein, dass die Unterstützung für das Projekt nur bedingt gegeben ist und dass sich sogar viele Verbündete gegen die Stationierung weigern.
Graffiti an Prager Hauswand: Yankees & Radar go home! (Foto: ©Anton de Young/flickr)
Was Russland betrifft, ist die diplomatische Situation für die Tschechen noch komplizierter. Um Putin zu beruhigen, dass sich das Projekt nicht gegen Russland richte, haben die USA angeboten, dass russische Offiziere den Stützpunkt ab und zu besichtigen dürfen. Diese Lösung können die Tschechen allerdings nicht akzeptieren, die sich nach Jahrzehnten der Besatzung weigern auch nur einem einzigen russischen Soldaten Zutritt zu tschechischem Terrain zu gestatten. "Eine sehr kniffelige Frage", gibt Janem Pejskem zu. Sollten die Verträge vom Parlament gebilligt werden, begännen die Bauarbeiten 2009 und würden bis spätestens 2012 abgeschlossen.
Ein Dorf leistet unbeugsamen Widerstand
Eingang zum Militärstützpunkt: in drei Jahren wird der Wald verschwunden sein (Foto: ©Agnès Baritou)
In Richtung Brdy, 90 Kilometer entfernt von Prag. Ein Graffiti "USA Terroristen" warnt vor der eindeutigen Stimmung. Vierhundert Meter von dem Wald entfernt, an dem die amerikanische Militärbasis beginnt, auf der der Radar errichtet werden soll, kämpft das kleine Dorf Trokavec gegen die enorme Maschinerie, die droht, das Idyll zu zerstören. Jan Neoral ist mit seinen 66 Jahren ein lebhafter Bürgermeister, der nicht vorhat, sich der Regierung zu beugen. Die Lügen der Regierung seien aufgedeckt: Die Größe der Basis würde von zwei auf 400 Hektar anwachsen - am Vortag habe der Verteidigungsminister die benötigte Fläche jedoch auf nur 200 geschätzt. Gleiches beim Energieverbrauch des Radars, der von anfänglich 170 Kilowatt auf 10 Megawatt beziffert wird. Die emittierten Radarwellen würden mit 200 Gigawatt stark genug sein, um den Radioempfang zu stören.
Das Ergebnis: Anstieg der Krebsraten, von Leukämie, Verschlechterung der Wasserqualität, negative Folgen für Fauna und Flora. Aber die Befürchtungen des Bürgermeisters gehen hierüber hinaus. Der Radar mache aus der Region eine Zielscheibe: "Wenn der Krieg zurückkommt, was würde als erstes zerstört? Die Radarbasis. Eine einzige Atombombe auf den Radar und die Tschechische Republik gibt es nicht mehr." Zusammen mit anderen Bürgermeistern währt sich Jan Neoral gegen das amerikanische Projekt. Er steht mit amerikanischen Forschern in Kontakt und ist bereits bis Brüssel zum europäischen Parlament gefahren. Er macht Druck, dass tschechische Abgeordnete gegen das Projekt stimmen. Sein Fazit: "Der General Obering, verantwortlich für die US Missile Defense Agency hat sich vor dem Europäischen Parlament gerechtfertigt, es sei besser die Raketen in der Stratosphäre zu zerstören, als in der Stadt. Er hätte noch sagen sollen, dass seine Stratosphäre Europa ist und seine Stadt die Vereinigten Staaten."
Dieses offizielle Dokument von General Obering, Verantwortlicher für die US Missile Defense Agency, analysiert die Rolle der Stützpunkte in Polen und Tschechien für das Abfangen und die Zerstörung einer aus Iran abgeschossenen Rakete. (Foto: ©US Missile Defense Agency)
Danke an Ondej Dank.
Translated from Retour de la guerre froide sur le sol tchèque