Urlaubsgrüße aus Albanien
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uta wassmuthPostkarte aus einem verkannten islamischen Land im Herzen des europäischen Kontinents, das sich langsam der EU annähert. Bereiten wir den Klischees ein Ende.
Albanien, ein kleines, gebirgiges Land mit 3,3 Millionen Einwohnern und einer Fläche von weniger als 30000 km², geprägt von Landwirtschaft und Viehzucht, umgeben von Lagunen, grenzt an das Adriatische Meer, Montenegro, Kosovo, Mazedonien und Griechenland.
Lange mussten die Albaner warten. Hervorgegangen aus dem Volk der Illyrer, von Alexander dem Großen unterworfen, christianisiert, von den Slawen überfallen, wurde Albanien zunächst von Karl von Anjou annektiert, der sich 1272 als „Rex Albaniae" - König Albaniens – ausrufen ließ. 1343 wurde es von den Serben unter der Führung von Stephan Dušan unterworfen, denen nur kurze Zeit später das Osmanische Reich folgte. Es dauerte bis 1912, bis Albanien seine Unabhängigkeit und die nationale Einheit erklären konnte.
Stalinistisches Regime
96% der Bevölkerung Albaniens sind albanischer Abstammung, 4% haben griechische oder slawische Wurzeln. 70% sind Muslime, vorwiegend Sunniten. Der Rest unterteilt sich in Katholiken (im Norden) und Orthodoxe. Überlagert werden diese Zahlen vom Traum eines Großalbanien, schließen die Grenzen von 1913 doch eine beträchtliche Zahl albanischer Muttersprachler in Griechenland, Mazedonien und Serbien aus.
1912 befreit sich Albanien von der türkischen Herrschaft. Von den Siegern des Ersten Weltkriegs im Abkommen von London aufgeteilt, wird es 1920 schließlich – in den Grenzen von 1913 – in den Völkerbund aufgenommen. In den Jahren 1939 bis 1944 befindet es sich unter italienischer Besatzung. Unter der drakonischen Führung Enver Hoxhas formiert sich der Widerstand. Hoxhas Herrschaft entwickelt sich zu einer strengen Diktatur. Von 1945 bis 1985 zwingt er sein Land in ein stalinistisch-orthodoxes Regime: abgeschottet und wirtschaftlich autark, geht Albanien eine Verbindung mit China ein, die scheitert und das Land in noch größerer Isolation zurücklässt.
1990 wächst der in der Bevölkerung der Widerstand gegen das Regime. Am 11. Juni 1991 sehen sich Hoxhas Nachfolger gezwungen, der Bildung einer Regierung zur „nationalen Stabilisierung“ zuzustimmen. Seither rührt Albaniens zweifelhafter Ruhm weniger aus seiner Vergangenheit als repressivstes Regime diesseitig des Schwarzen Meers, sondern aus seinem Ruf als Hochburg eines der schrecklichsten Mafiaverbände der Gegend. Trotzdem war Albanien uns, Europa, der Mitgliedschaft in der Europäischen Union, nie so nahe wie heute: seit 2002 kommt es in den Genuss eines Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens (SAA) mit der EU. Gelegenheit genug, mit den Vorurteilen aufzuräumen und das Land besser kennen zu lernen.
Hohe Korruption, aber kaum Analphabethen
Die albanische Gesellschaft wird von Banden beherrscht, die ein hartes Leben führen: als Wächter über die Einhaltung des Gewohnheitsrechts „Kanun“, das unter anderem die Blutrache vorsieht, tragen die Bandenführer dazu bei, uns von Albanien ein archaisches Bild zu vermitteln. Es wird geschätzt, dass sich in der Stadt Shköder mehrere Tausend Familien im „inneren Exil“ befinden, d.h. in der Erwartung der Racheakte einer anderen Bande leben.
Albanien bezieht den Großteil seiner Ressourcen aus der Ausbeutung von Ölvorkommen, Fischerei, Landwirtschaft, Vieh- und Fischzucht. In 466 000 landwirtschaftlichen Kleinstbetrieben (d.h. ein bis zwei Hektar) wird überwiegend extensiver Anbau vorgenommen (Gemüseplanzen, Rinder- und Schafzucht, Export von Milchprodukten). Aquakultur wird im Meer (Schleppnetzfischerei), in den Lagunen (Miesmuschelzucht) und in den Seen und Flüssen (Zucht von Goldkarauschen) betrieben.
Im Großen und Ganzen sind viele Fortschritte zu verzeichnen, doch leidet Albanien noch unter einer schwerwiegenden Energiekrise (häufige Stromausfälle) und weist den niedrigsten Lebensstandard der Region auf. Um den politischen und wirtschaftlichen Anforderungen des SAA zu genügen, musste Albanien Reformen bei seinen rechtlichen Standards (Kampf gegen Korruption, Geldwäsche und organisiertes Verbrechen; Einhaltung der Menschenrechte) und in der Wirtschaft vornehmen (Einhaltung der marktwirtschaftlichen Prinzipien, Freiheit des Güter-, Kapital- und Personenverkehrs, Einführung strikter tierärztlicher und, im pflanzlichen Bereich, hygienischer Vorschriften). Man darf jedoch auch nicht darüber hinwegsehen, dass Albanien die höchste Schulbesuchsquote des ganzen Balkan aufweist sowie über eine besonders flexible Gesetzgebung im Bereich von Unternehmensgründungen verfügt. Sie stützt sich auf sechs Mechanismen zur Vergabe von Kleinkrediten stützt, auf die die 55 000 kleinen Unternehmen des Landes zurückgreifen können.
Die albanische Mafia existiert, jedoch darf sie nicht unsere Vorstellungen von Albanien bestimmen. Albaniens Annäherung an die EU wirft eine wesentliche Frage auf: die der EU-Integration eines islamischen Landes, das im Herzen des europäischen Kontinents liegt.
Translated from Bons baisers d'Albanie