Ungebändigtes Portugal
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laura wilfingerEine Reise in den äußeren Südwesten unseres Kontinents zu alten Ortschaften und Zeugnissen der Avantgarde.
Trotz seines bedeutenden Entwicklungssprunges im ökonomischen und sozialen Bereich hat sich Portugal eine ursprüngliche Seite bewahrt. Seine unberührten Strände, die Ortschaften, die nur dem Rauschen des Ozeans ausgesetzt sind, und der unverwechselbare Duft der Eukalyptusbäume machen den Charakter des Landes aus. Wie einen Edelstein umfasst das größere und berühmte Spanien dieses Kleinod mit seiner reichen historischen und kulturellen Tradition und seinen Naturschönheiten – wie ein Balkon ragt es auf den Ozean hinaus. Hier mischt sich der Geruch des Meeres mit jener köstlichen, einheimischen Küche, die vor allem durch zwei Weine geprägt ist. Beide sind so grundverschieden, dass es scheint, als wollten sie die zwei Seelen des Landes widerspiegeln: der Portwein, vollmundig und melancholisch, und der vinho verde, ein frischer und einzigartiger Wein.
Wer dieses Land kennenlernen will, muss sich vor allem Zeit nehmen und mit bequemen Schuhen und genügend Abenteuergeist ausgerüstet sein. Außerdem braucht man ein Auto, um in Monchique die steilen Hänge bis zum Dach der Algarve zu erklimmen.
Porto: Perle des Ozeans
Porto ist sicherlich eine der markantesten Städte Portugals. Sie liegt mitten in einer Weinbaugegend am Ufer des Douro. In einer Stadt, die vollkommen zugebaut und verkehrstechnisch überlastet ist, bildet der Douro den einzigen Ruhepol. Ein verwinkeltes Labyrinth aus Straßen und schmalen Gässchen führt in das Innere des malerischen Ribeira-Viertels und dann steil hinunter zum Fluss, wo man von zahlreichen kleinen Fischlokalen aus den Blick auf die zweistöckige Eisenbrücke "Don Luis I." genießen kann. Nach einem Entwurf von Theophile Seyrig, einem früheren Mitarbeiter Gustave Eiffels, verbindet sie das Stadtzentrum mit dem Industriegebiet. Hier wird der vinho di Porto hergestellt.
Straßen finden sich in Portugal fast nur im Landesinneren. Sie führen durch winzige Ortschaften und Weideland. Das Meer ist eine ständige Herausforderung, die regelmäßig Umleitungen nötig macht. Dennoch sollte man sich einen Abstecher nach Cabo da Roca nicht entgehen lassen, wenn man vom Norden in Richtung Lissabon fährt: Ein einzigartiger Ort, der im Naturschutzgebiet von Sintra und Cascais liegt und den westlichsten Punkt Europas markiert: Über 100 Meter ragt eine Felsnase auf den Atlantik hinaus und gibt ein atemberaubendes Panorama frei.
Wenig entfernt liegt Lissabon, eine unpersönliche und nicht besonders eindrucksvolle Stadt, bevölkert von denselben Leuten, wie die kleinen Dörfer entlang der Einfallstraße. Auch hier, mitten in der Hauptstadt, sitzen an Sommernachmittagen die alten Frauen dösend vor ihren Häusern. Man sieht sie überall rund um die Burg und auch im Viertel von Alfama, wo zwischen verschachtelten, weißen Häuschen ein Durcheinander von Treppen und Gässchen existiert, durch die am Abend die Klänge des Fado wehen. Lebendig ist Lissabon in seinen Cafés und seinen Straßen, in denen es bis spät in die Nacht von Menschen wimmelt. Und in den Tavernen des barrio alto, des "Oberviertels", in dem sich Tradition und Avantgarde begegnen und wo zwischen kleinen Handwerksbetrieben und den tascas (günstigen Speiselokalen) neue Räume für künstlerische Experimente entstehen.
Bis ans "Ende der Welt"
Lissabon im Rücken, ist man in Cabo de San Viciente am südwestlichsten Punkt Europas, der heute noch das "Ende der Welt" genannt wird und von wo aus damals die Schiffe in See stachen, um neue Länder zu entdecken. Den schönsten Blick auf die Abendsonne, wenn sie hinter dem kleinen Leuchtturm untergeht und in den Fluten versinkt, die sich heftig an den scharfen Felsen brechen, erhält man jedoch an der Ponta de Sagres, einem gewaltigen vorspringenden Felsen, auf dem immer ein heftiger Wind bläst und der wie ein riesiger Finger aus dem Ozean ragt, als wollte er den Weg in ferne Länder weisen. Gegen Abend scheint auch der Atlantik ein wenig Ruhe zu suchen und die vielen Surfer, die es aus ganz Europa an diese Strände zieht, finden sich in der Ortschaft Sagres ein, um im Agua salgada zu trinken und zu plaudern: ein kleines Bistro, wo man ausgezeichneten batido de fruta bekommt und bis spät in die Nacht Musik gespielt wird.
Wer durch Portugal reist, "muss in Kauf nehmen, dass er den falschen Weg nimmt und umkehren muss", schreibt der portugiesische Nobelpreisträger José Saramago, "oder aber er bleibt beharrlich dabei und wird neue Wege zur und aus der Welt entdecken."
Translated from Portogallo road