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Trentemøller: eisige Töne

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Translation by:

Lea Sauer

Kultur

Die dunkle Diskographie des Dänen brachte bisher eher eisige Töne in die Welt der Elektromusik. Er hat es aufgegeben, gegen das Bild anzukämpfen, nach dem er so feurig ist, wie ein Backstein. Trotzdem beweist Anders Trentemøller nun, dass er durchaus in der Lage ist, die rosigsten Gefühle auf Platte zu bringen. 

Die Musik von Trentemøller erinnerte auf seiner letzten Platte Lost an einen eigenartigen Stein, der von einer Familie und ihrer schwarzen Katze beäugt wird. Aber egal. Seine Melodien scheinen sich kaum zu trauen, sich aneinander zu reihen, seine Akkorde sind wie von zittriger Hand geschmiedet und der monotone Bass schleicht sich mit schüchternen Vibrationen durch unseren Gehörgang. Das sind Überbleibsel des skandinavischen Stils, der sich am besten auf Kälte reimt.

Nahtoderlebnisse

Anders Trentemøller hat seine letzte Platte in völliger Isolation geschrieben. Vierzehn Monate hat er sich in seinem Studio eingeschlossen, über seinen Kompositionen gebrütet und niemandem was davon vorgestellt. Er war zu "verlegen", sagt er, um sie anderen zu zeigen. Wenn man mal ehrlich ist, hat Trentemøller sowieso nie für jemanden geschrieben, weder für seine Ex, noch für seine Freundin oder alte Schulfreunde, die die 400 Schläge auf dem Piano auch nur die leisteste Spur wert wären. Anders bevorzugt musikalische Bezüge zu den 80ern, wo viele Künstler so viel Gefühl in ihre Sounds legten wie bei einem Nahtoderlebnis. Joy Division, Cure, New Order, Depeche Mode, Suicide… Die leichten Irrungen von Lost hatten alles, was es brauchte, damit sich sein Verfasser in ein kaltes Zimmer einigeln konnte. 

"Wie du siehst, bin ich ein ganz sympathischer Typ, oder?" Einen Moment Stille, dann öffnet Trentemøller seine Arme aus der Verschränkung und betrachtet sein Bier. Unter der gleisenden Sonne des Festivals Rock en Seine erinnern nur seine schwarz lackierten Fingernägel daran, dass wir es hier mit einem Melancholiker zu tun haben. Der ganze Rest wirkt ganz sympathisch: schwarze Lederjacke, ein gepunktetes Hemd und eine Haarsträhne, die sich über seinem Lächeln kräuselt. Passend zu seiner Selbstbeschreibung, findet sich keine äußere Erklärung dafür, dass seine Stücke von dieser eigenartigen Traurigkeit geprägt sind. Das ist wohl eher Gefühlssache, etwas, was ich von innen her spüre", beschreibt er, während er an seinem Siegelring herumspielt. Melancholische Musik berührt mich selbst sehr und deshalb ist es für mich eben auch schwierig happy songs zu schreiben."

Anders selbst beschreibt seine angebliche Einsamkeit als eine Arbeitsmethode. Wenn der Künstler sich einsperrt, dann um die schlechten Erfahrungen der Vergangenheit abzuwenden. Also die Erfahrungen, die er machte, als er in einer Gruppe gespielt hat. Ich habe in fünf verschiedenen Gruppen gespielt. Jedes Mal musste jeder immer seinen Senf zu der Musik dazu geben, die man spielt. Ich persönlich mag es eine Idee zu haben und diese bis zum Ende zu verfolgen. Ich litt stark unter den Kompromissen, die man machen musste und die für mich einen Zeitverlust darstellten. Wenn es um meine Musik geht, bin ich sehr egozentrisch."  

Es ist schon hart, ein DJ zu sein... 

Wenn er spricht, stockt Trentemøller immer wieder etwas. Zwischen manchen Sätzen erlaubt er sich einen Schluck Bier, so als ob er damit die Leidenschaft zügeln könnte, die ihm möglicherweise zu schnell entschlüpft. Dann fasst er sich wieder. Aber meine Musik ist deswegen nicht gleich egozentrisch. Da muss man aufpassen." Der Hang dazu, sich selbst zu verteidigen, ist für ihn charakteristisch. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Däne nur sehr schwer zusammenfassen kann, was er denn eigentlich so macht. Während Trentemøller vage umschreibt, dass er auf sein Gefühl hört" oder er Raum für alle Arten von Musik schafft" bezeichnet ihn eine kleine Randgruppe wie z.B. die Journalisten als DJ. Ich bin der Meinung, dass die Menschen zu schnell die Verbindung von elektronischer Musik und DJ ziehen. Ein DJ ist für mich jemand, der die Musik von anderen spielt. Es stimmt schon, dass ich das vor 5 Jahren auch gemacht habe, aber die meiste Zeit meiner Karriere habe ich selbst komponiert und auch selbst alle Instrumente auf meinen Platten eingespielt. Ich bin also offensichtlich ein Musiker." 

Paradoxerweise wurde Trentemøller aber gerade dadurch bekannt, dass er die Musik von anderen mixte. Mitte der 2000, zur Hochzeit seiner DJ-Phase, remixte er das Stück Sodom" der Pet Shop Boys. Es folgten Remixe von Röyksopp, Moby, Depeche Mode und Franz Ferdinand und später die Krönung, als die Hörer von BBC1 Radio seinen Son Essential Mix zum besten Mix des Jahres wählten. Distanziert lächelt Anders und erklärt genauer: "Ihr müsst wissen, dass ich wochenlang nur über diesen Stücken hing. Ich habe sie komplett überarbeitet. Für mich war das so, als wären es meine eigenen Werke gewesen."  

Ein Kommentar, wie ihn der Guardian wahrscheinlich noch nie erlebt hat. In ihrem Konzert-Review beschreibt die Tageszeitung Anders wie folgt: ein kalter DJ, von seinen Zuhörern verwirrt." Auf der Seite liest man den Kommentar Fuck You Guardian!" geschrieben von einem gewissen… Anders Trentemøller. Ja, das war ich. Ich war betrunken und genervt im Tourbus und ich habe gerade an diesem besagten Abend die Verbindung zum Publikum sehr zu schätzen gewusst. Ich fand das unfair. Es war vielleicht das Dümmste, was man machen konnte, aber ich bin eben leidenschaftlich und werde manchmal von meinen Emotionen geleitet. So ist das eben." Da haben wir ihn ja endlich, den Beweis, dass auch ein Trentemøller mal hitzig werden kann.

Trentemøller - Gravity

Zum reinhören : Lost von Trentemøller (erschienen im Septembre 2013/In My Room)

Story by

Matthieu Amaré

Je viens du sud de la France. J'aime les traditions. Mon père a été traumatisé par Séville 82 contre les Allemands au foot. J'ai du mal avec les Anglais au rugby. J'adore le jambon-beurre. Je n'ai jamais fait Erasmus. Autant vous dire que c'était mal barré. Et pourtant, je suis rédacteur en chef du meilleur magazine sur l'Europe du monde.

Translated from Trentemøller : de sons froids