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Ungarn: Flüchtlingsparanoia hat Grenzen

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Politik

Trotz zu geringer Wahlbeteiligung hat Viktor Orbán das Referendum über die Verteilung von Flüchtlingen als "überwältigenden Erfolg" bezeichnet. 98 Prozent stimmten am Sonntag gegen eine EU-Quotenregelung, allerdings nahmen nur 44 Prozent der Wahlberechtigten teil. Nötig wären mehr als 50 Prozent gewesen. Journalisten in Europa diskutieren, ob das Abstimmungsergebnis Orbán stärkt oder schwächt.

Novi list: Ungarn durchschauen Propaganda; Ungarn

Orbáns Flüchtlingsparanoia scheint an ihre Grenzen zu stoßen, urteilt Novi list: „Offensichtlich ist die Mehrheit der 8,3 Millionen ungarischer Wähler nicht auf die göbbelsartige Propaganda hereingefallen. Denn die 2.000 Flüchtlinge, die Ungarn gemäß der vereinbarten EU-Quoten übernehmen müsste, könnten nur schwerlich irgendwem irgendeinen wünschenswerten Job streitig machen. Vielleicht haben sich auch einige vernünftige Ungarn gefragt, warum Orbán 40 Millionen Euro für sinnlose Botschaften und ein Referendum verschwendet hat, das ohnehin keine juristische Wirksamkeit hat. Mit diesem Geld hätten genügend neue Arbeitsplätze geschaffen werden können - für die Flüchtlinge und für diejenigen, die Angst haben, dass sie wegen der Flüchtlinge ihre jetzige Arbeit verlieren.“ (Artikel vom 3. Oktober)

Právo: Premier sitzt weiter fest im Sattel; Tschechien

Warum Premier Viktor Orbán zufrieden sein kann, obwohl das Quorum nicht erreicht wurde, erklärt Právo: „Orbán sieht die Zeit gekommen, die Verfassung zu ändern und Brüssel den ausgestreckten Mittelfinger zu zeigen. Auch die ungarische Opposition will sich den Sieg nicht nehmen lassen, sekundiert von Brüssel, wo man von einem herrlichen Erfolg des 'passiven Widerstands' gegen Orbán spricht. Auch wenn der Premier nicht die Mehrheit bekam - wenn er die Unterstützung von drei Vierteln derer behält, die jetzt für ihn stimmten, muss er die nächsten Wahlen nicht fürchten. Zudem war seine Minderheit beim Referendum sehr viel größer als die 'Mehrheit', die die Abgeordneten des Europaparlamentes wählte. Und gegen die Quoten stimmten auch mehr Wähler als vor 13 Jahren für den Beitritt Ungarns zur EU.“ (Artikel vom 4. Oktober 2016)

Der Standard: Orbáns Saat ist aufgegangen; Österreich

Mit seinem Referendum mag Orbán gescheitert sein, der EU-Flüchtlingspolitik hat er jedoch im vergangenen Jahr seinen unverkennbaren Stempel aufgedrückt, analysiert Der Standard: „Der ungarische Premier war damals der Erste, der vehement auf strikte 'Abwehrmaßnahmen' an der EU-Außengrenze zu Serbien drängte; der beim EU-Gipfel im Juni 2015 im Kreis der Regierungschefs unverblümt ankündigte, dass er einen hohen Zaun bauen werde, um die Flüchtlinge auf der Balkanroute zu stoppen. Viktor Orbáns Saat, dass es vor allem um Abwehr der Fremden gehe, nicht um Integration, ist aufgegangen. Er hat allen seinen Stempel aufgedrückt. Ohne Zweifel ist das Referendum für ihn eine innenpolitische Niederlage. Aber man soll sich nicht täuschen: Die EU-Politik ist inzwischen und vorläufig ganz auf Abwehr von Migranten ausgerichtet, nicht auf Aufnahme - zulasten der Flüchtlinge.“ (Artikel vom 4. Oktober 2016)

Mandiner: Hass wird nicht verpuffen; Ungarn

Der von der ungarischen Regierung aufgepeitschte Hass wird wohl auch nach dem Referendum andauern, fürchtet Mandiner: „In breiten Bevölkerungsschichten greift tatsächlich eine Weltuntergangsstimmung um sich. Viele Menschen haben wirklich geglaubt, dass das Schicksal des Landes, ja ganz Europas von dem Referendum abhängig sei. ... Die Menschen sind von der Regierung in extremer Weise aufgestachelt worden, was letztlich kein gutes Ende haben wird. ... Leider müssen wir feststellen, dass die Hetze gegen die 'Migranten' nur der vorläufige Höhepunkt ist. Seit vielen Jahren schon schlägt in Ungarn lebenden Ausländern der Hass der Mehrheitsgesellschaft entgegen, ganz zu schweigen von der allseits verhassten Minderheit der Roma. ... Es ist ausgeschlossen, dass der kumulierte Hass der vergangenen Wochen nach dem Referendum einfach so verpuffen wird.“ (Artikel vom 2. Oktober 2016)

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