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Türkische Christdemokraten: "Im Grunde konservativ"

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Politik

Die CDU lehnt den EU-Beitritt der Türkei ab. Doch ihre deutschtürkischen Mitglieder werben für einen Politikwechsel.

Deutsche Konservative und türkische Migranten - lange waren dies zwei unvereinbare Gegensätze. Denn da die Christlich Demokratische Union (CDU) die Aufnahme der Türkei in die Europäische Union ablehnte, fühlten sich viele türkischstämmige Einwanderer zurückgewiesen und nicht akzeptiert. Die meisten von ihnen haben sich in der Vergangenheit daher lieber der SPD oder den Grünen zugewandt.

Doch seit einigen Jahren scheint sich etwas zu verändern. Heute findet man auch in der CDU vermehrt Mitglieder türkischer Herkunft. Eine von ihnen, die Berlinerin Emine Demirbüken, hat es sogar in den Bundesvorstand geschafft.

“Normale Differenzen“

Die streitbare Politikerin gibt sich optimistisch, die Haltung der CDU gegenüber der Türkei verändern zu können. "Wichtige Außenpolitiker in der Partei befürworten heute einen Beitritt. Die Debatte ist im Gange und es ist nicht absehbar, wie die CDU in einigen Jahren zu dieser Frage stehen wird." In dem Widerspruch zwischen ihrer eigenen Haltung und der offiziellen Position ihrer Partei sieht Demirbüken kein gravierendes Problem. "Es sind normale Differenzen innerhalb einer Volkspartei. Man kann keine Politik machen, wenn man in allen Punkten einer Meinung sein muss."

Auch die meisten anderen deutschtürkischen Mitglieder sehen ihre abweichende Meinung eher gelassen und betonen, dass die Beitrittsfrage für sie nur ein Punkt unter anderen sei. Die CDU unterstützen sie aus anderen Gründen. So wie Hasan-Onur Kavak, der für die Christdemokraten im Stadtrat von Voerde sitzt. "Ich bin in der CDU, weil ich mich mit ihren Zielen identifiziere, dem Schutz der Familie, der Erhaltung des Glaubens, auch der Förderung der Integration." Für die meisten CDU-Mitglieder türkischer Herkunft ist die Beitrittsfrage demnach kein Grund, über einen Parteiwechsel nachzudenken.

Interessantes Wählerpotential

Dennoch leugnet keiner von ihnen, dass die CDU mit der pauschalen Zurückweisung eines Beitritts der Türkei in die EU viele potentielle türkischstämmige Wähler vor den Kopf gestoßen hat. "Ich glaube, dass die Mehrheit der Türken in Deutschland im Grunde konservativ sind, aber von gewissen Aussagen der CDU abgeschreckt werden. Nur wenn es der CDU gelingt, ihre Position anders zu vermitteln, kann man konservative Politik für Türken wählbar machen", meint Sedat Samuray, der im September 2006 als erster türkischstämmiger Kandidat der CDU zur Berliner Landtagswahl angetreten war.

Nicht nur für türkischstämmige Politiker wie Samuray ist die deutsch-türkische Wählerschaft von Interesse, sondern für die gesamte Partei. Denn mit 2,5 Millionen sind die Türken die größte Einwanderergemeinde in Deutschland und seit der verstärkten Erteilung der deutschen Staatsbürgerschaft eine zunehmend interessante Wählergruppe. "Wenn wir in den Großstädten in Zukunft auf über 40 Prozent kommen wollen, müssen wir auch die deutsch-türkischen Wähler erreichen", unterstreicht Bülent Arslan, Vorsitzender des Deutsch-Türkischen Forums der CDU in Nordrhein-Westfalen.

Umfragen zufolge kommt die CDU jedoch bisher unter Deutschtürken gerade einmal auf 7 Prozent. Selbst Samuray, der im stark türkisch geprägten Bezirk Kreuzberg angetreten war, erreichte lediglich 11,6 Prozent. Arslan fordert daher einen Politikwechsel in der CDU, um sie gegenüber den Migranten zu öffnen. Zum einen sei es notwendig, eine breite Diskussion über die deutsche Identität einzuleiten. Zum anderen müsse man die Position in der Türkeifrage überdenken und der Türkei eine faire Chance einräumen, die Aufnahmebedingungen zu erfüllen, ohne einen Beitritt vorab grundsätzlich auszuschließen.

Abwarten

Tatsächlich scheint die Parteiführung, seitdem die CDU in Berlin an der Regierung beteiligt ist, in der Beitrittsfrage eine pragmatische Position einzunehmen. So hatte die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel, die einst zu den entschiedensten Gegnern einer türkischen EU-Mitgliedschaft zählte, bei ihrem Antrittsbesuch in Ankara im Oktober 2005 signalisiert, dass sie den Verhandlungen keine zusätzlichen Steine in den Weg legen werde. Zwar hat sie eine Lösung des Zypernstreits angemahnt, doch grundsätzlich akzeptiert, dass die Türkei der EU beitreten könne, sollte sie alle Bedingungen erfüllen. Momentan ist im Einklang mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy jedoch eher von einer 'privilegierten Partnerschaft' die Rede.

Allerdings entspringt dies wohl weniger einem grundsätzlichen Politikwandel, als der Einsicht, dass die CDU den bereits eingeschlagenen Weg nicht blockieren kann. Zudem weiß die Kanzlerin, dass sich die Verhandlungen auch ohne ihr Zutun noch lange hinziehen werden. Angesichts der aktuellen Schwierigkeiten mag sie womöglich gar hoffen, dass sich das Problem von allein löst. In jedem Fall ist klar, dass der Ball erst einmal bei der Türkei liegt. Deshalb warten auch Merkels parteiinterne Widersacher ab. "Der Zug rollt bereits", sagt Arslan, "doch ob er ans Ziel kommt, hängt nun von der Türkei selber ab."