TTIP: Es leben die Leaks
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Die Umweltorganisation Greenpeace hat am Sonntag geheime Papiere veröffentlicht, die Einblick in den Stand der Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP geben. Kommentatoren bewerten den Coup unterschiedlich: Die Politik darf sich nicht über die Bürger hinwegsetzen, mahnen einige. Andere sehen die europäische Verhandlungsposition gefährlich geschwächt.
Neue Zürcher Zeitung: Dem Kompromiss nicht dienlich; Schweiz
Als überflüssig und kontraproduktiv sieht die Neue Zürcher Zeitung die TTIP-Leaks: „Hervorzuheben ist, dass das Leck Verhandlungspositionen dokumentiert, keine Verhandlungsergebnisse - letztere wurden schon immer veröffentlicht. Die EU hat ihre eigenen Positionen unter dem Druck der Öffentlichkeit zum Teil längst publiziert. Noch nie zuvor waren über laufende internationale Verhandlungen so viele Einzelheiten bekannt. Fraglich ist, wem solche Transparenz dient. Die Öffentlichkeit erfährt dadurch wenig Neues. Für die Unterhändler hingegen wird es schwieriger, taktisch vorzugehen oder ohne Gesichtsverlust Kompromisse zu schließen, wenn ihre Positionen im Voraus im Detail bekannt sind. Die ohnehin schon heiklen TTIP-Verhandlungen werden damit nicht einfacher.“ (Artikel vom 3. Mai 2016)
tagesschau.de: Debatte ist zu hysterisch; Deutschland
Die Aufregung um die TTIP-Unterlagen ist nicht gerechtfertigt, kritisiert tagesschau.de: „Es ist der Sinn solcher Papiere, die Verhandlungspositionen aufzulisten. Der Inhalt ist nicht neu, und man kann ihn sich auch denken: Die wirklich schwierigen Fragen werden in internationalen Verhandlungen fast immer am Schluss behandelt. [...] Aber in der hysterischen Debatte um TTIP ist nichts mehr normal. Diese deutsche Sorge etwa um Umwelt- oder Verbraucherstandards: Haben etwa deutsche oder europäische Behörden den VW-Diesel-Skandal aufgedeckt? Sind es die europäischen Kunden, an die Volkswagen jetzt die höheren Entschädigungen zahlt? [...] Es ist so, wie die europäischen Unterhändler von Anfang an gesagt haben: Erst am Ende wird man beurteilen können, wie gut oder schlecht dieses TTIP ist. Bis dahin wird verhandelt, und zwar beinhart, auf Seiten der Amerikaner, und hoffentlich auch auf Seiten der EU.“ (Artikel vom 3. Mai 2016)
De Volkskrant: Es leben die Leaks!; Niederlande
Gerade die Geheimnistuerei nährt das Misstrauen gegen TTIP, klagt Kolumnist Bert Wagendorp in De Volkskrant: „Der menschliche Geist ist simpel gestrickt. Kennt er nicht genug Fakten, beginnt er zu fantasieren. So bekamen wir die Religionen, und so machen wir aus TTIP vielleicht etwas, was es gar nicht ist. Aber vielleicht ist unser Misstrauen auch gerechtfertigt, und alles sogar noch schlimmer als wir uns vorstellen können. [...] Dass es Angela Merkel, Mark Rutte und Obama nun so eilig haben, die Verhandlungen abzuschließen, beruhigt mich auch nicht. Es ist alles nur ein Gefühl, aber es scheint doch so, als wollte man uns etwas schlucken lassen, bevor wir kapieren, dass wir da gerade einen ziemlich fiesen Brocken heruntergewürgt haben. Wenn Politiker in Washington und Brüssel nun als Reaktion auf die TTIP-Leaks sagen, was sie tun, so dass wir darüber reden können, dann ist das ein echter Gewinn. Es leben die Leaks.“ (Artikel vom 3. Mai 2016)
Duma: Wer soll Ihnen das abkaufen, Frau Malmström?; Bulgarien
Spätestens jetzt wird deutlich, dass das Freihandelsabkommen nicht den Menschen in Europa, sondern globalen Konzernen dienen soll, schimpft die linke Tageszeitung Duma: „Die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström beteuert nun, dass sie in den Verhandlungen mit den USA die Interessen der Europäer verteidigt. Wer soll Ihnen das noch abkaufen, Frau Malmström? Die weniger Vergesslichen unter uns erinnern sich noch sehr gut an Ihre Worte, dass Sie nicht direkt von den europäischen Bürgern gewählt werden und ihnen darum keine Rechenschaft schuldig sind. Sie erinnern sich auch an den Versuch der EU-Abgeordneten, bei der TTIP-Abstimmung im vergangenen Sommer den Europäern Sand in die Augen zu streuen, um sie glauben zu machen, dass ihre Interessen geschützt werden. Leider schlagen sich die Gesetzgeber lieber auf die Seite des Kapitals als auf die Seite der arbeitenden Bevölkerung.“ (Artikel vom 3. Mai 2016)