UNPOLISHED: Wieviel Polen steckt im Design?
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Johanna Meyer-GohdeUNPOLISHED – die Ausstellung über polnisches Design, die seit 2009 durch Europa tourt, wurde in Paris im Rahmen der Paris Design Week sowie dem Kulturprogramm der polnischen EU-Ratspräsidentschaft gezeigt. Das Ziel des Projekts: zwischen Spitzenkacheln und Papiersofas die Identität des polnischen Designs zu definieren.
Während ich die Stände der Designer aus verschiedenen Ländern in der Pariser Cité de la Mode et du Design entlang spaziere, habe ich ein déjà vu-Erlebnis. Ich denke darüber nach, ob man im Design überhaupt von Nationalitäten sprechen kann, und was daraus folgt; ob polnisches Design überhaupt existiert. Und dann stoße ich auf einen mit Metall beschlagenen Pflock und eine Lampe aus einem Einmachglas. Und da weiß ich, dass ich am richtigen Ort bin.
Polak potrafi - Der Pole kriegt's hin
"Eine der Herausforderungen denen sich das Projekt stellt ist es, die Frage zu beantworten, ob man von polnischem Design sprechen kann", erklärt mir Paweł Grobelny, einer der Kuratoren der Ausstellung und Designer, der vor fünf Jahren sein Diplom an der Poznaner Universität der Künste (ASP) absolviert hat. - Daher der Name UNPOLISHED, der gleichzeitig "nicht-polnisch" und "unpoliert", "unfertig" bedeutet. Es zeigt sich also, dass polnisches Design existiert. Charakterisieren kann man es vielleicht mit drei Worten: "etwas aus nichts".
Dieses Konzept gründet laut Paweł auf der Geschichte des Landes. "Während des Kommunismus gab es weder Infrastruktur noch Materialien, also musste man sich zu helfen wissen. Die Redensart 'der Pole kriegt's hin' kommt nicht von ungefähr". Wir kommen zu einer weißen, leuchtenden Kugel, die in ihrer Konstruktion an eine Zwiebel erinnert. Zur Herstellung der Lampe "Cebula ["Zwiebel"] benutzte Daria Burlinska (zusammen mit Wojtek Traczyk Gründerin des Studio DBWT) Polyurethanschaumstreifen und Sparbirnen. In ihrem Sortiment hat sie auch eine Lampe aus Joghurtflaschen. Nicht weit davon sieht man ein Sofa aus aufgeblasenen Papiertüten- ein Projekt von Agata Kulik-Pomorska und Paweł Pomorski (alias Malafor). Leicht wie es ist, kann man die Luft herauslassen und es einfach transportieren.
Neben der Verwendung einfacher und leicht zugänglicher Materialien, kennzeichnet die jungen Designer zudem eine Neigung für den spielerischen Umgang mit der Tradition: der polnischen sowie der des Kunsthandwerks. Die Keramikdesignerin Karina Marusinska hinterlässt, nach dem Vorbild altertümlicher Künstler, die das Porzellan mit der Hand bemalten und auf jedem Exemplar unterschrieben, auf ihren Werken ebenfalls eine Spur: ihre Zähne. Jede dieser Bissspuren ist gold angemalt. Die Designerin ist auch Autorin des ironischen Projektes "Konserwowe" ["Konserviert"]: An ein banales Objekt wie das Einmachglas (etwas sehr polnisches) klebt Marusinska vornehme Porzellanhenkel und erschafft damit ein semantisches Hybrid.
Das Konzept
Es zeigt sich, dass im zeitgenössischen Design die Funktion an den Platz des Konzepts tritt. So ist es im Falle der "Zegar Kłoda" ["Balkenuhr"] aus dem Hause Gogo (Maria Makowska und Piotr Stolarski). Mehrere Uhrwerke sind auf einem langen Brett angebracht. Um an eine der Uhren heranzukommen, muss man sie mit einer mechanischen Säge heraussägen. "Die Designer wollten dem potentiellen Kunden zeigen, dass Kaufen nicht unbedingt einfach ist." Die Rolle des Designers hat sich mit der Zeit geändert, heute muss er auch daran denken, was nach dem Verkauf mit dem Produkt passiert. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang der Einfluss des Projekts auf die Umwelt geworden.
"Philipp Starck (international bekannter Designer und Architekt) entschuldigte sich kürzlich dafür, dass er für seine Objekte so viel Plastik verwendet", erzählt Paweł weiter. Weil polnische Designer sich bemühen, einfache und billige Materialien zu verwenden, adaptieren sie das Prinzip der 3R [Reduce, Reuse, Recycle] mit großer Leichtigkeit in ihre Arbeiten. Ein Beispiel ist der "Stuhl auf Kufen für 5 Euro". Der von Poor Design entworfene "Duporet" ist ein solide aussehender Stuhl auf Kufen. Er wurde komplett aus einer einzigen Pressspanplatte gebaut, die normalerweise im Müll landen würde. Das Material ist auch für polnische Architekten von Bedeutung, deren Projekte zum ersten Mal im Rahmen von UNPOLISHED gezeigt wurden. Der wichtigste Grundsatz ist der Gebrauch von lokalen Materialien.
Das letzte, das mir bei den polnischen Ständen auffällt, ist die große Zahl an Designerbinomen. Etwa ein Drittel der Projekte ist von Designerpaaren entwickelt worden. "Stimmt, irgendwie ist das so", lacht Paweł. "Vielleicht deshalb, weil es in der Gruppe angenehmer ist?" Der Markt ist zurzeit nicht einfach. Die Entwicklung des Designs wurde durch die kommunistische Ära verzögert, als Formgestaltung nicht die wichtigste Sorge des Produzenten war. Designer, die zu kommunistischen Zeiten ausgebildet wurden, mussten häufig den Beruf wechseln oder sich in verwandten Bereichen spezialisieren: Daher stammt die bekannte polnische Plakatschule. Obwohl auch die neue Generation von Designern häufig dazuverdienen muss, zum Beispiel mit Computergrafik, ändert sich die Situation schnell: "Noch vor drei Jahren hat das ganz anders ausgesehen. Heute wollen immer mehr Unternehmer Designer anstellen". Und die, denen es nicht gelungen ist mit ihren Projekten einen potentiellen Investor für sich zu interessieren? Die verwandeln sich selbst in Unternehmer: "Die polnischen Designer entwickeln ihre Projekte selbst, entwerfen die Verpackung dazu, kümmern sich um Werbung und Distribution. Sie nehmen die Dinge selbst in die Hand," so Paweł.
Alle Fotos: ©dzięki uprzejmości UNPOLISHED
Translated from UNPOLISHED: ile Polski w designie