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Über den Rhein durch dick und dünn

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Politisch befinden sich Deutschland und Frankreich derzeit auf Schmusekurs. Aber echte Paare haben ganz andere Probleme. Ein Blick ins Innere des deutsch-französischen Liebeslebens.

War es nicht ein schönes Bild, das da am 22. September 1984 plötzlich und unerwartet über unsere Bildschirme flimmerte? Ein großer, dicker Mann und sein kleiner schmächtiger Kompagnon neben ihm hielten sich die Hand, stramm und mit gebührendem Abstand zwar, aber auch freundschaftlich-vertraut. Das Bild hatte auf den ersten Blick etwas anrührendes, ja fast zärtliches. Umso mehr war man erstaunt, dass es die zwei mächtigsten Männer Europas waren, die sich da an den Händen hielten. Aber schon eine Generation zuvor hatten ja Adenauer und de Gaulle mit ihrem Bruderkuss bewiesen, dass die deutsch-französische Partnerschaft auch von körperlicher Zuneigung durchdrungen ist.

Deutsche Tiefsinnlichkeit

Dank dieser herzlichen Männerfreundschaften zwischen de Gaulle und Adenauer sowie Kohl und Mitterand hat auch die Liebe zwischen Mann und Frau den Rhein überschritten und heute gibt es so viele deutsch-französische Paare wie Sand an der französischen Riviera. Aus deutscher Sicht kann dies nicht verwundern, gilt den meisten Deutschen die Französin respektive der Franzose schon seit Jahrhunderten als Inbegriff der hohen Liebeskunst. Und dass so anmutig-blonde Schönheiten wie "Clodia Schiffär" und "Eidi Klum" wesentlich zum guten Ruf deutscher Frauen auf der anderen Seite des Rheins beigetragen haben, dürfte auch niemanden verwundern. Aber was zum Teufel sollte eine Sinnlichkeit gewohnte Französin an einem spröden Deutschen finden? Ist es die ewig-weibliche Suche nach Sicherheit und Stabilität, die enttäuschte Französinnen sich in die Arme eines Disziplin und Anstand gewohnten, anständigen deutschen Arbeiters werfen lässt? Oder ist es gar der deutsche Tiefsinn, der der Welt so große Denker wie Kant und Hegel geschenkt hat? Ersterer soll ja, darf man der Überlieferung glauben schenken, solch klare, tiefblaue Augen gehabt haben, dass er eine Catherine Deneuve leicht um den Finger hätte wickeln können.

Brötchen im Kakao

Der deutsche Mann ist also lange nicht so schlecht wie sein Ruf - Frauen die in ihn investieren, denken langfristig. Auf dem Aktienmarkt der europäischen Liebhaber gleicht er am ehesten dem grundsoliden Investmentfond. Ob die Französinnen, die in dieses Papier investiert haben, auch nach mehreren Jahren noch mit dem Kauf zufrieden sind, lässt sich jedoch leider nicht sagen, denn es liegen derzeit keine psychologischen Langzeitstudien über das Innenleben deutsch-französischer Partnerschaften vor. Insider berichten aber, dass die kulturellen Hürden, die es zu nehmen gilt, eher niedrig sind. Unterschätzen sollte man sie dennoch nicht.

So wird ein deutscher Mann wohl zum ersten Mal einen leichten Kulturschock erleiden, wenn er seiner französischen Freundin dabei zuschauen darf, wie sie ihr marmeladenbeschmiertes Brötchen in den morgendlichen Kaffee tunkt. Sie hingegen dürfte etwas unter dem mangelnden Modebewusstsein ihres Gegenübers zu leiden haben, dass bei deutschen Männern bei weitem nicht so ausgeprägt ist wie bei ihren Geschlechtsgenossen im Land der Haute Couture. Doch auch im Kulinarischen herrscht bei französischen Frauen Vorliebe für die Vorzüge der Hochkultur – auch wenn das Herz sonst eher links schlägt. Ein Essen, dass nicht der heiligen Dreieinigkeit Vorspeise – Hauptspeise – Nachspeise folgt, ruft bei ihnen akute Mängelgefühle hervor, und ein deutscher Mann, der seine Frau mit einem exquisiten Abendessen verzücken will und dabei das Dessert vergessen hat, wird nur abfällige Blicke ernten. Fallen lauern zuguterletzt auch im samstagabendlichen Ausgehen. Deutsche Männer sollten hier auf der Hut sein, wenn sie ihre Partnerin voreilig zum Tanzen einladen. Denn unter "Tanzen" verstehen die meisten Französinnen immer noch Paartanz im Stile der seligen 50er Jahre, und sollte der Mann an einem solchen Abend dann doch wieder mit einer Flasche Bier in der Hand zum neuesten Strokes-Lied "abtanzen" dürfte das den multikulturellen Hausfrieden erheblich in Gefahr bringen.

Angie und Nicolas

Von solchen Beschwerlichkeiten des alltäglichen Beziehungslebens ist die politische Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich zum Glück nicht belastet. Zwar kann es sein, dass Gerhard Schröder verächtlich mit dem Mundwinkel zuckt, wenn sein "Freund Jacques" bei einem Arbeitsfrühstück im Elysée-Palast mal wieder sein Brötchen durch den Kakao zieht, aber ernsthaft in Gefahr bringt das die Einigkeit zwischen beiden Ländern nicht. Allerdings wartet man immer noch vergeblich auf visionäre Impulse der politischen Nachkriegsgeneration. Doch wer weiß was passiert, wenn Nicolas Sarkozy Präsident und Angela Merkel Bundeskanzlerin wird? Vielleicht sieht man die beiden dann schon bald verschämt Händchen haltend am Fuße des Montmartre ihre Kreise ziehen und die politische Vereinigung beider Länder wird endgültig ihren Höhepunkt erreicht haben.