Turin: Mehr als das europäische Detroit (2)
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Carolin VorderstemannTurins postindustrielles Underground-Flair: von der Fabrik zum Kulturzentrum.
Unsere Reise durch die Peripherie der Stadt geht weiter und wir stellen euch weitere fünf Orte vor, die einst der Dreh- und Angelpunkt der Turiner Industrie waren und heute Freizeit- und Kulturzentren sind. Ihr habt den ersten Teil verpasst? Dann hier nachlesen.
CAVALLERIZZA
Die Cavallerizza befindet sich mitten im Stadtzentrum (gleich hinter der Mole Antonelliana) und beherbergte im 19. Jahrhundert die königlichen Pferdeställe. Die Stadt Turin erwarb den Gebäudekomplex und beauftragte das Teatro Stabile mit der Umwandlung in ein Kulturzentrum. Als Teil des UNESCO-Weltkulturerbes wurde die Cavallerizza viele Jahre lang für Theateraktivitäten genutzt, bevor schwere Zeiten anbrachen: Aufgrund von Finanzierungsengpässen soll das Gebäude an den meistbietenden verkauft und eventuell in ein Hotel umgebaut werden. Die Turiner haben nicht lange gezögert und zum Protest aufgerufen. Ein Kollektiv zur Verteidigung der Cavallerizza hat die Anlage besetzt und organisiert dort kulturelle Veranstaltungen. Wer möchte, kann sich an der Petition gegen den Verkauf beteiligen.
PARCO DORA
Der Parco Dora ist das beste Beispiel eines postindustriellen Parks: wo einst Zement war, wächst jetzt Gras. Benannt nach dem Fluss Dora Riparia, der ihn durchquert, liegt der Park im Bereich der sogenannten Spina 3, der Gegend, wo bis zum Ende der neunziger Jahre die großen Produktionsstätten von Fiat und Michelin ihren Sitz hatten. Bei den Turinern ist er fürs Joggen oder das sonntägliche Picknick beliebt und weist noch immer Überreste seiner industriellen Vergangenheit auf: die roten Säulen der Fabrikhallen ragen weit sichtbar empor, der Kühlungsturm ist zum Wahrzeichen des Parks geworden und die Absetzbecken wurden in Wassergärten verwandelt. Beeindruckend ist auch die großartige Wandmalerei, die mit ihren Biergläsern, irischen Hüten und keltischen Kreuzen Bobby Sands gewidmet ist.
MANIFATTURA TABACCHI
Der Gebäudekomplex in Corso Regio Parco liegt in der nördlichen Peripherie Turins und war bis 1996 Sitz der Königlichen Tabakfabrik und lange Jahre einer der größten Produktionsbetriebe der Stadt. In den neunziger Jahren begann der Niedergang und heute, nachdem die Gebäude einige Jahre leer standen, ist das Immatrikulationszentrum der Universität Turin dort eingezogen und hat der ehemaligen Fabrik ein komplettes Restyling verpasst. Dennoch liegt der Reiz Turins darin, dass auch diese völlig verwandelten Orte nicht künstlich auf Hochglanz poliert werden, sondern immer etwas von ihrem rauen, etwas dekadenten Charme bewahren.
FONDERIE LIMONE
Die Fonderie Limone (Gießereien) befinden sich nicht direkt in Turin sondern in Moncalieri, das direkt an die Stadt angrenzt. Einst ein großer Arbeitgeber in der Gegend, wurden sie nach der Schließung in den neunziger Jahren in eine „Fabrik der Künste“ umgewandelt. Dank der Zusammenarbeit mit dem Turiner Teatro Stabile sind die Fonderie Limone eine einzigartige Einrichtung in Italien - offen für neue Projekte und Ideen im Dienste aller.
VILLAGGIO LEUMANN
Es hat seinen Platz in dieser Liste auf jeden Fall verdient, da viele (sogar die Turiner) nicht von seiner wunderbaren Existenz wissen. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die kleine Häusersiedlung von Napoleone Leumann, einem aufgeklärten Schweizer Unternehmer, errichtet und beherbergte Fabriken und die Arbeiterunterkünfte. Das Dorf war jedoch weit mehr als ein an die Industriegebäude angeschlossener Wohnbereich. Es handelte sich vielmehr um einen Ort, an dem Arbeit, Familie, Freizeit und Wohlfahrtseinrichtungen eng miteinander verbunden waren und somit einen effizienten und sozial entwickelten Kontext bildeten. Die Schweizer wissen, wie man es macht.Heute ist nur der Wohnbereich erhalten geblieben, der durch seine einzigartige Architektur im Schweizer Stil besticht, die man so weder davor noch danach in Turin je gesehen hatte.
Translated from I luoghi della Torino post-industriale: da fabbriche a poli culturali PARTE II