Und immer wieder böses Blut zwischen der Slowakei und Ungarn
Published on
László Sólyom wollte eigentlich nur an der Einweihung eines Denkmals in der Grenzstadt Komárno, in der eine zahlenstarke ungarische Minderheit lebt, teilnehmen. Letzten Freitag hat die slowakische Regierung ihm das aber untersagt. Nächster Akt eines Konfliktes, der erneut zu eskalieren droht.
Kahlköpfe mit Bomberjacken und Springerstiefeln, Autos, die die Fahrbahn Richtung Slowakei dicht machen, ungarische Fahnen, antislowakische Parolen auf Transparenten, ein Großaufgebot an Polizei und Fotoreportern - eine seltsame Szenerie beherrscht die ansonsten freie Schengen-Grenze zwischen der Slowakei und Ungarn.
Willkommen in Slotakia!
Mitglieder der rechtsextremen ungarischen Gruppierung Jobbik und der paramilitärischen Ungarischen Garde machen Front gegen die Slowakei und heizen so den seit Monaten schwelenden Konflikt zwischen den beiden EU- und Nato-Nachbarn weiter an. „Willkommen in Slotakia!“ höhnen sie, ersetzen das “Slovakia” für Slowakei durch “Slotakia”, was für „Jan-Slota-Land“ stehen soll. Slota ist der Chef der in Bratislava mitregierenden rechtsextremen Slowakischen Nationalpartei, der immer wieder mal durch alkoholgetrübte Verbalausfälle gegen Ungarn für böses Blut sorgt. Im Angesicht der Bilder von der Grenze gießt er erwartungsgemäß neues Öl ins Feuer, fordert den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Budapest. So schaukeln sich die Emotionen weiter auf.
Immer wieder ertönten Rufe nach einer Revision des Trianon-Vertrages.
Begonnen hatte die Eskalation mit einem harten Einsatz der slowakischen Polizei gegen Fußballrowdies, die ein Erstligaspiel in Dunajska Streda - einem Zentrum der ungarischen Minderheit in der Slowakei - zum Schauplatz ihrer nationalen Leidenschaften zu machen versuchten. Die Polizei ging dabei auch gegen aus Ungarn angereiste Rechtsextremisten vor, was die Regierung in Budapest auf den Plan rief. Sie verlangt bis heute eine Begründung für den Einsatz der Uniformierten - obwohl die Bilder aus dem Stadion eindeutig genug waren. Die Slowaken verweigern denn auch jede weitere Erklärung. In der Folge des Polizeieinsatzes versammelten sich über Tage rechtsextreme Ungarn vor der slowakischen Botschaft in Budapest und verbrannten slowakische Fahnen. Immer wieder ertönten Rufe nach einer Revision des Trianon-Vertrages, auf dessen Grundlage Ungarn 1920 große Teile seines Staatsgebiets auch an die Slowakei abzutreten hatte. In dieses Horn stießen auch Mitglieder der Ungarischen Garde, die am vergangenen Wochenende im Dreiländereck Slowakei-Ungarn-Ukraine des Ersten Wiener Schiedsspruchs von 1938 gedenken wollten, durch den weite Teile der südlichen und östlichen Slowakei Ungarn zugeschlagen worden waren. Die slowakische Polizei schritt auch hier ein und nahm Dutzende Ungarn fest.
Die Politiker taten bisher das Ihre, um die Spirale der Krise weiter nach oben zu schrauben. Der slowakische Premier Robert Fico sprach von einer akuten Gefährdung der slowakischen Souveränität. Bratislava wirft der ungarischen Führung vor, die Extremisten im eigenen Land nicht mehr im Griff zu haben. Budapest dagegen zeigt mit dem Finger auf den nördlichen Nachbarn. Der Extremismus in der Slowakei sei deutlich gefährlicher, sitze er doch (mit der Slota-Partei) mitten in der Regierung.
Erstmals hat sich jetzt auch die EU in den Zwist eingeschaltet.
Erstmals hat sich jetzt auch die EU in den Zwist eingeschaltet. Ein Sprecher der EU-Kommission äußerte sich beunruhigt über die Verschlechterung der Beziehungen zweier EU-Mitgliedsstaaten. Mehrere tschechische Politiker, darunter Außenminister Karl Fürst Schwarzenberg und der sozialdemokratische Oppositionschef Jiri Paroubek, boten Vermittlerdienste an. Tschechien könnte das Problem spätestens im Januar auf die Füße fallen, wenn seine Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union beginnt.
Womöglich lässt sich der Konflikt aber doch noch vorher entschärfen: Wie aus Budapest verlautete, haben die Premierminister Fico und Ferenc Gyurscany für diesen Samstag ein Treffen im slowakischen Grenzort Komarno vereinbart. Kommentatoren verlangten in diesem Zusammenhang einen „Aufstand der Öffentlichkeit“, um die Politiker zur Räson zu bringen.
Der Autor dieses Artikels, Hans-Jörg Schmidt, ist Mitglied des Korrespondentennetzwerks n-ost.