Türkei-EU: Nichts Neues 2009?
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Am 19. und 20. Januar ist Recep Tayyip Erdogan nach langer Zeit wieder einmal zu Besuch in Brüssel. 2009 könnte ein entscheidendes Jahr für die Türkei-EU Beziehungen werden. Während der vergangenen zwei Jahre hat man sich nur sehr langsam fortbewegt und seit Eröffnung der EU-Beitrittsverhandlungen 2005 lediglich 10 Kapitel eröffnet. Davon wurde nur eines vorläufig abgeschlossen.
Ein Jahresausblick.
Zypriotischer Zankapfel
Viel wird davon abhängen, ob es gelingt, 2009 eine Lösung im Zypernkonflikt zu erreichen. Zurzeit erkennt die Türkei die zyprische Regierung nicht an und untersagt zyprischen Schiffen türkische Häfen anzulaufen. Die EU hat deshalb die Eröffnung von 8 Kapiteln für Verhandlungen gesperrt, könnte sich aber im Falle eines Fortbestehens des Status Quo auch dafür entscheiden, die Verhandlungen komplett zu unterbrechen. Kommt es zu einer Lösung, wäre der größte Zankapfel zwischen EU und Türkei aus dem Weg geräumt und die Republik Zypern könnte sich von einem Gegner gar zu einem Befürworter des Beitritts entwickeln. Bei einer Lösung vor Juni 2009 würden auch türkische Zyprioten an den Wahlen zum Europaparlament teilnehmen. Türkisch würde somit offizielle EU-Sprache.
Januar-Juni 2009: Tschechische EU-Ratspräsidentschaft
Zwar gilt Prag als euroskeptisch, vor allem bezüglich des Vertrags von Lissabon. Doch hängt diese Kritik nicht mit Erweiterungsfragen zusammen. Die tschechische Regierung gilt als Befürworter einer EU-Erweiterung in Richtung Südosteuropa, inklusive der Türkei. Am 6. November 2008 bekräftigte der tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg diese Position: „Es ist bekannt, dass die Tschechische Republik eines der EU-Länder ist, dass den EU-Beitritt der Türkei am stärksten unterstützt.“ Auf der Online-Plattform Middle East Online sprach Schwarzenberg am 9. Januar von einem westlichen „Vorurteil“ gegen den die Türkei.
29. März 2009: Regionalwahlen in der Türkei
Was die Türkei anbetrifft, werden die ersten drei Monate des Jahres durch die Regionalwahlen geprägt sein. In der gesamten Türkei werden die Stadtverwaltungen neu gewählt. Der Wahlkampf ist in vollem Gange, die EU spielt kaum eine Rolle. Es dominieren innenpolitische Themen. Die Wahl verstehen viele auch als ein Referendum über die Regierungsarbeit der AKP [Erdogans Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung, A.d.R.], die im Juli 2007 mit fast 47 Prozent gewählt wurde, auch wegen ihrer pro EU-Politik. Die Regierungspartei scheint sich ihrerseits auf eine Strategie der kleinen Schritte verständigt zu haben, um sich innenpolitisch dem Druck der Armee zu entziehen.
Wenigstens hat die Türkei aber seit 9. Januar 2009 mit dem AKP-Abgeordneten Egemen Bagis einen Vollzeit-EU-Chefunterhändler. Die Türkei-EU Beziehungen müssen jedoch auf einen kräftigen Reformwind aus Ankara wohl mindestens bis nach den Regionalwahlen warten. Doch auch für die Zeit danach ist neuer Reformeifer wenig wahrscheinlich. Die EU-Reformen der Regierung kommen bereits seit zwei Jahren nicht richtig voran, es sieht auch nicht so aus, als würde das Großprojekt Zivile Verfassung in naher Zukunft verabschiedet werden.
4.-7. Juni 2009: Wahlen zum Europaparlament
Der Wahlkampf liegt noch in seinen Anfängen. Zumindest für Deutschland kann man aber davon ausgehen, dass der Türkei-Beitritt kein zentrales Thema sein wird. Bereits 2005 hatte es die CDU vermieden, die Türkei zum Wahlkampfthema zu machen. Der neue CSU-Ministerpräsident Seehofer hat diese Haltung im Dezember 2008 erneut bekräftigt. In Frankreich und Österreich könnte die EU-Erweiterung durchaus bei einigen Parteien ein zentrales Thema sein. Auch die italienische Lega Nord wird wie in vergangenen Wahlen auf die Stimmung gegen die Türkei und Immigranten setzen.
Juli - Dezember 2009: Schwedische EU-Ratspräsidentschaft
Schweden gilt als stärkster Befürworter eines türkischen EU-Beitritts und dies parteiübergreifend. Welchen Einfluss dies auf die EU-Verhandlungen haben kann, wird sehr davon abhängen, wie sich bis dahin die Zypernfrage entwickelt hat. Im entgegengesetzten Fall könnte Schweden sich für eine Weiterführung des Status Quo einsetzen - in jedem Fall gegen eine vollständige Aussetzung der Verhandlungen. Sicherlich ist es für die Türkei strategisch günstig, dass ihr größter Fürsprecher in der zweiten Jahreshälfte die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt.
Die Politik der kleinen Schritte gilt nicht nur für die AKP-Politik, sondern scheint auch das allgemeine Motto für die Türkei EU-Beziehungen 2009 sein. Wir lassen uns aber gerne vom Gegenteil überzeugen.