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Träume malen: Streetart in Kathmandu

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Ronja Lustig

Kultur

Nepal hat genug Pro­ble­me. Die meis­ten Ne­pa­lis sind von un­zu­rei­chen­der Was­ser- und Strom­ver­sor­gung be­trof­fen und alle leben sie in einem Klima der po­li­ti­schen Un­si­cher­heit. Trotz­dem gibt es eine Hand­voll Leute, die Platz für Schön­heit und neue Ideen in dem Land sehen. Jetzt mehr als je zuvor.

Als ich das Grund­stück des Sat­tya Media Arts Collec­tive be­tre­te, finde ich mich in einer En­kla­ve des Frie­dens wie­der. Eine Grup­pe von Leu­ten sitzt an einem Tisch in der Sonne beim wö­chent­li­chen Team­ge­spräch. Hin­ter ihnen ragt das drei­ge­stö­cki­ge, bunte Bau­werk wie eine Fes­tung der Krea­ti­vi­tät auf.

Farbe in die Stadt brin­gen.

Die­ser Ein­druck ver­stärkt sich noch, als mich die Ma­nage­ment-Prak­ti­kan­tin Lisa her­um­führt. Eine klei­ne und ge­müt­li­che, mit Sitz­kis­sen be­stück­te Bi­blio­thek liegt di­rekt neben dem neuen Co­wor­king-Space. Ab so­fort wird hier jun­gen Frei­be­ruf­lern und Mi­kro­un­ter­neh­mern güns­ti­ger Bü­ro­raum und Aus­tausch mit An­de­ren ge­bo­ten. An­de­re Pro­jek­te sind der Ge­mein­schafts­gar­ten Ha­riyo Chowk (Grüne Kreu­zung") oder die wö­chent­li­chen Do­ku­men­tar­film­vor­füh­run­gen. Am meis­ten Auf­merk­sam­keit bekam Sat­tya je­doch für die Ak­ti­on „Kolor Kath­man­du". Das Ziel: na­tio­na­le und in­ter­na­tio­na­le Künst­ler 75 Wand­bil­der, die die Di­strik­te Ne­pals dar­stel­len, in­ner­halb eines Jah­res malen zu las­sen. Kurz ge­sagt - Kath­man­du bun­ter zu ma­chen.

Den öf­fent­li­chen Raum wie­der­ge­win­nen

Man­che der teil­neh­men­den Künst­ler woll­ten gegen in­halts­lo­se po­li­ti­sche Phra­sen" und die all­ge­gen­wär­ti­ge Wer­bung an­ge­hen, um den öf­fent­li­chen Raum für die Bür­ger selbst wie­der­zu­ge­win­nen. Einer von ihnen ist Adi­tya Aryal, alias Sad­huX. Dass er erst vor drei Jah­ren zu malen an­fing, zeigt, wie wenig ver­brei­tet Stra­ßen­kunst bis vor Kur­zem war. Als krea­ti­ver Kopf der Or­ga­ni­sa­ti­on Art­lab möch­ten Sad­huX und der Ge­schäfts­füh­rer Romel Bhat­ta­rai mit Stree­tart die Ge­sell­schaft än­dern.

Wir wol­len die Leute neu­gie­ri­ger ma­chen"

Bis wir an­ge­fan­gen haben, auf der Stra­ße zu malen, war nichts da. Die Kunst­sze­ne war nur auf Aus­stel­lun­gen in Gal­e­ri­en be­grenzt", be­ginnt Adi­tya. Romel über­nimmt: Wir wol­len eine Al­ter­na­ti­ve zu den sehr aus­ge­feil­ten Struk­tu­ren der Gal­e­ri­en bie­ten". An Kunst in­ter­es­sier­te Ne­pa­lis sol­len auf die Stra­ße gehen und ihre Kunst ma­chen, statt zu war­ten, bis ein Gale­rist zu ihnen kommt. Viele Künst­ler in Nepal war­ten. Wir schaf­fen. Egal wie und wo". Die Kunst auf der Stra­ße, macht die Werke für jeden zu­gäng­lich. Wir wol­len die Leute neu­gie­ri­ger ma­chen." Im Schutz der Gal­e­ri­en, die immer die glei­chen Leute an­zie­hen, kann man die Öf­fent­lich­keit nicht in­fra­ge stel­len.

Träu­mer mit einem Sinn für's Ge­schäft

Als ich an­ge­fan­gen habe, Kunst zu ma­chen, tat ich das eher für diese un­greif­ba­re Zu­frie­den­heit, die mir das bringt", er­zählt mir Priti Sher­chan, die Künst­ler­ko­or­di­na­to­rin bei Sat­tya. „Aber spä­ter habe ich auch den wirt­schaf­li­chen Nut­zen dabei ge­se­hen. Auch in klei­nem Maß­stab kön­nen wir Leu­ten Ar­beit geben, wie den Pro­du­zen­ten un­se­rer Farbe oder den Fah­rern, die Kunst­wer­ke trans­por­tie­ren".

Dass Kunst und vor allem Stra­ßen­kunst nicht un­be­dingt eine Art Zeit­ver­treib unter dem Segen groß­zü­gi­ger Spon­so­ren sein muss, son­dern eine greif­ba­re Ver­bin­dung zur Ge­schäfts­welt hat, zei­gen die Künst­ler von Art­lab ganz be­son­ders. Die Ar­beit, die aus purer Ideo­lo­gie be­gann, ist in­zwi­schen zu einem ver­hält­nis­mä­ßig lu­kra­ti­ven Be­trieb ge­wor­den. „Un­se­re Ar­beit auf der Stra­ße wirkt als Wer­bung für un­se­re an­de­ren Stü­cke". Die fünf Künst­ler fin­den, zu­sam­men mit ihrem Ma­na­ger ihre Wege, um das Ge­schäft am Lau­fen zu hal­ten: Wann immer mög­lich, ver­su­chen sie, ver­kauf­ba­re Ob­jek­te wie T-Shirts und Dru­cke zu pro­du­zie­ren und auf Nach­fra­ge ge­stal­ten sie auch Ge­bäu­de. Auf diese Weise wur­den sie dafür be­zahlt, die Wände an Orten wie dem Re­stau­rant „Pla­ces" in Tha­mel, Kath­man­du, zu ge­stal­ten, wo sie auch Stü­cke ihrer neu­es­ten Pro­jek­te aus­stel­len und zum Ver­kauf an­bie­ten.

Die ge­mein­nüt­zi­ge Or­ga­ni­sa­ti­on Sat­tya setz­te auch einen Fuß in die Ge­schäfts­welt durch ihr Toch­ter­un­ter­neh­men Sat­tya Inc. Des­sen Zweck ist es, Künst­ler und po­ten­ti­el­le Kun­den zu­sam­men­zu­brin­gen, um die wach­sen­de Nach­fra­ge nach krea­ti­ver Raum­ge­stal­tung und das Be­dürf­nis der Künst­ler nach einem aus­rei­chen­den Le­bens­un­ter­halt zu be­frie­di­gen.

Neue Struk­tu­ren nut­zen

Wohin geht geht der Weg? „Na­tür­lich haben wir eine Vi­si­on", sagt Romel mit dem Lä­cheln der wahr­haf­t Be­geis­ter­ten. „Wir wol­len über­all Kunst sehen". Er hat eine recht klare Vor­stel­lung davor, wie er die­ses him­mel­ho­he Ziel er­rei­chen will. Dass er ein Ma­na­ger ist, sieht man daran, wie er mir die De­tails von Art­l­abs ge­plan­tem Wachs­tum dar­legt. Neue Struk­tu­ren wer­den nicht nur für Künst­ler, son­dern auch für An­de­re im krea­ti­ven Busi­ness Ge­le­gen­hei­ten bieten und eine neue Platt­form schaf­fen. Warum nicht De­si­gner mit In­for­ma­ti­kern zu­sam­men­brin­gen? Ein gan­zer In­dus­trie­zweig war­tet nur dar­auf, er­kun­det zu wer­den!

Vom Aus­land ler­nen

Das nächs­te große Pro­jekt, von dem Romel träumt, ist ein in­ter­na­tio­na­les Street Art Fes­ti­val im nächs­ten Jah­r, um aus­län­di­sche und re­gio­na­le Künst­ler zu­sam­men­zu­brin­gen. „Die ne­pa­le­si­sche Street Art hat noch kei­nen fes­ten Stil", er­gänzt Adi­tya. Das aber könn­te der größ­te Trumpf der hie­si­gen Krea­ti­ven sein. Auch wenn sie of­fen­sicht­lich von der Szene von Städ­ten wie New York oder Ber­lin be­ein­flusst sind, haben ne­pa­le­si­sche Künst­ler doch die Frei­heit, etwas ganz Neues zu erschaffen, sich wie­der wie Kin­der mit Farb­töp­fen vor einer leeren Flä­che zu füh­len.

Ein Ge­fühl von Zu­sam­men­ge­hö­rig­keit

Diese Ge­ne­ra­ti­on von Künst­lern in Kath­man­du ist von dem Ver­lan­gen ge­eint, vor Ort etwas zu än­dern. Sie wol­len nicht, wie viele an­de­re junge Leute, das Land ver­las­sen. Art­l­abs Pro­jekt Pra­sad spricht das Pro­blem der Ju­gend an, die ihr Glück im Aus­land su­cht. Sie malen „Ne­pa­li Hel­den" und wol­len damit ihre Ge­ne­ra­ti­on in­spi­rie­ren, ihr Po­ten­ti­al in ihr Va­ter­land zu in­ves­tie­ren. Sat­tya hin­ge­gen bie­tet - durch Büro und Work­shops - Raum zum Zu­sam­men­kom­men, um an­de­re Me­schen mit neuen Ideen zu tref­fen. „Wir wol­len eine Ge­mein­schaft auf­bau­en und ein Ge­fühl von Zu­sam­men­ge­hö­rig­keit schaf­fen".

Fang an, wo du stehst - und gehe weit

Diese Leute sind nicht in ers­ter Linie Träu­mer. Sie sind Ma­cher. „Fang an, wo du stehst". Priti schaut mir in die Augen und sagt ein­fach: „Je­mand muss es tun".

Translated from Painting dreams : Kathmandu's freshly emerging street art scene