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Tödliche Attentäter, fanatische Amateure

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Islam in Europa

Wie die drei jungen Männer, die jüngst unter dem Verdacht der Planung eines Terrorakts festgenommen wurden, zu Attentätern wurden, kann man nur mutmaßen. Doch klar ist, dass auch in Deutschland eine gewaltbereite Islamistenszene besteht – selbst wenn zum Erfolg bisher noch die Professionalität fehlt.

Frankfurt Flughafen: Ein mögliches Anschlagsziel? Credit to: William Ward/FlickrNach der Festnahme dreier junger Männer am 04. September, die Anschläge auf US-Einrichtungen geplant haben sollen, scheint Deutschland nur knapp einer Katastrophe entgangen zu sein. Die Einzelheiten, die nach der Polizeiaktion an die Öffentlichkeit gelangten, machen wieder einmal deutlich, dass es auch in Deutschland eine gewaltbereite Islamistenszene gibt. Wie auch in anderen Ländern handelt es sich dabei nicht länger um Ausländer, sondern um Gastarbeiterkinder – oder um Konvertiten. Sowohl der 22-jährige Daniel S. aus dem Saarland, als auch der 28 Jahre alte Fritz G. aus Bayern waren als Jugendliche zum Islam übergetreten. Der 28-jährige Türke Adem Y. seinerseits lebte bereits seit vierzehn Jahren in Hessen.

Die Erklärung, dass es sich bei Terroristen um frustrierte junge Männer ohne Perspektive handelt, mag bei Adem Y. und Daniel S. zutreffen, die zuletzt offenbar von Arbeitslosengeld lebten. Fritz G. hingegen stammte aus einer bürgerlichen Familie – der Vater Unternehmer, die Mutter Ärztin – und stand kurz vor Abschluss seines Ingenieursstudiums. In jedem Fall ist die Deutung der Terroristen als Unterdrückte, Gedemütigte und Entrechtete – wie auch bei den meisten Attentätern des 11/09 – nicht hinreichend. Sie selber können kaum eine solche Erfahrung gemacht haben. Möglich ist höchstens, dass sie sich als Teil der muslimischen umma verstanden, und es als ihre Pflicht verstanden, das ihr zugefügte Unrecht zu rächen.

Mutmaßung über die Motive zur Konversion

Ulm: Eines der Zentren des deutschen Islamismus. Credit to:  Matthew Black/FlickrWarum Fritz G. und Daniel S. überhaupt zum Islam übergetreten sind, ist noch unklar. Ob sie dort lediglich Halt und Orientierung suchten und erst später durch ihr Umfeld radikalisiert wurden oder ob bereits ihr Übertritt einen politischen Hintergrund hatte, ist nicht bekannt. Ob sie den Zugang zum islamistischen Milieu gesucht haben oder nur als kürzlich Konvertierte und damit religiös Unerfahrene für die mutmaßlich reine Auslegung des Islams zugänglich waren, wissen nur sie. Bekannt ist jedoch, dass sowohl Fritz G., der als Kopf der Gruppe gilt, als auch Adem Y. zur Neu-Ulmer Islamistenszene gehörten. Die beschauliche Stadt an der Donau war schon früher als eines der Zentren des Islamismus aufgefallen.

Das von dem Ägypter Yehia Yousif dort betriebene Multi-Kultur-Haus war nach Hinweisen, dass dort zum Kampf gegen Ungläubige aufgestachelt wurde, Ende 2005 vom Verfassungsschutz geschlossen worden. Danach verlegte sich der Mittelpunkt der Szene offenbar ins Islamische-Informations-Zentrum (IIZ) in der selben Stadt. Dort verkehrte neben den nun Verhafteten auch Tolga D., der als Schulkamerad von Fritz G. bedeutenden Einfluss auf ihn ausübte. Wohlmöglich gehörte er ebenfalls zur Terrorzelle, die nach Ansicht der Bundesanwaltschaft, die in dem Fall die Ermittlungen führt, ihrerseits Teil der Islamischen Jihad Gruppe (IJG) ist – einer ursprünglich usbekischen Terrororganisation.

Terror-Tourismus von Neu-Ulm nach Pakistan

Pakistanisch-afghanisches Grenzgebiet. Credit to: Charlie Phillips/FlickrAuch von dem Staatenlosen Husein al-M. und dem Deutschtürken Zafer S. heißt es, dass sie zu dieser Organisation gehören. Von Neu-Ulm scheint es über die Jahre einen wahren Terror-Tourismus gegeben zu haben. Alle sechs Männer sollen zu verschiedenen Zeitpunkten eine militärische Grundausbildung in einem Lager der IJG im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet durchlaufen haben. Tolga D. und Husein al-M. wurden allerdings unabhängig voneinander an der pakistanischen Grenze gefasst und nach kurzer Haft nach Deutschland abgeschoben, wo sie derzeit in Haft sitzen. Zafer S. hingegen soll es gelungen sein, von einem Studienaufenthalt in Syrien im Januar 2005 nach Absolvierung eines Terrortrainings in Pakistan in den Irak zu gelangen.

Alle sechs Verdächtigen hatten also bereits längst die Schwelle zum Handeln überschritten. Allerdings bleibt die Frage, wie nah man tatsächlich einer Katastrophe entgangen ist. Die drei Attentäter hatten sich große Mengen Wasserstoffperoxid besorgt, aus dem eine hochexplosive Mischung gebaut werden kann. Der Polizei war es allerdings gelungen, die in einer Garage gelagerte 30-prozentige Lösung unbemerkt gegen 3-prozentige Lösung der gleichen Chemikalie auszutauschen – die völlig ungefährlich ist. Selbst mit der hochprozentigeren Chemikalie wäre kein sicher handhabbarer Sprengstoff zu produzieren, da der daraus herstellbare Sprengstoff hochsensibel ist und bei stärkerer Erschütterung in die Luft fliegt.

Die Polizei verfolgte die Spur der drei jungen Männer bereits seit Herbst 2006, als Fritz G. und ein weiterer Mann, Attila S., eine US-Kaserne ausspioniert hatten. Sie überwachte alle Bewegungen und Kontakte der Männer. Letztlich hatte sie nur solange gewartet, um ausreichend Beweise für eine Festnahme zu haben. Als die drei Männer am 04. September schließlich in einem Ferienhaus verhaftet wurden, das sie für den Bau der Bomben angemietet hatten, hatten sie offenbar noch kein genaues Ziel für die Anschläge festgelegt. Es scheint daher, dass die Terroristen trotz ihrer Ausbildung in Pakistan alles andere als professionell agierten. Dies ändert nichts an ihrer Entschlossenheit zu töten, doch bleiben die Attentäter bislang noch Amateure. Noch.