UKRAINE: WER GEHT K.O.?
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Alessandra BonoraNach dem Scheitern eines Handelsabkommens mit der EU protestieren Hunderttausende gegen die Regierung der Ukraine. Dabei geht es um mehr als die Annäherung an Europa. Die Demonstranten wollen Selbstbestimmung.
Die ukrainische Regierung des amtierenden Präsidenten Wiktor Janukowitsch hat sich entschlossen, ein Freihandelsabkommen mit der EU nicht zu unterschreiben. Nur wenige Stunden nach der Verzichtserklärung, haben sich die ersten 1500 Ukrainer über Social Networks organisiert, um den berühmten Maidan-Platz in Kiew zu besetzen. In den darauffolgenden Tagen gingen aufgebrachte Bürger in Kiew, geführt vom amtierenden Boxweltmeister Vitali Klitschko zu Hunderttausenden auf die Straße und fordern den Rücktritt der Regierung. Werden die Demonstranten es schaffen, eine ebenso große Kraft zu entfalten, wie vor neun Jahren während der Orangenen Revolution?
Ukrainischer Rosenkrieg
Das Land ist geteilt in Russlandbefürworter und diejenigen, die einen EU-Beitritt anstreben. Umfragen sehen allerdings EU-Bekenner derzeit in der Mehrheit. Einen gemeinsamen Kurs zu finden, scheint derzeit eine unlösbare Aufgabe zu sein. Die parlamentarische Opposition, bestehend aus den Parteien der ehemaligen Premierministerin Julia Timoschenko und Klitschkos Partei Udar (dt. „Schlag“), hat eine Unterschriftensammlung mit dem Ziel gestartet, Janukowitsch wegen Amtsmissbrauchs anzuklagen. Die Opposition hält die Entscheidung gegen das Freihandelsabkommen für verfassungswidrig.
Erst wenige Tage vor der Unterzeichnung des Abkommens zwischen der Ukraine und der EU hatten der ukrainische Premierminister Mykola Asarow und der amtierende Präsident Janukowitsch offiziell einen Kurswechsel angekündigt. Die Regierung lehnt den Vertrag mit der Begründung ab, den wirtschaftlichen Kurs des Landes nicht gefährden zu wollen und sich auf die Zusammenarbeit mit dem wichtigsten Handelspartner Russland zu konzentrieren. Derweil zeigt sich allerdings, dass der russische Präsident Wladimir Putin und Janukowitsch einen öffentlichen Streit über Gaspreise austragen. Offenbar hält Moskau die Hoffnung aufrecht, den Transport von ukrainischem Gas und anderen Energiequellen kontrollieren zu können.
Moskaus Hoffnungen auf Janukowitsch
Denn mit der neuen Regierung unter Präsident Janukowitsch konnte Russland viele seiner Ziele in der Ukraine erreichen. Dies zeigt die Anwesenheit der russischen Schwarzmeerflotte im ukrainischen Hafen Sewastopol und die Entscheidung des ukrainischen Parlaments, von einer NATO-Mitgliedschaft abzurücken. Die Europäische Union indes reagierte auf Kiews Entscheidung überrascht. Der ehemalige polnische Präsident Aleksander Kwaśniewski, einst Befürworter des EU-Beitritts der Ukraine, kommentierte die Entscheidung der Regierung nicht. Zuvor war er oft in das Land gereist, um zu überprüfen, ob die Regierung ihre „Hausaufgaben“ gemacht hatte.
Die ukrainischen Demonstranten zerstörten im Zuge ihrer Proteste eine Lenin-Statur, die für Viele sinnbildlich das „alte Regime“ darstellt. Darin erkennen zu wollen, dass es die Ukraine gen Westen zieht, wäre ein voreiliger Schluß. Nach langen Jahren der Fremdherrschaft wollen die Menschen vor allem eins: Selbstbestimmung. Auch die Hausaufgabenhilfe der EU ist hierbei keine große Hilfe. „Die Ukraine hat zwei Seelen“, schreibt der Italiener Massimo Di Pasquale in seinem Buch, „vereint, aber unabhängig Teil eines Europas sein wollen.“
Translated from Ucraina: pugni tra Russia ed Europa