univie, uniwas?
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Zu viele Studenten plus zu wenige Ressourcen gleich Chaos.
Die Uni ist nicht mehr was sie einmal war.
Gedacht und konstruiert als Mekka des Wissens und der Diskussion, ein Zufluchtsort für Neugierige. Von der antiken Schule der Philosophen und Juristen über die Zulassung von Frauen in die männerdominierte Ausbildung bis hin zum Ausgangspunkt für tatkräftige Revolutionen.
Die Universität hatte immer einen Platz in der Gesellschaft, der standfest und wacker den Widrigkeiten des Zeitgeschehens standhielt, Platz für Reflexion bot und das zuhause angehender Absolventen war - eine alma mater.
Von der romantischen Mütterlichkeit ist nicht mehr viel übrig geblieben. Kalt und starr steht sie da, ein potemkinsches Dorf mitten in der Wiener Innenstadt. Ihr imposantes Aussehen und den elitären Ruf hat sie sich erhalten, doch blickt man über den malerischen Arkadenhof und die mamornen Stufen hinweg sieht man das zerbrochene Holzdörfchen.
Der Glanz von leidenschaftlichen Vorlesungen, engagierten Professoren und dem Gefühl, willkommen zu sein, ist längst verblasst. Studienanfänger, die mit einer solchen Erwartung beginnen, müssen bitter feststellen, dass eine Meinung oder ein engagierter Standpunkt einem keine ECTS-Punkte bringt, sondern die sture Wiedergabe von Lehrstoff in Form von Arbeiten, Knock-out-Prüfungen und Multiple-Choice-Tests.
Die Uni wird zur Schule. Der, der erwartet, dass er nach Jahren des Pflicht-Vokabel-lernen die Freiheit an der Universität genießen kann, wird enttäuscht. Du musst nicht die scharf formulierten, gut durchdachten Fragen nach der Vorlesung oder Übung stellen (meistens ist dafür sowieso keine Zeit mehr, schließlich warten draußen die nächsten 100 Studenten), du sollst nur brav ein Schema wiedergeben und wirst dann mit Punkten belohnt. Die Möglichkeit besteht sogar, besonders in den großen Studiengängen, dass dein Professor nicht einmal anwesend ist um sie zu beantworten - Assistenten, kaum älter als man selbst, sollen herhalten.
Neben der Resignation, die nach dem fünften uninformierten Mitarbeiter, dem dritten univis Zusammensturz, der zehnten Überlappung von Lehrveranstaltungen, dem verlorenen Kampf gegen die uneinsichtigen Bürokratie der Behörde Uni Wien, der hoffnungslosen Suche nach dem logout-Symbol in moodle, den zahlreichen Begegnungen mit dem dreckigen Boden in überfüllten Hörsälen und vielen mehr, einsetzt, muss man der Abneigung gegen die Universität doch etwas entgegenhalten.
Es stimmt, die Universität Wien ist die größte Universität Österreichs mit über 90 000 Studenten, laut dem Entwicklungsplan (Stand 2010) liegt das Betreuungsverhältnis von Studenten zu Professoren bei 1:226 und das Budget pro Student bei 5 086€. Die LMU in München, eine vergleichsweise große Universität, hat etwa 40 000 Studenten, ein Betreuungsverhältnis von 1:58 und ein Budget pro Student von 8 816 €.
Unfair wäre es natürlich, nur zu schimpfen. Den Koloss Uni Wien am Laufen zu halten ist eine Herausforderung, keine Frage. Sich darüber aufregen, was alles nicht funktioniert und mit der Tatsache fuchteln, das Österreichs Universität im Times Ranking nur mehr Platz 182 belegt und alles sowieso furchtbar ist und früher war’s doch besser, ist einfach.
Schwer hingegen ist es, Herr über mehr als 90 000 Studenten, 9 000 Mitarbeitern und ihren Bedürfnissen zu werden, ein gutes Betreuungsverhältnis zu garantieren, genügend Professuren auszugeben und zu finanzieren, den neuesten Stand von Technologie und Forschung nicht aus den Augen zu verlieren, im brutalen und gefürchteten “Internationalen Vergleich” nicht zu verlieren. Um all diese Dinge zu gewährleisten braucht es eines - Geld.
Die Uni Wien hat ein Globalbudget von circa 1,3 Milliarden Euro, ohne Drittmittel. Verständlicherweise konzentrieren sich die gröbsten Finanzierungsprobleme in den überfüllten Studien wie Rechtswissenschaften, Psychologie und Publizistik. In kleineren Instituten lebt es sich zwar leichter, doch auch hier ist nicht garantiert, dass Qualitätsstandards erhalten werden.
Einfacher ist es nun wieder, als Rektor einer Uni, sich über das Fehlen dieses aufzuregen, die Schuld von sich zu schieben, auf die Politik, auf die Studenten, auf die Umstände außerhalb Österreichs. Es liegt aber nicht an den jungen Menschen, die in Wien gratis oder billig studieren wollen, sondern an der Unfähigkeit des Systems. Eine Reaktion auf die zunehmenden infrastrukturellen Probleme blieb aus - die Professoren und Rektoren wollen passionierte und engagierte Studenten, versäumen es aber ihre gleiche Verantwortlichkeit in Verhandlungen mit den Ministerien einzusehen.
Darf man nun hoffen, das die Politik bald Initiative ergreift? 2016 wird eine neue Leistungsvereinbarung zwischen Uni und Wissenschaftsministerium (oder doch Wirtschaft?) entwickelt. Darin ”wollen wir mehr Geld für die Universitäten im Finanzrahmen verankern", sagt Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner in einem Interview im Standard.
Auch Studenten versuchen, auf die Situation aufmerksam zu machen. Zuletzt manifestiert durch die Bewegung “uni brennt”. Dieser studentische Verpflichtung ist zu applaudieren, doch wer kann gewinnen, wenn die Uni, für die gekämpft wurde, der Feind wird? Die Entwicklung ist nichts neues, sie ist nicht über Nacht gekommen und war vorherzusehen, praktisch ein natürlicher Prozess.
Zu viele Studenten plus zu wenige Ressourcen gleich Chaos.
Umstritten ist auch der Ruf um Studiengebühren. Es wäre sicherlich eine Möglichkeit mehr Geld zu generieren und hätte auch regulierenden Einfluss auf den Studienzulauf, gewollt oder nicht. Um solche einzuheben braucht man aber etwas wofür man zahlen kann - Substanz, die die Uni Wien im Moment leider nicht mehr hat.
Wieso sollen Studenten retten, was nicht von ihnen zerstört wurde?